Globalisierungskritik, wie weiter? Antwort #77

Meine Weltanschauung – als Veteran unter den Befuerwortern einer nachhaltigen Entwicklung-, wurde stark von den Buechern gepraegt, die ich in den 1970ern las, inklusive Fritz Schumachers >Small Is Beautiful<. Ich mochte den eigenwilligen Mix aus Psychologie, Oekonomie, Philosophie, Technologie und Politik. Obwohl mir das Buch 35 Jahre spaeter nicht ganz so schluessig erscheint wie damals. Man sagt, dass Schumacher sein Buch eigentlich >Economics As If People Matter< nennen wollte. Doch sein Verleger war ueberzeugt davon, dass das langweilig sei und kam auf den einpraegsamen Titel >Small is beautiful<.

Schumachers Idee wurde zum Untertitel des Buches. Eine ziemlich smarte Marketingentscheidung, die ganze Generationen von Lesern jedoch auf eine falsche Faehrte lockte. Sie nahmen naemlich an, dass Buch eine ueberzeugende Darstellung von Kleinheit abliefern wuerde. Lustigerweise tut es das ueberhaupt nicht. Die Grundkonzepte von Massstab und Regieren sind fast ein wenig flach und unzusammenhaengend dargestellt. Nichtsdestotrotz fuehrte mich das Buch zu einer Grundsatzfrage: Was tut man am besten auf welcher Ebene der Gesellschaft?

Der Grundsatz, wenn man bis zur Naturschutzbewegung zurueckgeht, lautete damals: dezentralisieren, dezentralisieren, dezentralisieren. Es gibt immer noch eine gut unterstuetzte und sich sehr gut artikulierende Denkschule, die dieser allumfassenden Ideologie zustimmt. Das habe ich niemals getan und tue es auch heute nicht. Wie Schumacher selbst feststellte, bedeutet >klein< im Regierungssinne oft elitaer, autoritaer, engstirnig, auslaenderfeindlich, verschwenderisch grob usw. Aber >Small Is Beautiful In The Right Circumstances< waere natuerlich kein besonders knackiger Buchtitel gewesen. Ich war auch ein frueher Rekrut bei der Befuerwortung von Marshall McLuhan und seinem >Global Village<. Sicherlich hatte McLuhan keinen Umweltschutz-Hintergrund, doch seine freudige Einladung an alle, ein Teil der menschlichen Familie zu werden, hatte etwas sehr verfuehrerisches. Das ist fuer mich bis heute so geblieben. Ungluecklicherweise hat sich herausgestellt, dass McLuhans euphorischer Enthusiasmus fuer eine fortschrittliche globale Buergerschaft, etwas mehr als naiv war. Wie wir jetzt wissen, hat sich der Traum vom >Global Village< in den Alptraum der heutigen Shopping Mall verwandelt. Die globale Shopping Mall spiegelt jene US-gefuehrte, von Konzernen bestimmte Globalisierung wider, die unser Leben in den letzten 30 Jahren bestimmt hat. Sie wurde durch zwei Dinge ermoeglicht: Erstens durch die Explosion auf dem informationstechnologischen Feld, die Menschen, Geschaefte und Organisationen in der ganzen Welt zusammen brachte. Und zweitens durch die Deregulierung der Kapitalmaerkte und das Aufheben der Beschraenkungen beim Kapitalfluss, was dazu fuehrte, dass Banken diesen Kreislauf von kreditgeschwaengertem Konsum in Gang setzen konnten, der nun so spektakulaer implodierte. Befuerwortern eines alternativen Globalisierungsmodells wird nun ein bisschen genauer zugehoert. Vielleicht wird auch die Bedrohung durch den Klimawandel zu einem Umdenken fuehren. Die Menschheit [und jeder einzelne Mensch] hat sich noch nie einer so allumfassenden Bedrohung ausgesetzt gesehen. Dieser Bedrohung kann man nur entgegentreten, wenn man Massnahmen ergreift, die das Leben jedes einzelnen Menschen auf diesem Planeten beruehren. Ein Planet, ein Klima, eine menschliche Familie. Wir sind alle vertraut mit dem apokalyptischen Szenario, wenn sich der >gefaehrliche Klimawandel< in >unkontrollierbaren Klimawandel< und schliesslich in >unumkehrbaren Klimawandel< verwandelt. Der zivilisationszerstoerende Endpunkt dieser Vision ist unbeschreiblich duester. Um das zu verhindern muessen genug Menschen den Klimawandel als das erkennen, was er wirklich ist. Nur dann wird ein anderes Modell fuer die Globalisierung zum Tragen kommen - hoffentlich noch rechtzeitig um das Schlimmste zu verhindern. [Anm. d. Red.: Der Autor des Textes ist Gruendungsdirektor des >Forum for the Future< und Verfasser des Buches >Capitalism as if the World Matters<.]

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