Jenseits der Fremde

Mein Alltag, sprachlich gesehen, ist ueberwiegend von Arabisch und Deutsch gepraegt, aber Hebraeisch und Englisch gehoeren auch dazu. Zuhause, in der Naehe von Bayreuth, spreche ich mit meiner Familie Arabisch und Deutsch, ebenso bei meiner Arbeit als Dozent fuer die arabische Sprache. So spaziere ich regelmaessig auf den Bruecken beider Sprachen, ohne genau festzulegen, mit welcher Sprache ich denke, traeume oder liebe. Entscheidend ist nur die Situation, in der ich mich gerade befinde, dann schaltet sich blitzartig die eine oder andere Sprache ohne Vorwarnung ein – und das ist gut so.

Meine erste Erfahrung mit der deutschen Sprache machte ich im Jahr 1981 am Frankfurter Flughafen, als meine Reise in die Fremde begann. Ich kam als Tourist und traf bald die Entscheidung, hier zu bleiben. Genau 20 Jahre nach meiner Auswanderung aus Palaestina habe ich begonnen, meine literarischen Texte auf Deutsch zu schreiben. Bereits als Jugendlicher habe ich Gedichte, Kurzgeschichten und Essays im meiner Muttersprache verfasst.

Im Grunde genommen stellt es fuer mich nach so vielen Jahren kein Problem dar, nicht auf Arabisch zu dichten. Es hat im Wesentlichen damit zu tun, inwieweit ich als Schriftsteller bereit bin, ueber die Grenze der eigenen Sprache, sprich: Muttersprache, hinaus zu denken, zu fuehlen und es zu wagen, in einer anderen Sprache zu schreiben. Allerdings, die Voraussetzung dafuer ist, dass der Mensch die Bereitschaft zeigt, innere Barrieren zu ueberwinden, um sich fuer andere Kulturen und Sprachen zu oeffnen und sich mit ihnen auseinander zu setzen. In meinem Fall kann ich behaupten, dass ich den >Rubikon< hinter mir habe. Die deutsche Sprache ist in sich eine sehr kompakte, gut strukturierte und wissenschaftliche Sprache - ich schreibe gerne auf Deutsch. Aber musikalisch, also vom Klang her, ist die arabische Sprache melodischer und gefuehlvoller. Beispiele koennte man in einer meiner Lesungen, die ich auf Arabisch und Deutsch vortrage, erleben. Dort werden meine Zuhoerer von der Musik der Sprache getragen. Das literarische Schreiben hat meistens den Anspruch, die Herzen der Menschen zu streifen, sie gluecklich oder traurig zu stimmen und zum Nachdenken zu bewegen. Das ist auch mein Anspruch. Wenn ich schreibe, denke ich in Bildern und dazu brauche ich zunaechst einmal keine Sprache und keinen Stift. Und wenn die Stunde der Geburt eines Textes beziehungsweise eines Gedichtes gekommen ist, dann verwende ich die eine oder andere Sprache als Medium, um meinen Bildern, meinen Gedanken eine Form zu geben. Manche Gedichte beginne ich auf Arabisch und andere auf Deutsch. Nach ein paar Zeilen fliessen ploetzlich Woerter, Saetze oder gar Bilder der jeweiligen anderen Sprache im Gedicht mit ein. In diesem Augenblick goenne ich mir eine Pause, die manchmal Tage oder Wochen dauert, bis ich dann intuitiv entscheide, mit welcher Sprache ich meine Bilder weiter >male<. Aus dieser Mischung entsteht dann der Text. Saetze oder Bilder in deutscher Sprache versuche ich unkonventionell und frei in die arabische Sprache zu uebersetzen und umgekehrt, wobei die Metaphern der arabischen Sprache flexibler sind. Meine deutschsprachige Gedichte bereichere ich manchmal mit arabischen Vokabeln oder Saetzen. Wenn ich den Krieg im Libanon, in