Journalist statt Fußballgott

Journalisten haben viele Worte dafür, die Träume anderer einzufangen. Doch was ist eigentlich der Lebenstraum von jemanden, der Journalist wird? Von jemanden, der immer nur beschreibt, wie andere Erfolge und Misserfolge feiern?

Journalisten sind die traurigsten Menschen auf der Welt. Sie leben am Leben vorbei, an dem, was gemeinhin als Traum bezeichnet wird. Dabei sind sie so nah dran an so vielen Träumen. Sie sprechen mit denen, die es geschafft haben, den Aufsteigern, den Alpha-Tieren, den Schönen, den Reichen, den Glücklichen. Journalisten sind die Chronisten der Träume anderer. Nicht selten schaffen sie schreibend das Fundament für einen Erfolg.

Unterwegs mit Casting-Lena und Käfigjunge

Und wie reich ihr Fundus ist, um das Bild des Gewinners mit Worten zu zementieren: Ein Macher, ein Selfmade-Man, der King of Kings, ein Fußballgott, ein Jahrhunderttalent, ein Weltmeister, ein Papst, ein Ausnahmespieler. Auch Selbstdarsteller werden erhöht. Das sind die, die sonst nicht viel vorzuweisen haben, außer sich mit den traurigsten aller Berufsstände – die Presse bezeichnet sie respektvoll als Medienprofis – arrangiert zu haben. Im Begriff Medienprofi kristallisiert sich die Tragik des Journalisten. Denn diesen Titel vergibt er an jene, die sein trauriges Spiel durchschauen.

Es ist das tägliche Geschäft mit dem Erfolg. Solange ein Medium von Aufstiegen berichtet, kann es ja nicht bergab gehen, hoffen die Chefredakteure. Und die Leserschaft will ihre Götzen. Sie will den unglaublichen Erfolg der kleinen ungelenken Casting-Lena, und sie will den kometenhaften Aufstieg am Fußball-Firmament des „Käfigjungen aus dem Wedding“, Kevin Prince Boateng.

Der Journalist selbst kann nicht singen und nicht Fußball spielen, er hat auch keine Geschäftsidee, die ihn über Nacht reich machen könnte. Der Journalist sieht immer nur zu. Er reflektiert anstatt zu leben. Er formuliert, wozu Menschen fähig sind und bleibt dabei selbst auf der Strecke. Vielleicht ist es diese Gewissheit, die ihn oft rastlos macht, immer auf der Jagd nach einer Story, von der er hofft, dass es die seine ist.

Nicht immer nur Fußball spielen

Für viele in der Branche wird das fast schon obligatorische Buchprojekt zum Traum stilisiert. Ein Hardcover (möglichst dick) soll zeigen: Man kann doch etwas kreieren, dass nicht, sobald es publiziert ist, vom hyperaktiven Medienzyklus verschluckt wird. Doch eine Biografie über Maradona ist nur ein Notnagel, wenn man eigentlich selbst Fußballspieler werden wollte.

Einen gewichtigen Grund, der für die Berufswahl Journalist spricht, gibt es da allerdings doch: Abwechslung. Nicht jeden morgen, sechs Tage die Woche Fußballtraining. Nicht immer Schwarzbrot mit Nutella. Journalismus ist der Job für die, die alles leben wollen. Für die, die sich nicht an einem Projekt festbeißen, sondern an einer Geschichte – solange, bis sie erzählt ist. Ein Leben ohne Eintönigkeit. Das kann nur ein Traum sein.

7 Kommentare zu “Journalist statt Fußballgott

  1. Das scheint ja wirklich ein ganz schön trauriges Leben zu sein! Aber Sie sagen ja selbst: es ist auch abwechslungsreich.

  2. Genau meine Meinung! Finde das dies aber nicht nur wie beschrieben für Sport und Boulevard gilt, sondern auch fast alle anderen Bereiche des Journalismus, schon gar nicht solch schmutzige Bereiche wie Politik und Feuilleton ausgenommen. Drum wollte ich auch nie Journalist werden, da ich eine solche Existenz tatsächlich traurig finde und mich die meisten Menschen, über die berichtet wird, überhaupt gar nicht interessieren.

  3. guter Punkt und schön geschrieben, nur eine Sache wird nicht angesprochen, leider: Journalisten sind nicht mehr Journalisten seit dem es das Internet gibt, oder sagen wir, die Definitionen sind ganz mannigfaltig geworden.

    Es gibt ganz neue Typen, Menschen, die mit beiden Beinen im Leben stehen, Bürgerjournalisten neuen Typus, etc.

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