Geld sammeln im Netz – aber wie?

Wer hierzulande als „Kreativer“ finanzielle Unterstützung für ein Projekt braucht, war bisher nahezu ausschließlich auf (staatliche) Kulturförderung oder Mäzenatentum angewiesen. Das könnte sich nun ändern: „Kreative“ können mit Hilfe von neuartigen Plattformen versuchen, die Netz-Community von ihrer Idee zu begeistern und Geld für die Umsetzung einsammeln. Kein Wunder, dass Crowdfunding, so der Name dieses Verfahrens, in aller Munde ist. Anna Theil, Coach bei Deutschlands größter Crowdfunding-Plattform, gibt einen Überblick.

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Vor kurzem hat einer der Gründer von kickstarter.com, der derzeit erfolgreichsten Crowdfunding-Plattform in den USA, bekannt gegeben, dass die Plattform 2012 voraussichtlich rund 150 Millionen US-Dollar von der Crowd einsammeln wird. Verglichen mit den 146 Millionen, die die staatliche Kulturförderstiftung jährlich zur Verfügung hat, ist das ein aussagekräftiges Zeichen dafür, dass Crowdfunding in der Kultur- und Kreativszene inzwischen einen großen Stellenwert hat.

Erst im Sommer 2010 kam der Durchbruch für kickstarter: Vier Computer-Nerds wollten mit „diaspora“ ein neues und transparentes soziales Netzwerk als Gegenmodell zu facebook entwickeln und benötigten dafür 10.000 US-Dollar. Nach nur zwölf Tagen hatten sie diese Summe schon zusammen und am Ende der Kampagne stand das Projekt bei über 2.000 Prozent der angestrebten Summe.

Die Basis: Der Glaube an das Projekt

Für einen noch größeren Überraschungserfolg sorgte ein Vorhaben der Entwickler Tim Schafer und Ron Gilbert. Da sie auf dem traditionellen Wege keine Geldgeber für die Entwicklung ihres Spiels „Double Fine Adventures“ fanden, initiierten sie auf kickstarter eine Crowdfunding-Aktion für die benötigte Summe von 400.000 US-Dollar. Und das mit einer unglaublichen Resonanz: Insgesamt 3.336.371 US-Dollar wurden von 87.142 Unterstützern für das Projekt eingesammelt.

Der Erfolg von Double Fine Adventures zeigt sehr eindrucksvoll, wie sinnvoll das Crowdfunding-Modell ist, wenn man den Konsumenten direkt ansprechen und damit testen kann, wie ein Projekt bei der Crowd ankommt. Da kreative Ideen oder Erfindungen in frühen Phasen oftmals keine Geldgeber finden, wie bei dem Spiel Double Fine Adventures, oder nicht in die Zuwendungsschemen von öffentlichen Förderinstitutionen passen, werden viele innovative Projekte in der Folge nicht umgesetzt – auch wenn es teilweise nur an geringen, aber dringend benötigten Mitteln fehlt.

Projektinitiatoren müssen beim Crowdfunding nicht von der ersten Phase an die Wirtschaftlichkeit ihrer Projektidee nachweisen. Stattdessen versuchen sie zunächst Unterstützer von der Idee zu begeistern und  in das Projekt einzubinden. Der Glaube an das Projekt ist damit die Basis für Geldgeber. Da der erste Kontakt mit Konsumenten oder Publikum und nicht mit den Entscheidern stattfindet, kann es zur beschleunigten Realisierung von Ideen kommen. Das Beispiel Double Fine Adventures zeigt, dass Crowdfunding auf anderen Prinzipien basiert und damit neue Denkwege ermöglicht.

Crowdfunding in Deutschland und die öffentliche Hand

Mit dem Start der Crowdfunding-Plattformen inkubato.com, mysherpas.com, pling.de, startnext.de und visionbakery.de hat das Thema Crowdfunding zur Finanzierung von kreativen Projekten seit Herbst 2010 auch hierzulande an Bedeutung gewonnen. Die hiesige Crowdfunding-Landschaft steht jedoch noch am Anfang und entwickelt sich sehr langsam.

Das ist aus meiner Sicht nicht verwunderlich. Bisher werden nur ungefähr 10 % der Kultur in Deutschland privat gefördert, vor allem durch Stiftungen oder Sponsoren; 90 % der Kulturförderung übernimmt die öffentliche Hand. In den USA ist dieses Verhältnis genau umgedreht, so dass dort die Summen, die schon vorher von Privatpersonen in kreative Projekte investiert wurden, jetzt auf Crowdfunding-Plattformen wie kickstarter oder indiegogo gebündelt werden und im Zuge dessen auch transparent werden.

Damit sich Crowdfunding in Deutschland langfristig als alternative oder ergänzende Finanzierungsmöglichkeit etablieren kann, ist es wichtig, diese spannende Möglichkeit für kreative Projekte zu entdecken, zu unterstützen und in der Crowd bekannt zu machen.  Bislang fördern auf Crowdfunding-Plattformen insbesondere internetaffine Nutzer. Wie sich diese Gruppe erweitern wird, ist noch unklar.

