Ist das der Regenbogen?

Südafrika hat stark dafür gekämpft, ein durchweg positives Image zu bekommen, vor allem während der Fuball-WM. Immer mehr Touristen und auch Studenten werden von der Exotik angezogen. Doch wie ist es wirklich, dort zu leben? Unser Mann in Port Elizabeth berichtet.

Ich sitze auf meinem Surfboard, schaue auf den Indischen Ozean hinaus und warte auf die nächste große Welle, die mich an den weißen Strand bringt. Beim Surfen vergesse ich alles und denke nur an Spaß an der Freude. Morgens sehe ich Wale und Delfine aus nächster Nähe und Kormorane, die ihre Flügel in Richtung aufgehender Sonne spreizen. Alles sehr exotisch.

Doch plötzlich wirkt der so schöne Ozean wie eine Ablenkungsdroge, beziehungsweise wie das Sinnbild einer verblendeten Spaßgesellschaft: Jetski, Wasserski, Wale Watching, Shark Diving, Angeln, Tauchen, Surfen. Ich vergesse, dass ich in Südafrika bin; in einem Land, in dem die meisten Einwohner völlig andere Sorgen haben als ich.

Der Ozean wird hässlich und ich schäme mich, dass ich seine Schönheit so unbefangen genieße. Offensichtlich treiben nur Menschen derartige Späße, die es sich leisten können. Doch ich surfe mit der nächsten Welle diesem Bewusstsein davon und gönne mir ein kühles Windhoek.

Meine Parallelwelt

Wie kommt es, dass es mir hier so leicht fällt, mich den Sonnenseiten zuzuwenden und es mir in der kleinen wohlhabenden Parallelwelt gemütlich zu machen, obwohl ich hier auch viel Gutes für andere Menschen tun könnte? Warum lässt sich meine Ignoranz gegenüber der Armut so schwerlich bekämpfen? Woher kommt der Wille zum grenzenlosen Spaßexzess, dieser Egoismus? Ist er Ausdruck von Resignation?

Vielleicht. Denn ich habe nicht den Eindruck, als könnte ich innerhalb der vorhandenen Strukturen wirklich helfen. Eine Stunde in der Woche Nachhilfe im Township geben? Da würde ich mir noch nutzloser vorkommen. Ein Tropfen auf den heißen Stein. Besserfühlbeschäftigung.

Studenten als Gefangene im goldenen Käfig: Privilegien aber Machtentzug. Einmal an der Uni, gehört man automatisch zur Aristokratie, die von oben herabschaut und gar nicht mehr daran denkt, von unten zu agieren. Graswurzelbewegung ausgeschlossen. Die ausgeprägte Klassengesellschaft Südafrikas wird an der Uni reproduziert, indem der Eintritt mit viel Geld verbunden ist und fast ausschließlich westliche Konzepte vermittelt werden.

Vonwegen Regenbogen

Die Ironie des Ganzen spiegelt sich am Beispiel der diktierten Zimmeraufteilung in den Studentenheimen wieder. Amerikaner mit Amerikanern, Deutsche mit Deutschen – schwarze Putzfrauen. Soviel zur Rainbow Nation. Doch kaum jemandem fällt das auf, man hat hier ja so unglaublich viel Spaß und bessere Dinge zu tun, als Kritik zu üben.

Ich hätte es nicht geglaubt, aber hier lerne ich die Vorzüge einer gewissenhaften Öffentlichkeit zu schätzen: mehr oder weniger freie Bildung, kritischer Journalismus, Konsumalternativen (sowohl materieller als auch geistiger Art). Erst jetzt merke ich, wie wichtig diese Faktoren für eine chancengerechte Gesellschaft sind.

Das Wohlfühlen in meinen Privilegien und Bequemlichkeiten wird von allen Seiten als Ziel und Erfolg ausgeschrieben. Vielleicht eine Erklärung dafür, dass sich bei mir Egoismus und Ignoranz breit machen. Trotzdem will ich mich an meinem Pool hinter der Mauer mit Elektrozaun nicht so recht wohl fühlen in meiner Haut.

Meine Trägheit nervt mich und ich entscheide mich, nächstes Mal doch beim Volunteering im Township dabei sein, Besserfühlbeschäftigung hin oder her. Eine gewissenhafte Gesellschaft kann ja nicht herbeigezaubert werden! Wie sagte Ghandi? “Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.”

4 Kommentare zu “Ist das der Regenbogen?

  1. Ich glaube, dass jeder etwas verändern kann, und sei es noch so klein – geh also in die Townships, man weiß nie, was passiert, und berichte davon!

  2. Nach deiner Mail musste ich einfach mal reingucken ;)
    Klasse Artikel Digger! Ich hoffe ich lese bald mehr…
    MfG
    Poldus

  3. Toll dass das Leben dort Dir ein wenig die Augen öffnet in welch einer Gesellschaft wir hier leben. Ich glaube aber man kann genießen und trotzdem offen sein für die soziale Realität um einen herum. Augen aufhalten, neugierig bleiben. Du bist auf einem guten Weg und hast ja auch noch viel vor in Afrika.

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