Jenseits populaerer Globalisierungsdiskurse

Von Geburt aus bin ich Westdeutscher, genau genommen Pfaelzer, aber es hat zwei praegende Lebensphasen gegeben. Zunaechst hat mich Bayreuth als Studienort und als Ort des Berufseinstiegs stark gepraegt. Und zum anderen teile ich etwas mit vielen anderen, die beruflich als >Interkulturalisten< arbeiten, naemlich einen mehrjaehrigen Auslandsaufenthalt in Kindheit und frueher Jugend in Norwegen und den Besuch einer englischen Schule.

Auf Umwegen fing ich ein Magisterstudium der Interkulturellen Germanistik und Ethnologie an, und beide Faecher haben sich komplementaer ergaenzt: der fremde Blick auf das Eigene, und der Blick aus der eigenen, deutschen Kultur in die Fremde. Das Interesse fuer Kulturaustausch liesse sich sicherlich auch auf ein buergerliches Elternhaus zurueckfuehren. Hinzu kommt jedoch als Gluecksfall fuer mich die Entdeckung des Iwalewa-Hauses der Universitaet Bayreuth: eine Begegnungsstaette fuer die Kunst Afrikas, Indiens und Ozeaniens. Eine nach wie vor offene Frage ist fuer mich, wie mittels kuenstlerischer Ausdrucksformen [v.a. Tafelmalerei, Film, Theater, Tanz] ein Zugang zu fremden Lebenswelten und ein >Fremdverstehen< moeglich ist. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Professur Interkulturelle Kommunikation [IKK] der TU Chemnitz habe ich die ueblichen Aufgabenbereiche eines akademischen Angestellten: Lehre, Forschung und zu einem gewissen Teil Dienstleistung in der akademischen Selbstverwaltung. Unter >Interkulturelle Kommunikation< laesst sich in einem ersten, allgemeinen Vorverstaendnis jede Situation verstehen, in der zwei oder mehrere Individuen mit einander in Austausch treten und in der als Kommunikationsmittel eine gemeinsame Sprache verwendet wird, die von mindestens einem der Interaktanten nicht als Muttersprache verwendet wird. Kommunikation in einer Fremdsprache ist heute ein Alltagsphaenomen und laesst sich in beruflichen, schulischen, familiaeren und vielen anderen Situationen beobachten. Als Studiengang fuehrt die IKK ein in einschlaegige Forschungsansaetze und Theorien, die verschiedenen Faechern und Forschungsrichtungen entlehnt werden: Psychologie, Soziologie, Sprachwissenschaften, Volkskunde, Voelkerkunde bzw. Ethnologie, um nur einige zu nennen. IKK ist demnach ein interdisziplinaeres Projekt, welches je nach Standpunkt und Perspektive unterschiedlich gefasst werden kann. In Chemnitz wurde das Studienfach seit Anfang der 1990er Jahre zunaechst mit einer fremdsprachendidaktischen bzw. sprachwissenschaftlichen Ausrichtung aufgebaut. Das Magisterfach weist eine modulare Konzeption auf, in der neben linguistischen Komponenten auch kulturwissenschaftliche, fremdheitstheoretische und allgemein berufsbezogene Bereiche stehen. Durch einen personellen Wechsel hat das Fach seit 2002 eine stärker sozialwissenschaftliche Ausrichtung erfahren, es wird eine größere Gewichtung auf die Methodenlehre gelegt und Studierende sollen nach einem breit angelegten Grundlagenstudium in thematischen >Lehrforschungsprojekten< Methoden qualitativer Sozialforschung einüben. Dabei beschäftigen sie sich beispielsweise mit >Wohnen in interkulturellen Konstellationen< oder >Dem Selbst im kulturellen Kontext<. Ein Ziel des Studiums ist die Ausbildung eines wissenschaftlichen Nachwuchses im Fach Interkulturelle Kommunikation. Im Rahmen der europaeischen Mobilitaetsprogramme Sokrates und ERASMUS kooperieren wir mit mehreren Hochschulen des europaeischen Auslands. Daneben bestehen zahlreiche u.a. forschungsbezogene Kooperationen mit ausländischen Instituten. Bilanzierend laesst sich feststellen, dass die IKK in Chemnitz in der deutschen Hochschullandschaft einmalig ist. Aber was genau ist eigentlich Aufgabe der Auswaertige Kulturpolitik in Deutschland? Zunaechst ist festzuhalten, dass deutsche AKP, entgegen der durch das Adjektiv nahegelegten Orientierung auf das Ausland, auch IN Deutschland ihren Platz hat. Es gehoert seit mehr als drei Jahrzehnten zu den Paradigmen deutscher AKP, dass sie gewissermassen ihren Ausgang im Inland hat. Im Sinne eines auf Gegenseitigkeit des Austauschs - auch dies ein Paradigma der AKP - ist es daher unverzichtbar, dass beispielsweise Austauschprogramme auch die deutsche Gesellschaft erreichen, wie es beispielsweise das Haus der Kulturen der Welt in Berlin, die IFA-Galerien in Stuttgart und Berlin oder das Goethe-Institut Muenchen umsetzen. AKP als Thema der Hochschulen kann zweierlei bedeuten. Zunaechst ist die Seite der akademischen Lehre zu sehen, und hier breitet sich ein grosses Spektrum an Faechern und Berufsprofilen aus, fuer die eine staerkere Thematisierung von AKP und verwandten Wissensgebieten ergiebig erscheint. Nach meiner Sicht ist dies am offensichtlichsten der Fall fuer das Fach Deutsch als Fremdsprache, da mit der Rolle des Deutschen im Ausland nicht nur Berufschancen verknuepft sind, sondern die Foerderung der deutschen Sprache im Ausland seit Anbeginn ein Schwerpunkt deutscher AKP gewesen ist. Nach meinem Verstaendnis setzt die qualifizierte Lehre jedoch eine entsprechende Grundlage einer Forschungspraxis voraus, die ueber die oft schlichtweg falschen Floskeln des populaeren Globalisierungsdiskurses hinausgehen. Das von mir aktuell betreute Forschungsprojekt soll mit einer Dissertation abschliessen, in der ich der Frage des >Expertentums< in der AKP nachgehe. Einfacher ausgedrueckt liesse sich fragen, was diejenigen Persoenlichkeiten auszeichnet, die sich in einem wesentlichen Teil ihres Berufslebens von Seiten der politischen Institutionen mit deutscher AKP beschaeftigt haben. Mich interessiert sowohl ihre Motivation, sich einem Teilbereich der Aussenpolitik zu widmen, der gewoehnlicherweise wenig Prestige verheisst, als auch die jeweils verfolgten Strategien.

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