Überfinanzierung für das „Das Hartz IV Möbel- Buch“ 

Die „Kreativen“ selbst experimentieren schon jetzt mit Crowdfunding-Projekten mit wachsendem Interesse, da es auf effektive Weise Finanzierung, Marketing und Vertrieb miteinander verknüpft. Für viele Projektinitiatoren ist es jedoch oftmals noch eine Herausforderung, dem Publikum – der Crowd – ihre Projektidee so zu kommunizieren, dass potenzielle Geldgeber für das Projekt begeistert werden. Es reicht nicht, Menschen dazu zu bewegen, einen „Gefällt mir“- Button zu drücken. Sie müssen sich weitergehend auf das Projekt einlassen.

Das aus meiner Sicht spannendste Berliner Projekt ist derzeit das Projekt „Hartz IV Möbel“ von Le Van Bo. Der Architekt, Designer und Buchautor zeigt sehr anschaulich, wie spannend es sein kann, die Crowd in die Entwicklung seiner Idee, in diesem Fall ein Buch über seine Möbel, miteinzubeziehen – von der Ideenfindung über die Finanzierung bis hin zur Umsetzung der Idee. Kein Wunder also, dass sein Buchprojekt von 350 Unterstützern zu 260 Prozent überfinanziert wurde.

Le Van Bo hat inzwischen auch sein zweites Projekt über Crowdfunding finanziert und baut damit in der Fördercommunity seine Reputation auf, die er für zukünftige Vorhaben immer wieder nutzen kann. Warum er diesen Weg der Finanzierung über die Crowd geht, kann er am Besten selbst erklären: „Crowdfunding ist die demokratischste Form der Kulturförderung. Crowdfunding passt zu aktuellen Phänomenen wie die Piratenpartei und beschreibt eine Aufbruchstimmung, die geprägt ist von Werten wie Transparenz, Demokratie und gesellschaftlicher Teilhabe. Damit kann ich mich identifizieren.“

Anm.d.Red.: Die Verfasserin des Beitrags ist Referentin der öffentlichen Crowdfunding-Veranstaltung „Knirpsschweinchen-Kickstarter“: 26. Mai, 18-20 Uhr; im BQV, Eberswalderstraße 21. Weitere ReferentInnen sind Tim Pritlove (Podcaster) und Karsten Wenzlaff (Medienforscher). Weitere Info hier. Foto oben: Florian Reischauer (piecesofberlin.com). Ein aktuelles Interview mit Anna Theil ist bei politik-digital zu lesen.

11 Kommentare zu “Geld sammeln im Netz – aber wie?

  1. Nicht nur Kreative finden Dank Crowdfunding Geld über viele Microinvestoren, sondern auch Startups aller Couleur.
    Es ist schon, dass dank diese neuen Ansatzes die Kreativ- und Innovationsförderung einen neuen Anschub bekommt.

  2. Was ist denn aber mit den kleinen und unscheinbaren Projekten, von denen zunächst niemand begeistert ist? Werden durch Crowfunding nicht immer nur die populären Sachen für die breite Masse gefördert?

  3. Ich habe diesbezüglich jüngst die “KULTURALIE” erfunden bzw. gegründet… Das ist Crwodfunding als Kultur-Anlage… Sehr interessantes Produkt…

  4. es klingt schon innovativ @#3, ja, das stimmt, und deutschland ist der ort, an dem innovationen gefördert werden sollten: crowdfunding für crowdfunding! damit die sache weiter wächst.

    gibt es sowas schon? oder wie üverleben die plattformen zum beispiel?

  5. @#3 Wenn ich auf den Crowdfunding-Plattformen beobachte, welche Projekte gefördert werden, dann sind es viele kleine Projekte, die oftmals in einer Nische zuzuordnen sind. Das hängt damit zusammen, dass spezielle Themen eine spezielle Zielgruppe ansprechen und damit manchmal eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, erolgfreich finanziert zu werden. Aktuell werden in Deutschland über die Plattformen viele Nachwuchsprojekte finanziert, also Summen von bis zu 15.000€. Mit der Bekanntheit von Crowdfunding wachsen aber auch die Summen und die Projekte werden größer.
    @#6: Was meinst du mit gibt es sowas schon? plattformen? Die Plattformen in Deutschland tragen sich noch nicht selbst, sondern sind in der Regel noch eine Investition der Gründer. Zur Refinanzierung haben die Plattform-Betreiber unterschiedliche Strategien: Spenden, Provision, Beratung der Projektinitiatoren, Page-Funktionen für Unternehmen oder öffentliche Förderinstitutionen …

  6. Ich bin zu Crowdfunding eigentlich eher kritisch gestimmt. Ich find die Idee top, aber es gibt auch viele Projekte die floppen bzw. wer kontrolliert was mit dem Geld wirklich passiert??

  7. Crowdfunding scheint die moderne Version von ‘Viele Hände machen der Arbeit leicht’ zu sein, und deine Einblicke in die verschiedenen Plattformen und Erfolgsgeschichten sind wirklich ermutigend. Es macht Spaß, in dieser Welt des gemeinschaftlichen Engagements und der kreativen Finanzierung einzutauchen. Danke für diese aufschlussreiche Tour durch die Welt des digitalen Miteinanders!
    LG,
    Carolin

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