Im Land der Besserwisser

Die Gesinnungspolizei der Republik. Leute, die wissen, wo es lang gehen sollte und was falsch ist. Leute wie Dietmar Dath, der etwa sagt: >Worum’s mir geht, ist das Richtige. Das heisst, ich sage: Wir wissen viel, aber nie alles.< Das Richtige also. Mag sein, dass auch politisch rechts Angesiedelte meinen, sie strebten danach, aber mir scheint: Die politisch links angesiedelten Menschen haben es sich geradezu auf die Fahnen geschrieben. Sie fordern es, sie suchen danach, sie wollen mehr davon. Koennen nie genug davon bekommen. Das Richtige ist wie eine Droge. Und wie bei allen Drogen gilt: Vorsicht! Koennte braesig machen! Von Abhaengigkeit gar nicht zu sprechen.

Zwei Detailbeispiele aus der taz, meiner Lieblingszeitung [aus dem linken Spektrum]: Prinzip, was drauf steht, ist nicht drin. Am 7.6. heissts >Die jungen, aktivistischen und hoch politisierten autonomen Gruppen sind deutlich naeher dran an den Teilnehmern des G8-Protests als die Platittueden der Redner auf den Demonstrationsbuehnen.< Weit aus dem Fenster gelehnt. Auf dem Boden der Tatsachen [im Text] nix von Beweisen fuer diese steile These. Schade, aber keine Ausnahme. Einen Tag spaeter, grosses Bild vom Schwarzen Block und: >Wo ist der Polizist? Gipfelgegner werfen der Polizei den Einsatz von Zivilbeamten zur gezielten Provokation von Krawallen vor< Seite V, VI. Wer dort schaute, suchte vergeblich. taz auf Bild-Kurs? Brauchen wir fuer die taz ein Pendant zum Bildblog? Ich meine ja. Allerdings nicht nur fuer die taz, sondern fuer alle anderen deutschsprachigen links angesiedelten Medien wie Le Monde Diplomatique, Wochenzeitung, Junge Welt, Neues Deutschland, etc. Kritisch lesen, exzerpieren a la Readers Digest und kritisieren. Kritik an der Linken. Nicht wegen Spass an Haeme. Sondern um eine gute Sache besser zu machen. Richtiger. Ein wahres Pendant zum Bildblog waere allerdings auch genauso erfolgreich wie dieser. 50.000 Menschen, die sich taeglich dafuer interessieren, die taeglich kommentieren, korrigieren [beim Bildblog ist das leider nicht moeglich]. Einen solchen Erfolg braucht nicht nur die Linke. Einen solchen Erfolg hat auch Deutschland noetig. Bitter.

12 Kommentare zu “Im Land der Besserwisser

  1. Auch das, lieber Krystian, ist eine sehr feine Bemerkung. Und sie wird nicht auf viel Gegenliebe stoßen, fürchte ich. Während man in den 60er und 70er Jahren (auch bis in die 80er hinein) erheblich divergierende Links-Auffassungen nebeneinander hatte, wird, nach meinen Erfahrungen, dies als kontraproduktiv wahrgenommen: als Selbstzerfleischung. Wohingegen die Bündnisfähigkeit auf der rechten Seite als Chance sich realisiert.

    Aber, wenn man es besser machen will, kommt man um Differenzierung nicht herum, auch wenn es manchmal weh tut. So etwas gab es übrigens schon einmal mit dem großen Essay von Hans G Helms unter dem Titel “Fetisch Revolution”. Der machte von links, der Linken die Rechnung auf.

  2. Wie, Du willst jetzt für jede linke Zeitung im deutschsprachigen Raum einen Blog einrichten im Sinne von “Perlentaucher meets Watchblog”?

  3. @Prof.Hufi: von links der Linken die Rechnung aufmachen, genau. Meine Wendung dafür wäre: die Opposition innerhalb der Opposition bilden. Und um ihrer selbst willen, sondern vielleicht wirklich, um mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit für die Sache zu generieren.

