Keine Beruehrungsaengste

Da ich in einem spanischsprachigen Land aufgewachsen bin, hatten die fesselndsten Themen, um meine ersten Gespraeche mit anderen Intellektuellen [Aktivisten, Schriftstellern, Kuenstlern, Akademikern] ausserhalb meines Heimatlandes aufzubauen, fuer mich mit Literatur zu tun. Ich nahm Kontakt zu einer Gruppe aus San Diego auf, die sich >Taco Shop Poets< nannten und gleichzeitig sprach ich mit Cyberpunks, die mit dem Internet arbeiteten, sowie DJs vornehmlich aus der elektronischen Musikszene Sand Diegos.

Einerseits sprachen wir darueber, was man machen koennte, was wir mit den derzeitigen Moeglichkeiten, die die neuen Medien bringen, anfangen koennten. Gleichzeitig war es aber auch wichtig ueber Tijuana zu reden, was daraus wurde, wie sich das politische und sozio-oekonomische Klima der Welt in etwas viel schwieriger zu Beeinflussendes wandelte als es noch fuer die vorhergehende Generation gewesen war. Es war eine Krise der sozialen und oekonomischen Werte, die ueber uns schwebte.

Ich weiss nicht, ob sich das Gefuehl des Gemeinsamen [wie es sich in gemeinsamen Themen und Interessen ausgedrueckt] aenderte, nachdem ich aus erster Hand die >reichen Industrielaender des Westens<, oder anders ausgedrueckt, aus erster Hand vor allem US-amerikanische Formen von Ueberfluss, Dekadenz usw. erlebt hatte. Immerhin habe ich schon immer, das heisst, mein ganzes Leben, nah an diesem Ueberfluss und an dieser Dekadenz war: Man muss sich nur die geografische, kulturelle und wirtschaftliche Naehe des mexikanischen Bundesstaats Baja California, in dem Tijuana liegt, zum US-amerikanischen Kalifornien vor Augen fuehren.

Insofern hatte ich nie einen Schock jener Art, wie ihn vielleicht andere Kuenstler, Aktivisten und Schriftsteller aus der technologisch unterentwickelten Welt [der so genannten Dritten Welt] erlebten, wenn sie in den Achtzigern das erste Mal in den USA oder in Europa waren. Ich wuerde allerdings auch nicht sagen, dass ich in Bezug auf wirtschaftliche Werte ein privilegiertes Kind war – meine beiden Vaeter verdienten ihr Geld als Lehrer. Allerdings versuchte ich mich in Bezug auf Information, Kultur, Unterhaltung usw. so sehr in Kalifornien zu integrieren, wie ich nur konnte. Das erfolgreich zu versuchen – so koennte man sagen – war ein Privileg.

Seit einiger Zeit nun arbeite ich im Kontext der globalen Zivilgesellschaft. Damit die Leser der Berliner Gazette verstehen koennen, was das Konzept der globalen Zivilgesellschaft fuer mich bedeutet, in welcher Weise es sich von der gewoehnlichen Auffassung von Zivilgesellschaft unterscheidet und warum diese Veraenderung notwendig ist, muessen wir gemeinsam beruecksichtigen, dass sich die Produktion drastisch veraendert hat: vom internationalen Fliessband hin zum vernetzten Kapitalismus.

Es ist wichtig dies zu reflektieren und sich danach zu verhalten, indem man neuere Bauformen der Welt annimmt. Affirmation bedeutet nicht Zustimmung, sondern zu allererst vergegenwaertigte Teilnahme, an dem, was da draussen, ausserhalb des Schneckenhauses passiert. Man kann heutzutage nicht mehr von der so genannten Aussenwelt abgeschnitten sein, nicht nur wegen politischen Engagements, sondern auch, weil in einem Elfenbeinturm zu arbeiten bedeutet, einen antiquierten Paradigmenwechsel zu produzieren, selbst dann, wenn man neue Technologien benutzt oder sich auf aktuelle Themen bezieht.

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