In den grossen Apfel gebissen

Viele Wege fuehren nach Rom, aber welchen soll man nehmen? Diese Frage stellte ich mir vor ungefaehr einem Jahr, als ich mir die verschiedenen Programme von der Europaeischen Union bis zu privaten Stiftungen anschaute, die einem einen Auslandsaufenthalt ermoeglichen. Gefoerdert wird fast alles, nur gibt es grosse Unterschiede bei der Hoehe der Mittel. Da ich momentan bei Multitask als Event-Manager ausgebildet werde, kam fuer mich finanziell nur ein gefoerderter Aufenthalt in Frage. Wohin es geht, war egal, da es mir primaer um die Verbesserung meiner Sprachkenntnisse ging.

Bei meinen Internetstreifzuegen, um das richtige herauszufiltern, stiess ich auf die Website der Pall Mall Foundation. Diese bietet ein Job-Training in New York City an, wahlweise fuer sechs oder zwoelf Wochen. Es werden Praktika angeboten in den >coolen< Branchen, wie z.B. Werbung/Marketing oder PR/Media. Bezahlt wird alles! Flug, Unterkunft, Taschengeld. Ohne grosse Hoffnungen bewarb ich mich, da mir die Erfolgchancen gleich null erschienen. Es waren in diesem Jahr mehr als 11.000 Anforderungen und 3.120 Bewerbungen wurden eingeschickt. Aber nur 25 junge Berufseinsteiger aus Deutschland und Oesterreich konnten sich fuer das Job-Training mit der Pall Mall Foundation qualifizieren und wurden ueber den grossen Teich geschickt. Als ich den ersten Anruf erhielt, der so in etwa klang wie: >Herzlichen Glueckwunsch, Sie gehoeren zu den 400 Ausgewaehlten, mit denen wir Telefon-Interviews durchfuehren<, dachte ich nur, dass ich vielleicht bei POPSTARS gelandet bin. Nach ein paar Wochen erhielt ich per Post die Einladung zu einem >Workshop< bei dem diesmal nur noch 80 Teilnehmer dabei waren. Diese andere Art von einem Assessment-Center in Berlin dauerte nur ein Wochenende. Hier mussten wir Teamgeist beweisen, und unsere Kommunikationskompetenz anwenden. Auch die Englischkenntnisse wurden schriftlich und muendlich ueberprueft. So verging der Workshop recht schnell und wieder war Warten angesagt. Nach einer Woche kam der Brief mit dem Ergebnis. Mir war klar, dass ich mit meinen schlechten Englischkenntnissen sicher nicht unter die ersten 25 gekommen war, da alle 80 Bewerber vom Wochenende super waren und es gab niemanden, der einem unsympathisch war. Doch ich hatte es geschafft! Ich sollte tatsaechlich fuer sechs Wochen in die Hauptstadt der Welt gehen, um bei einem Recordlabel zu arbeiten. Am 1. Juni 2005 flog ich mit Delta in nur sieben Stunden rueber. Wir waren alle gespannt auf die goldene Stadt mit Stars wie Sand am Meer. Ein Kumpel hatte mir noch mit auf dem Weg gegeben, dass die Ossis nach der Wende im Westen gesagt hatten: >Och, alles so schoen bunt hier<. Und genau dieses Gefuehl hatte ich als Berliner, als ich auf dem blinkenden und leuchtenden Times Square stand. Gaensehaut: Aber es ist halt nicht alles Gold, was glaenzt. Es gibt hier Armut wie in Kapstadt, volle Strassen wie in Bangkok und schlechte Luft wie in Mexiko City. Aber in New York gibt es dennoch mehr Chancen nach oben zukommen, als in allen diesen Staedten zusammen. Was mir besonders auffaellt, ist, dass viele in der Subway gehetzt und fertig aussehen. Da erscheint es passend, dass man sagt, dass die Amis leben um zu arbeiten und wir Europaer arbeiten um zu leben. Doch fuer diesen Kulturschock bin ich bestens gewappnet, denn auch beim Praktikum merke ich, hier werden keine Fachidioten gebraucht, sondern Leute, die alles koennen und sich flexibel an jeden Job anpassen. So faengt man unten an und loetet erstmal eine Woche lang Kabel zusammen, aber in der zweiten Woche bekommst du schon dein erstes eigenes Projekt: einen Event mit Wyclef Jean und Eric Clapton zu managen. Was mir genuegend Stoff fuer Smalltalk bietet. Regen, Wyclef, Sonne und Clapton. Ich weiss, dass klingt widerspruechlich, aber ich denke, dass gerade im Small Talk der groesste Kulturunterschied zwischen NY und Berlin liegt. Wir Berliner sind wie Kokosnuesse: Harte Schale, weicher Kern. Wir sind vielleicht unfreundlich auf der Strasse und gucken stur geradeaus, wenn wir aber jemanden privat besser kennen lernen, koennen schnell gute Freundschaften entstehen. Die New Yorker hingegen gleichen eher Pfirsichen: Weiche Schale, harter Kern. Wenn ich nur um Feuer fuer die Zigarette bitte, werde ich gleich in ein Gespraech ueber Herkunft, Arbeit und Grund der Reise verwickelt. Natuerlich koennen wir das auch noch bei einem Starbucks-Kaffee bequatschen. Wenn es dann um ein Wiedersehen geht, reagieren einige Amis irritiert. >Wir haben doch nur zusammen einen Kaffee getrunken< oder: >Keine Zeit< ist dann die uebliche Antwort. Die meisten, die mich dann doch wiedertreffen wollen, sind lustigerweise Europaeer mit Daueraufenthalt in den Staaten. Dennoch gewoehne ich mich schnell an die etwas oberflaechliche, aber doch freundliche und zuvorkommende Art der Leute hier. Wenn ich wieder in meinem Dorf Berlin bin, werde ich sicher das ein oder andere Mal, den sauren Apfel samt seiner pfirsichweichen Schale vermissen.

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.