    Deshalb auch:

    @Samson: Nein, nicht für jede Zeitung einen Blog, sondern eher ein Blog-Portal für alle linken Zeitungen. Und exakt!: “Perlentaucher meets Watchblog”. So könnte ich mir das vorstellen!

  4. Also: JA. Als konsequenter Positivdenker könnte ich mir aber vorstellen, dass etwas anderes mindestens so wichtig wäre. Nämlich darauf hinzuweisen, wo etwas gelungen ist. Das ist ja auch etwas, was mich am Bildblog langweilt. In diesem Zeug herumzurühren verdeckt “auch” die Arbeit, die einige sehr gut leisten. Ab und an probiere ich das auch, wenn ich auf tolle Texte und Analysen etc. hinweise.

    Heute nennt man das wohl Best-Practice-Modelle. :-)

  5. @Prof.Hufi: Kritik wird ja meistens falsch verstanden und verwendet als “schlecht reden/machen”, “negative Aspekte” aufzeigen. Dabei ist “Kritik” zunächst einmal nicht pejorativ. Sondern geht in beide Richtungen (positiv/negativ) und ist vor allem damit beschäftigt Zwischenräume auszuloten. Kritik ist in diesem Sinne auch eine besondere Form der Aufmerksamkeit. Der Punkt, den ich an dieser Stelle versuche zu machen: Warum sollte der Linken in Deutschland nicht eine vergleichbare “Menge” von Aufmerksamkeit zuteil werden, wie beispielsweise der “Bild Zeitung”? Wenn man die Qualität dieser Aufmerksamkeit an einem emanzipierten Begriff von Kritik ausrichtet, könnte aus Deutschland ein besseres Land werden.

  6. Da hast du natürlich wieder was Richtiges getroffen. Menno. Ich muss drüber etwas ruhen und nachdenken.

  7. das ist wie immer nur über die negativen aspekte der globalisierung zu sprechen – oder? irgendwann hat man da keine hoffnungen mehr, keine perspektiven. es muss immer auch um positive beispiele gehen. in diesem sinne wird auch zu oft über bush jr gesprochen und die usa als inbegriff des bösen.

  8. Es gibt einen Grund, warum der Linken in Deutschland nicht eine vergleichbare Menge von Aufmerksamkeit zuteil wird wie der Bild-Zeitung, oder? Und anhand der Gegebenheiten, warum der Bild diese Aufmerksamkeit zuteil wird, ist das auch ganz gut so, oder etwa nicht? Oder habe ich mich gerade als unfähig zum konsequenten Positivdenken geoutet?:)

  9. @susanne: die frage ist ja: ist das ein guter grund, warum “der Linken in Deutschland nicht eine vergleichbare Menge von Aufmerksamkeit zuteil wird wie der Bild-Zeitung”? und: was sagt dieser grund über die gesellschaft in deutschland aus? ich muss u.a. an eine beobachtung des marxistischen kulturkritikers fredric jameson denken, den hartmut rosa auch in seinem rezenten beitrag aufgreift:

    “Ferdric Jameson bemerkt, das Erstaunlichste an unserem Zeitalter sei es, dass wir uns eher das Ende der Welt in einer nuklearen oder klimatischen Katastrophe auszumalen vermoegen als einen grundsaetzlichen Systemwandel.”
    http://www.berlinergazette.de/index.php?pagePos=12&id_text=40526&id_language=1&bereich=&aktiv=

    In meinen Augen reflekiert die Beschäftigung mit der Bild-Zeitung den dystopischen Geist unserer Zeit. Zumindest zu einem gewissen Grade.

  10. @ Krystian: Ich dachte, die Zeiten den “neuen Menschen” zimmern zu wollen seien mit wirklich gutem Grund vorbei. Ist ordentlich schief gegangen, und war unangenehmer als die Bild-Zeitung. Also nehme ich für meinen Teil es den Leuten auch nicht übel, wenn sie sich vorerst “eher das Ende der Welt in einer nuklearen oder klimatischen Katastrophe auszumalen vermoegen als einen grundsaetzlichen Systemwandel”. Systemwandel wohin denn?

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