Geopolitik-Fun fuer den Massentourismus

Aus der Vogelperspektive betrachtet, sieht die Welt manchmal recht eintoenig aus. Die Netze des Verkehrs von Menschen, Daten, Geld und Muell ueberziehen die Erde wie eine Glasur, die Unterschiede zwischen einzelnen Laendern vergessen laesst. Die Nachfrage nach Distinktion steigt in solchen Zeiten ins schier Unermessliche, auch der Tourismus kann davon ein Lied singen. Lokalkolorit steht in der zweitgroessten Branche der Welt hoch im Kurs – doch wie sich abheben von dem Einheitsbrei der Globalisierung? Die Antwort aus dem Hause Lonely Planet lautet: Mirconations.

Kleine, teils fiktive Nationalstaatsentwuerfe, die darauf setzen besonders zu sein. Besonders bunt, besonders utopisch, besonders um jeden Preis. Irgendwo im Ozean, oder in der australischen Pampa, vielleicht auch mitten im Herzen einer europaeischen Grossstadt gelegen – Mikronationen koennen ueberall entstehen. Natuerlich auch im Weltall. Auf dem Mond sind jedenfalls bereits erste Ansprueche auf eine Staatsgruendung gemacht worden. Viel brauch man ohnehin nicht, um solche Ansprueche zu erheben. Neben viel Enthusiasmus, eine Verfassung, Briefmarken, ein wenig Merchandise und einen griffigen Namen: Sealand, Christinia, Lovely, Seborga, Whangamomona, Freedonia, Akhzivland, nur um die prominentesten Reiseziele im Lonely Planet-Fuehrer zu nennen.

Bewusst spart der Micronations-Guide oekonomische Sonderzonen, Sonderstaaten oder Mini-Staaten aus. Die Buehne gehoert allein jenen Nationen, die >fun< sind. Insofern ist die Zusammenstellung ein post-politisches Kuriositaetenkabinett, das den Horizont des Reiselustigen zwar erweitert, aber einige dazu verleiten wird, das Fehlen so manch eines Players einzuklagen. Doch hat Lonely Planet nicht schon immer so funktioniert? Leser haben mit ihren Informationen so gut wie jeden Reisefuehrer erweitern geholfen. Warum sollte nicht auch in diesem Fall bald ein Folgeband von >Micronations< auf den Markt kommen, der doppelt so dick ist und zahlreiche neue Ziele vorstellt? Dies koennte vielleicht deshalb ausbleiben, weil man sich mit diesem Titel lieber nicht den ernsten und das heisst auch politischen Implikationen der Globalisierung stellen moechte.

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