Freier Zugang zum Strand? Wie Griechenland seine Grundrechte zu Spekulationsobjekten macht

Griechenlands zehntausend Kilometer lange Küste ist ein fundamentaler Bestandteil der Kultur und wird als die wichtigste Ressource des Landes betrachtet. Während die Verfassung zur Erhaltung der Umwelt verpflichtet, ist der freie Zugang zum Meer gesetzlich verankert. Dieses Grundrecht steht jetzt zum Verkauf. Der Journalist Florian Schmitz berichtet aus Thessaloniki.

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Ich treffe Vivianna Metallinou in einem Restaurant an der Strandpromenade von Thessaloniki. Die Begrüßung ist herzlich. Während des Interviews werden frittierter Calamares und Ouzo serviert. Vivianna ist eine vielbeschäftigte Frau. Kontaktiert hatte ich sie als Initiatorin einer Onlinepetition gegen das neue Gesetz für die erweiterte private und kommerzielle Nutzung von Küstengrundstücken. Nebenbei erfahre ich, dass die Architektin und Absolventin des renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) für den Stadtrat kandidiert, der am 18.5. neu gewählt wird.

Der Strand ist ein Grundrecht

Als wir auf die Petition zu sprechen kommen, ist ihr erster Kommentar: „Das ist ein Akt der Provokation.“ Die Entscheidung zur Freigabe der Strände sei hinter verschlossenen Türen und in erster Linie durch Wirtschaftsberater und nicht von gewählten Volksvertretern gefällt worden, erklärt sie.

Seit Beginn der Krise ist dies nicht der erste Eingriff in die Grundrechte der griechischen Bürger. Bisher machte sich der lapidare Umgang mit der Verfassung vor allem im Gesundheitswesen bemerkbar: Nur noch ein drittel der Griechen ist krankenversichert und hat Zugang zu medizinischer Versorgung.

Die Krise hat das Land weiterhin fest im Griff und der Verkauf von Staatsbesitz ist ein wesentlicher Bestandteil der griechischen Krisenstrategie. In ihrem letzten Bericht hat die Troika darauf hingewiesen, dass es gerade in diesem Punkt an zufriedenstellenden Fortschritten mangele. Abgewickelt werden die Geschäfte durch die TAIPED, einer Aktiengesellschaft mit Sitz in Athen.

Alleiniger Gesellschafter ist der griechische Staat. Verkauft wird alles, von Flughäfen über Gasunternehmen bis hin zu Grundstücken. Dabei macht das Unternehmen weder mit großen Erfolgen, noch mit Transparenz von sich Reden. Nun hat die EOT, das Griechische Fremdenverkehrsamt, das direkt dem Ministerium für Kultur und Tourismus unterstellt ist, der TAIPED grünes Licht für den Verkauf von Strandgrundstücken an Privatinvestoren gegeben.

Tourismus funktioniert auch ohne Privatstrand

„Ein paar Grundstücke, okay, aber direkt alles und ohne Vorgaben?“ , kritisiert Vivianna das radikale Vorgehen der Regierung. Jeder, der genug Geld hat, kann kommen, ein Stück vom Strand kaufen, nach Lust und Laune bebauen und sogar Änderungen vornehmen, zum Beispiel Teile der Küste betonieren.

Dabei lauert hier nicht nur die Gefahr, ganze Küstenabschnitte zu verschandeln, wie es in zum Beispiel in Südspanien passiert ist. Vielmehr verscherbeln die Athener Politiker mit der Küste die wichtigste Ressource des Landes. Und nicht zuletzt hat das Land, das zu großen Teilen am Tourismus hängt, bereits in den 50er und 60er Jahren gelernt, dass das Geschäft mit dem Urlaub auch ohne Privatstrand boomt.

Zwischen 1957 bis 1967 war der griechische Architekt Aris Konstantinidis Leiter des Xenia-Programms, einer Initiative des Fremdenverkehrsamtes zur baulichen Erschließung des Tourismussektors. Konstantinidis zeichnete sich dabei vor allem durch seinen nachhaltigen Ansatz aus. Sein Stil ist geprägt von einer modernen Formsprache, die er als Fortführung der griechischen Tradition verstand.

Seine Bauten sind dabei nicht nur farblich und dimensional in die Landschaft eingebunden, sondern beachten klimatische Bedingungen, indem sie z.B. Schattenzonen zur Verfügung stellen und außerdem aus traditionellen Materialen errichtet werden. Der Großteil seiner Gebäude gehört inzwischen zum Kulturerbe, hat den griechischen Tourismus über Jahrzehnte geprägt und dabei den öffentlichen Zugang zum Strand stets gewährleistet.

Für seine Rechte eintreten

Jetzt soll das Gesetz 2971/2001 zu wirtschaftlichen Zwecken radikal verändert werden und der durch den Artikel 24 der Verfassung auferlegte Schutz der Umwelt bleibt außen vor. „Griechenland ist ein nautisches Land. Das Meer ist eine Lebensart der Griechen“ erklärt Vivianna und unterstreicht die Brisanz des Gesetzes für die Bevölkerung. Bemerkbar mache sich dies vor allem im breiten Widerstand gegen das Vorhaben.

Neben ihrer Petition auf change.org, die in wenigen Tagen fast 25.000 Unterzeichner gefunden hat, gibt es noch eine weitere auf avaaz.org sowie diverse Social Media Initiativen. Dabei aber handele es nicht so sehr um ethische Fragen. „Der Konflikt ist real, es ist Politik und es geht darum, für seine Rechte einzutreten.“

Anm.d.Red.: Die Fotos stammen von George Strouzas und stehen unter deiner Creative Commons Lizenz.

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