Globalisierungskritik, wie weiter? Antwort #39

Die Geschichte der Globalisierung ist ohne Paradiese nicht denkbar. Genauer gesagt, nicht ohne jene Orte, die von den Netzen unerfasst geblieben sind, welche Wirtschaft, Politik und Kultur um den Planeten spannen. Solche Orte lagen schon immer hinter dem Horizont eines Prozesses, bei dem alles kontinuierlich naeher rueckt, alles miteinander kurzgeschlos- sen, vernetzt und verbunden wird. Sie haben die Globalisierung stets vorangetrieben, in Aussicht stellend, dass die Expansion noch weitergehen kann.

Nun heisst es heute allenthalben, wir lebten im Zeitalter der Globalisierung. Das sagen Werbeslogans und schlaue Buecher, Staatsoberhaeupter und Talkshow-Moderatoren. Wenn dieser Prozess in unserer Zeit als besonders markant und sogar als epochemachende Entwicklung angesehen wird, dann gibt es dafuer vor allem einen Grund. Er hat einen ungekannten Grad erreicht; es gibt kein Aussen mehr, unser Planet ist durch und durch globalisiert. Welche Konsequenzen hat dies fuer Paradiese, insbesondere da die Globalisierung nicht zum Stillstand zu kommen scheint?

Orte jenseits der Netze der oekonomischen, politischen und kulturellen Globalisierung existieren nicht mehr, trotzdem bleiben sie in der kollektiven Vorstellung erhalten und der Globalisierung als Katalysatoren dienlich. Es gilt das abendlaendisch gepraegte Paradiesbild auf der Hoehe unserer Zeit zu entmystifizieren. Im Zuge dessen gilt es das politische Potenzial eines Ortes freizulegen, der unsere Vorstellungswelt seit der Kindheit okkupiert und der gleichzeitig der Katalysator des komplexesten Prozesses unserer Zeit ist: der Globalisierung.

Das Paradies als Zufluchtsort vor der Globalisierung [ein Ort jenseits laermender Netze] und das Paradies als Fluchtpunkt der Globalisierung [ein Ort am aeussersten Rande expansiver Netze] – ausgehend von diesem Widerspruch sollte versucht werden, die Perspektive auf das Paradies neu zu justieren.

[Anm. d. Red.: Der Verfasser dieses Beitrags ist Autor des just erschienenen Buches >Abschalten. Paradiesproduktion, Massentourismus und Globalisierung<.]

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