Last Exit: Kulturaustausch

Ich wurde in einer Stadt in der Mitte Myanmars geboren. In einer kleinen Stadt, nicht in einer grossen. Die Stadt ist eine Bezirksstadt. Diese Stadt ist sehr wichtig fuer die Geschichte unseres Landes, weil dort das zweite Yama-Koenigreich begruendet wurde. Also ich wurde dort 1945 geboren, im September, also bin ich jetzt fast 60 Jahre alt. Ich ging auf eine englische Highschool. Wir haben Missionars-Schulen in unserem Land. Dort fing also meine Grundschulbildung an. Mein Vater war auch schon im diplomatischen Dienst und in den spaeten 1960ern wurde er als Botschafter nach Japan geschickt. Also ging ich mit ihm nach Japan und beendete die Schule an der American Highschool in Tokio.

Danach ging ich zurueck in mein Land und studierte dort. Ich habe einen Abschluss in Physik gemacht. Da gab es dann spaeter eine Pruefung, um Offiziere fuer den diplomatischen Dienst zu rekrutieren. Ich nahm an dieser Pruefung teil, bestand sie und daraufhin verliess ich die Physik und ging in den diplomatischen Dienst. Das war 1968, also seit damals bin ich Diplomat. Ich bin immer im Aussendienst gewesen. Mein erster Posten, als sehr junger Offizier, war in der Schweiz, in Bern. Das war 1971. Ich war dort fuer fast fuenf Jahre. Es ist ein sehr nettes Land. Sehr teuer zwar, aber ruhig. Nicht viel Politik. Dann spaeter wurde ich nach Vietnam geschickt. Das war 1975. Es war eine sehr schwierige Zeit: Der Krieg mit den USA war gerade vorueber und das Land lag in Schutt und Asche. Wir mussten eine neue diplomatische Mission in Hanoi eroeffnen.

1978 kehrte ich dann zurueck ins Auswaertige Amt in unserer Hauptstadt Rangun und dort blieb ich fuer einige Jahre. Dann wurde ich nach Bangkok geschickt. Bangkok ist ein sehr wichtiger Posten fuer uns, weil Thailand unser Nachbar ist. Da war ich fuer ungefaehr zwei Jahre, das war Mitte der 1980er. Von Bangkok wurde ich nach Bangladesch abberufen. Danach kam ich zum zweiten Mal nach Bangkok und wurde Generaldirektor der politischen Abteilung unseres Ministeriums. Spaeter, im Jahr 2001, wurde ich dann Botschafter in Suedkorea. Das ist sehr aktuell. Ich blieb nur ein bisschen laenger als ein Jahr, denke ich. Dann bekam ich die Stelle in Berlin. Unser Minister suchte jemand Passendes mit Europa-Erfahrung, also entschied man, mich von Seoul nach Berlin zu versetzen. Also bin ich jetzt seit 2002 hier. Das heisst fuer zweieinhalb Jahre.

Seoul liegt in Asien, die Umgebung dort ist ganz anders als hier. Die Mentalitaet ist anders, die Werte sind anders. Und ich hatte mich gerade an Korea gewoehnt, nach einem Jahr. Ganz ploetzlich wurde entschieden, dass ich hierher kommen sollte, das war natuerlich eine grosse Herausforderung, besonders weil es so eine andere Umgebung ist. In Korea ist die Religion ja sogar der unseren aehnlich. Sie haben Buddhismus und wir haben Buddhismus. Also hatte ich viele Freunde und es gab viele Tempel in denen ich meditieren konnte. Aber hier in Deutschland gibt es nur wenige Buddhisten. Es gibt einige Tempel in Berlin, aber in Seoul, da haben wir unsere eigenen Tempel. In dieser Hinsicht denke ich, dass ich etwas vermisse. Auch das politische uns oekonomische Klima ist anders. Zwischen Myanmar und Suedkorea gibt es nicht viele politische Unterschiede und es gibt viele Aktivitaeten von koreanischen Firmen in unserem Land. Zum Beispiel Investitionen oder auch Unterstuetzungen.

