Globalisierungskritik, wie weiter? Antwort #85

Was bei Michel Foucault trotz seiner erstaunlichen Interpretation der Machtmechanismen fehlt, ist eine analoge Reflexion des Politischen in seiner gesamten Ausdehnung, also auch den Aspekt des Gemeinsamen umfassend. Was die Globalisierung angeht, so konnte er darin nicht die Dynamik wieder erkennen, welche zum Zeitpunkt seines Todes im Jahr 1984 noch teilweise verborgen war, auch wenn die Krise des Ostblocks schon absehbar war. Aus dieser Perspektive ist die fruehzeitige Eingebung von Marshall McLuhan – bekanntlich praegte er den Begriff Global Village – umso bemerkenswerter, speziell im Hinblick auf das von Jean-Luc Nancy und Maurice Blanchot initiierte Theoretisieren des >gemeinsamen Existierens< sowie der >Communitas< in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts.

Wann haben die zwei Semantiken des Globalen und des Gemeinsamen sich ueberschnitten – oder haben sie sich bereits in der Kategorie des >munus globale< als uebereinanderlegbar erwiesen? Von einem gewissen Gesichtspunkt aus betrachtet, waren sie von Anfang an das, was Martin Heidegger als das Mitsein und das Mitdasein definierte, insofern die Communitas per Definition nicht partikular, lokal oder autoidentitaer, sondern immer schon global und die Existenz von allen und jedes Einzelnen betrifft. Auch die Kategorie der Globalisierung, die insbesondere seit den 1990er Jahren Verwendung findet, kann viel weiter zurueckdatiert werden, vermutlich bis zu den geografischen Entdeckungen des 14. Und 15. Jahrhunderts, das behauptet jedenfalls Peter Sloterdijk in seinen Reflektionen ueber die >Sphaeren<, die erstaunlich nahe an der immunitaeren Semantik liegen. Was die virtuelle Welt betrifft, hat diese Kategorie in der aktuellen Debatte eine doppelzuengige Deklination: jene, die auf Jean Baudrillard zurueckgeht und welche die >negative< Ueberlagerung mit der Wirklichkeit betrifft, und jene, die auf Gilles Deleuze und vor ihm auf Henri Bergson zurueckgeht, eingefuehrt und verwendet in bejahender Art und Weise als Alternative zur modalen Kategorie des >Moeglichen<. In dem Moment, in dem man, wie Sie das gemacht haben, von >globaler und virtueller Gemeinschaft< spricht, ist es notwendig die produktive Kreuzung zu beruecksichtigen, aber auch den besonderen Unterschied zwischen diesen Konzepten, die in verschiedenen Zusammenhaengen und unter verschiedenen Vorraussetzungen beziehungsweise Bedingungen entstanden sind. [Anm. d. Red.: Der Verfasser des Textes ist Philosoph und Autor verschiedener Publikationen zum Thema Gemeinschaft.]

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