Kleine Weltbuerger

Silbrig schimmern Cargo-Container und Kraene auf einer dunklen Buehne. Flughafengeraeusche sind zu hoeren und eine Rundumleuchte sorgt fuer ein bisschen Licht. Was wohl in diesen Containern ist? Gepaeck vielleicht oder eher Technik? Auf einmal kriecht jemand aus einem Container heraus. Ein Junge. Patrick ist zwoelf Jahre alt. In dem weissen Hemd und mit der Krawatte wirkt er ein bisschen aelter. Seine Mutter arbeitet fuer den Tabakkonzern Philip Morris. Die Stationen seines jungen Lebens: Irland, Frankreich, Schweiz. Er hat schon eine Kreditkarte, drei verschiedene Paesse und kommt ein bisschen altklug daher. Ach ja, Bassgitarre und Akkordeon kann er auch spielen.

Patrick ist eines von acht Kindern, die bei der neuen Produktion von Rimini Protokoll auf der Buehne im HAU 2 stehen. Diese Kinder werden von Soziologen als >Third Culture Kids< bezeichnet. >Was glaubt ihr, wer wir sind?< ruft Patrick ins Publikum und reisst einzelne Seiten aus einem Buch ueber eben jene >Third Culture Kids< heraus. >Wir haben staendig Heimweh< steht in dem Buch und >wir sind depressiv und haben ein hohes Selbstmordrisiko<. Grinsend fuegt er hinzu: >Wir sind noch viel schlimmer, als es in den Statistiken steht.< Auftritt: Kristina. Sie ist erst zehn, wirkt aber viel aelter, weil sie sehr gross und sehr selbstbewusst ist. Kristina erzaehlt davon, wie sie mit vier Jahren nach Moskau zog, danach kam Los Angeles und jetzt Lausanne. In ihrem Container hat sie es sich sehr gemuetlich gemacht. Sie traeumt von einer globalen Sprache, die alle verstehen. Dann muesste sie nicht jedes Mal, eine neue Sprache lernen, wenn ihr Vater wieder versetzt wird. >Das ist, als wuerdest du noch einmal geboren werden.<, sagt sie und fuegt hinzu: >Jedes Mal musst du alles was dir wichtig ist, im Koffer verstauen. Doch ein paar Dinge konnte ich nicht mitnehmen: meine Freundin, meine Omi und die Aussicht von meinem Fenster.

Die Kids sind nie traurig, wenn sie ihre Geschichten erzaehlen. Sie kennen ein Leben mit dauerhaftem Wohnsitz ohnehin nur von ein paar Schulfreunden. Heimat ist fuer sie da, wo ihre Familie ist. So endet der Theaterabend mit beschwingten Kindern, die dem Publikum eifrig die Haende schuetteln. Die Erwachsenen wirken ein bisschen verwirrt. Warum wohl? Vielleicht denken sie, dass diese Kinder der Globalisierung doch viel trauriger sein muessten, so ganz ohne Heimatgefuehl. Vielleicht haben sie auch Angst vor den kleinen Nomaden, weil sie ganz selbstverstaendlich und ohne grosse Probleme in die Rolle des Weltbuergers schluepfen.

>Airport Kids< ist noch heute und morgen (25.10.) im HAU 2 in Kreuzberg zu sehen.

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