Investigativer Reisejournalismus: Die Airline Culture der Billigfluganbieter und die dot.com-Kultur

Reisejournalismus macht Simon Calder erst seit acht Jahren – wohlgemerkt nach einer fuenfzehnjaehrigen Karriere als Ingenieur – doch das Reisen mochte er schon immer.

Ich entdeckte ziemlich spaet, dass wenn ich ueber das Reisen schreiben wuerde, ich auch viel mehr reisen koennte. In diesem Sinn bin ich zunaechst einmal Reisender und danach Journalist. Die investigative Seite dieses Jobs bringt mich manchmal dazu, mich wie ein Detektiv aufzufuehren, aber im Grunde spreche ich nur mit Leuten aus der Industrie und mit anderen Reisenden. Dabei versuche ich die neuesten Tricks herauszufinden, die die Reiseindustrie benutzt, um mehr Geld mit uns zu machen.

Alles begann in Las Vegas. Insgesamt war ich fuer 24 Stunden dort und hatte wirklich ueberhaupt kein Geld bei mir. Bald fand ich heraus, dass ich mit dem Zurueckbringen der Gepaeckwagen im Flughafen von Las Vegas ein wenig Geld verdienen konnte. An sich keine herausragende Geschichte, aber ich traf einige interessante Leute.

Die Stadtverwaltung versucht so genannte Landsteicher aus der Stadt zu ekeln; die jenigen, die ich am Flughafen traf, lebten von einem sehr geringen Lohn oder schusterten sich ihr Leben gerade so zusammen. Nette Menschen. Zudem traf ich eine Reihe sehr angenehmer wenn auch reicher Leute, zu denen auch Sehlton Adelman, der Milliardaer, der das Venetian baute, gehoert. Er hielt eine Rede bei einer Konferenz in einem Hotel und mir gelang es seine Sicherheitsleute zu umgehen, und ihm folgende Frage zu stellen: >>Was ist ihr Ratschlag fuer jeden in Las Vegas, der kein Geld hat?<< Er war freundlich, meinte jedoch nur: >>Fang nicht in Las Vegas an.<< 1995 begann ich dann die Geschichte der Billigflieger zu verfolgen. Ich war daran interessiert, wie Southwest Airlines derartig gute Ergebnisse erzielen konnte und schrieb einen Artikel fuer den Conde Nast Traveller ueber die Pensionierung von Herb Kelleher. Ein Herausgeber von Virgin Books las diesen Artikel ueber Southwest, Herb Kelleher und die dreissigjaehrige Verbindung beider. Er meinte, dass aus dieser Geschichte unbedingt ein Buch werden muesse und ich bin froh, dass er Recht behielt: Erschienen ist es dieses Jahr unter dem Titel >No Frills< und erzaehlt nicht nur die Geschichte der Billigflieger, sondern portraitiert auch viele ihrer Protagonisten. Michael O´Leary von Ryanair ist zum Beispiel die raetselhafteste Person in diesem Geschaeft. Er ist ein aussergewoehnlich intelligenter Mann, dessen Gesellschaft sehr unterhaltsam ist, er ist aber auch ein ungewoehnlich guter Manager. Er besitzt eine ominoese Streitlustigkeit, andererseits scheint er ueberhaupt kein Verlangen nach Erfolg zu haben. Nicht zuletzt machen diese Eigenschaften einen Manager zum Popstar. Das klingt nach New Economy, dennoch glaube ich, dass es noch immer Unterschiede gibt zwischen der Airline Culture der Billigfluganbieter und der dot.com-Kultur. Die Hauptunterschiede findet man sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite. Nachfrageseite: Jeder weiss, wie es ist in ein Flugzeug zu steigen. Das gehoert zur Old Economy. Alles woran die Konsumenten interessiert sind, ist billiger zu fliegen [obwohl Sicherheit zur Zeit auch eine wichtige Rollte spielt]. Wenn das Online-Buchen das Fliegen nun billiger macht [und das sollte es bei dieser grossen Anzahl voellig verschiedener Verbraucher, die einen betraechtlichen Umfang an Fluegen buchen], dann werden auch viele Passagiere diesen Schritt unternehmen, doch dafuer muessen sie bestochen werden. Angebotsseite: Jeder konnte eine Internetfirma aufbauen, dazu brauchte man nur einen Computer und einen Internetzugang. Fuer eine Fluggesellschaft benoetigt man schon etwas mehr. Man muss beispielsweise grosse, teure Flugzeuge besitzen und zudem Lizenzen um sie nutzen zu duerfen. Hier gibt es keinen Platz fuer Menschen, die nur vom Profit traeumen, ohne jemals wirklich auszuliefern. Die Preisrevolution im Himmel ist ein langwieriger Prozess, bei dem noch kein Ende in Sicht ist. Die Luftfahrt wird fuer immer Bestandteil unseres Lebens sein. Im 20. Jahrhundert war die Angebotsseite sehr stark eingeschraenkt, deshalb zahlten die Verbraucher oft mehr, als sie eigentlich haetten bezahlen sollen. Jetzt wird es kein Zurueck mehr in die Zeit der teuren Fluege geben. In der derzeitigen Phase dieser Revolution geht es vor allem um Reife. Erst wenn das Establishment, also Lufthansa, British Airways, Air France usw. die Regeln umschreibt, um den Verbrauchern bessere Angebote machen zu koennen, wird signalisiert, dass grundlegende Veraenderungen zu Gunsten des Konsumenten stattgefunden haben.

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