Palaestina und Israel und die daraus resultierende Zerstoerung und Verwuestung, den Tod und das Leiden der unschuldigen Menschen und die Flucht der Wehrlosen verfolge, dann bin ich sogar mehr denn je davon ueberzeugt, dass die Poesie im Konkreten und die Literatur und Kunst im Allgemeinen das humanere Gesicht unserer Welt in ihrer Vielfalt darstellen. Gewiss sehe ich in ihnen einen Weg fuer das Verbindende zwischen den Voelkern, Kulturen und Religionen. Was haben wir sonst? Die Politik und die Politiker. Sie haben auf der ganzen Linie versagt. Sie schauen einfach zu, wie das Leben Vieler zerstoert wird. Zum Frieden, zur Freiheit und zur Gleichheit aller Menschen gibt es keine Alternative. Ich bemuehe darum, diese Botschaft durch meine Poesie zu vermitteln - nicht nur auf dem Papier sondern auch im Alltag. Mit Menschen, die mir begegnen und mit Studierenden der arabischen Sprache diskutiere ich ueber das ein oder andere Gedicht. Durch das gemeinsame >Zusammendenken< und den Versuch, manche Metapher zu interpretieren, kommen wir uns naeher. Ausserdem bemuehe ich mich, meine Mitmenschen in ihrer individuellen Lebens- und Denkweise zu respektieren und zu akzeptieren, denn Toleranz ist die Voraussetzung fuer ein besseres Miteinander. Ohne Frieden und Freiheit ist unsere Welt aermer und ohne Liebe ist unser Dasein leer. Es freut mich immer wieder, wenn ich Briefe, E-Mails oder Anrufe von Menschen bekomme, an denen ich erkennen kann, dass meine Botschaft angekommen ist. Mit >Frieden< meine ich uebrigens nicht nur die politische Dimension des Wortes. Sondern auch die alltaegliche: Frieden mit uns selbst, mit den Menschen, mit denen wir jeden Tag das Brot und ein Glas Wasser teilen, mit unseren Nachbarn und mit all denjenigen, die andere Ansichten haben. Nicht zuletzt jedoch auch mit den Sprachen, die uns nahe sind und uns ueberall begleiten. Ja, die Sprachen sind wie mein Spiegel und meine Heimat: ueberall dort, wo der Wind meine Stimme hintraegt - ohne sie bin ich heimatlos. Ich habe ein enges Buendnis mit den Sprachen, die ich in meinem Alltag verwende. Eine lebhafte Freundschaft, die auch hin und wieder unter >Streit< leidet... Durch das freundschaftliche Zusammensein im Alltag profitieren uebrigens auch andere. Wenn ich mit den Kindern oder mit meiner Frau spreche, sage ich einmal ein Wort oder einen Satz auf Arabisch und ein anderes Mal auf Deutsch. Umgekehrt ist es genauso. Mal sprechen sie mit mir auf Arabisch, mal auf Deutsch. Manchmal gibt es auch Situationen, in denen sich beide Sprachen sehr nahe kommen und sich dabei vermischen. Etwa, wenn wir uns gegenseitig ins Wort fallen. In solchen Momenten kommt es immer wieder vor, dass Saetze aus beiden Sprachen entstehen - Arabisch und Deutsch. Es ist tatsaechlich bewundernswert, wie beide Sprachen miteinander >schmusen< koennen. Unsere Freunde oder Besucher bekommen das mit und werden davon positiv angesteckt. Ich bin davon ueberzeugt, dass die Mischung und die Beruehrung der Sprachen eine Bereicherung fuer das alltaegliche Leben darstellt und darueber hinaus als Bruecke fungiert fuer die Annaeherung zwischen den Voelkern und Kulturen. Diese Ansichten moegen in den Augen von Zweiflern blosse Traeume sein. Aber was waere unser Leben ohne Traeume?

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