Mit den westlichen Staaten, vor allem mit der europaeischen Union und mit den USA haben wir hingegen politische Schwierigkeiten. Angesichts dieses politischen Klimas gibt es viele Herausforderungen. Hier muessen wir ueberzeugen, muessen unser Land darstellen, damit die Menschen in Europa uns verstehen. In Asien ist das sehr einfach, weil die Mentalitaeten sehr aehnlich sind. Aber wenn ich versuche, mich in die europaeische Mentalitaet hinein zu versetzen, ist das eine grosse Herausforderung. Ein Botschafter muss natuerlich immer die Beziehungen zwischen dem Gastgeber und unserem Land pflegen – die Arbeit des Kulturvermittlers ist da schon was Neues. Zumal meine Aufgabenbereich auf den Sektor des Kulturaustauschs reduziert worden ist.

Da die politischen Beziehungen, na ja, >nicht normal< sind, mussten wir uns fragen, auf welche Weise wir die bilateralen Beziehungen foerdern koennen. Mit der Kultur geht das sehr einfach, da gibt es nicht so viele Meinungsverschiedenheiten und man findet schnell eine gegenseitige Verstaendigung ueber kulturelle Belange. Ausserdem gibt es in diesem Bereich keine Sanktionen, wie in der Wirtschaft. Heute duerfen Investoren aus der EU nicht in unser Land. Bevor die aktuellen Sanktionen ausgesprochen wurden, gab es einige europaeische Firmen, aus Frankreich, aus Deutschland, sogar aus Grossbritannien. Aber seitdem diese Dinge unserem Land auferlegt wurden, bleibt als Bereich der gegenseitigen Verstaendigung nur die Kultur und vielleicht das Soziale. Ich denke, es ist einfacher, damit als eine Basis anzufangen. Wir sind ein buddhistisches Land. 86 Prozent der Bevoelkerung sind Buddhisten. Der Buddhismus lehrt, wie andere Religionen auch, Mitgefuehl, Sympathie, Liebe, Freundlichkeit und Frieden. Wie immer ich mein Land darstellen moechte, ich denke, dass es im Hinblick auf Zivilisation und Kultur vom Buddhismus beeinflusst ist. Wir moechten, dass die Welt weiss, dass wir kein Volk sind, das von den Medien betrogen wird, dass die Menschenrechte verletzt, aggressiv ist oder aehnliche Dinge. Wir moechten, dass die Welt weiss, dass wir ein Volk sind, wie andere Voelker auch. Wir haben ein Herz, verstehen Sie, wir sind nicht kalt, wir sind warm und wir sind gastfreundlich, weil diese Dinge vom Buddhismus gelehrt werden. Wir haben keine menschliche Katastrophe in unserem Land, verglichen mit andere Laendern. Zum Beispiel in Lateinamerika, als General Pinochet and der Macht war und in der Nacht Menschen verschwanden, Massenverschwinden, Massenmorde. So etwas passiert in unserem Land nicht. Es ist friedlich bei uns und es gibt einfach einen Mangel an Verstaendnis. Heutzutage ist es in Mode, den Term >clash of civilizations< zu benutzen. Ich moechte dieses Wort eigentlich nicht benutzen, aber es gibt keinen >clash<, eher eine Luecke. Also ich moechte unser Land, in Kuerze gesagt, als ein friedliches Land darstellen, friedlich, weil wir Buddhisten sind. Sogar die Militaers, die sind auch Buddhisten, verstehen Sie? Jeder ist Buddhist! Ich moechte klarstellen, dass das Militaer die Macht uebernehmen musste. In den spaeten 1980ern hatten wir diese politischen Unruhen. Es gab die ganze Zeit ueber die Gefahr, dass die Union zusammenbrechen wuerde und das haette bedeutet, dass alle voneinander getrennt worden waeren. Deswegen ist die Einheit zu erhalten ja auch unsere groesste Herausforderung. Und die einzige Institution mit genuegend Disziplin, um unser Land zusammen zu halten war eben das Militaer. Es gab keine andere Institution. Sie koennten vielleicht sagen, dass irgendein buddhistischer Moench, den Staat leiten koennte. Aber Moenche machen religioese Dinge, sie halten den Staat nicht am Laufen. Das war der Grund, warum sie die Macht uebernommen haben. Aber wenn erst einmal alles seine Ordnung hat – es gibt immer noch eine Gruppe, die nicht an diesem Prozess beteiligt ist – dann wird derjenige die Macht erhalten, der gewaehlt wurde.

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