A wie Kartoffel

“Machen! MACHEN! MAAACHEEEN!!” Der kleine Prinz sitzt auf dem Boden und guckt verständnislos. “MACHEN!!!”. “Was möchtest du, dass ich mache?” – fragt meine Mutter. Der kleine Prinz fuchtelt mit den Fingern in der Luft herum, mit gutem Willen kann man erkennen, dass seine ausgestreckten Finger immer wieder auf seine Schuhe deuten. Meine Mutter weiß ganz genau, was der kleine Bengel von ihr will: Sie soll ihm die Schuhe zubinden. “Binden, nicht machen!”

Meine Mutter arbeitet in einem Kindergarten, in dem der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund über 70% liegt – besagter kleiner Prinz hat einen eben solchen und bekommt außerdem anscheinend Daheim alles auf Verlangen auf dem Silbertablett serviert.

Zum Sprechen bringen

Es wird verständlich, dass der Sprachunterricht zu einem immer wichtigeren Aspekt in der Arbeit einer Erzieherin wird. Dabei geht es vordergründig nicht darum, den Kleinen komplexe Worte oder grammatische Regeln zu erläutern, sondern sie überhaupt erst zum Sprechen zu bringen.

Das Beispiel des kleinen Prinzen ist kein Einzelfall; ihm schließen sich jene an, die, von den Krawallmachern in der Gruppe eingeschüchtert, lieber stumm bleiben, oder jene, die in jungen Jahren die Fernbedienung besser beherrschen als ihr Mundwerk.

Es braucht mannigfaltige Anregungen im Kindergartenalltag – wie zum Beispiel den Kontakt mit der ländlich-natürlichen Umgebung, den Besuch eines ausgedienten Kohleförderturms, gemeinsames Kochen oder das Entwickeln eigener Spiele. Dadurch werden die Kinder dazu animiert, die Spiele oder das, was sie neu kennen lernen, zu kommentieren oder zu fragen, wenn sie etwas nicht verstehen.

“Die Kartoffel ist rau, die Kartoffel ist braun, die Kartoffel kommt aus der Erde. Ich esse Kartoffeln gerne, Pommes sind aus Kartoffeln, Pommes gibt es bei Mc Donalds!” Die Augen der Kleinen leuchten, wenn sie berichten, was sie wissen und was sie gelernt haben.

Was fehlt

Leider manifestiert sich bei mir und meiner Mutter der Eindruck, dass sie dazu in ihrem privaten Umfeld viel zu wenig Anregung erhalten. Wie viel Mühe es die Erzieherinnen mit speziellen Methoden – in Härtefällen sogar mit Logopädinnen – kostet, einige Kinder dazu zu bringen, vollständige Sätze zu formen, ist schockierend.

Vor diesem Hintergrund ist es mir unverständlich, dass innerstädtisch alljährlich sündhaft teure künstliche Weihnachtsbäume aufgestellt und Shoppingcenter in Rekordzeit errichtet werden, während in den Kindergärten in den Vororten zweistellige Eurobeträge fehlen, um im Rahmen der Sprachprojekte eine Bahnfahrt zum nahe gelegenen Bauernhof zu bezahlen oder ein kleines Kartoffelbeet anzulegen.

7 Kommentare zu “A wie Kartoffel

  1. ich kann mich noch an zeiten erinnern, es ist nicht zu lange her, da hatte merkel die sache mit der sprache in den kindergärten zur chefsache gemacht…

  2. Nicht schön! Aber das grundsätzliche Problem scheint eindeutig in der exotischen Prinzenerziehung der Elternhäuser zu liegen, dagegen kann man in Kindergarten oder Schule nur ein wenig ansteuern. Ein gerne vergessener Aspekt, der oft in dem schrecklichen Sarrazin Gebrüll untergeht.

  3. @Pi: hatte Merkel das? Muss irgendwie an mir vorbeigegangen sein. Oder an ihr. Oder an allen anderen.. ;-D.

    @Anna: Der “Prinz” war ein krasses Beispiel, aber die sprachliche Unterentwicklung lässt sich leider verallgemeinern; gleiche Phänomene findet man natürlich auch bei deutschstämmigen Kindern. Schade ist auch, dass oft der Eindruck entsteht, es werden im privaten Umfeld bestehende Potentiale einfach ignoriert. Wenngleich man sich da als außenstehender, der die Kinder nur in einem anderen sozialen Umfeld erlebt kein Urteil erlauben sollte..

    @Michael: Das ist das gordische Ei, Du hast recht!

  4. Da kommt man automatisch wieder zum Jahresthema der Gazette: Bildung…lernen…das scheint nicht mehr sehr “en vogue” zu sein. Dabei sind das die wenigen Dinge, die für den Standort Deutschland sprechen. Fallen sie weg und wird eine alte technologische und kulturelle Tradition nicht mehr genutzt, droht Verelendung.

  5. Merkel gab 2006 zu verstehen, dass sich bereits in der Kindheit die Fähigkeit zum Lernen, zur Leistung und zur Einhaltung geregelter Tagesabläufe entscheide. Zitat: “Wenn in zweiter Generation – nicht nur in ausländischen Familien – Kinder keine solide Ausbildung mehr machen, bleiben sie doch von jeder Entwicklung ausgeschlossen.”

  6. @Silvia: Ja, ganz recht. Wie man sieht bleibt das leider heiße Luft.. .

    @Franz: So hab ich das noch nicht gesehen – wir geben dadurch einen unserer Standortvorteile auf, richtig. Andererseits möchte ich auch an der Stelle wieder betonen, dass es doch zu einem großen Teil auch auf den Dialog zwischen allen beteiligten ankommt – nur mit mehr Geldern ist sicherlich die Lösung nicht in Sicht.. . Es wird zu wenig an einem Strang gezogen.

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