Gefuehlsecht

Meine Beziehung zu Wasser gleicht meinen Erfahrungen des Erwachsenwerdens. Zunaechst unbeschwertes Treiben, Angst ein Fremdwort, wachsen mit dem Fluss der Zeit der Respekt und die Erkenntnis, nichtig und klein zu sein. Vermutlich ist es gerade diese Erkenntnis, die mich zu neuen Ufern treibt. Dem Nummerndasein entrinnen, etwas Dauerhaftes, Nachhaltiges schaffen. Unser Dasein ist gepraegt von Endlichkeit, und es haette zu Ende sein koennen damals am Griessee im oberbayerischen Landkreis Obing. Ich dachte, ich wuerde ertrinken, bis ich merkte: Ich kann stehen! Mit unserem europaeischen Grossprojekt >The Festival< springe ich wieder ins kalte Wasser - dieses Mal gewollt.

Einmal im Wasser konnte ich bislang nicht in den Genuss des Tauchens kommen. Ist es besagter Respekt vor dem grossen Dunkel? Angst vor Haien, die in jener jagenden Form nur in Steven Spielbergs Klassiker ihr Unwesen treiben? Ohne Taucherfahrungen mein eigen nennen zu koennen, beschraenkt sich das Tragen wasserdichter Kleidung bei mir auf das erfolgreichste Kleidungsstueck im Kampf gegen AIDS. Kondome zu erstehen, ist trotz meines heute geformten Persoenlichkeitsbildes eines, auf Spanisch, >Sin verguenza<, welches woertlich uebersetzt >ohne Scham< bedeutet, noch immer mit einem leichten Kribbeln in der Magengegend versehen, welches mich an erste Verliebtsein-Anekdoten aus schuechternen Kindheitstagen erinnert. Im Sinne zwischenmenschlicher Beziehungen verbindet Wasser. Denken wir nur an den Suez-Kanal, das Mittelmeer mit seinen Jahrtausenden des florierenden Handels. Denken wir an die Grundsubstanz aller gesellschaftlichen Akte - vom Tee-Genuss im Beduinenzelt bis zum Oktoberfest. Wasser verbindet. Aber Wasser segregiert auch. Denken wir an die Golan-Hoehen, denken wir an historische Grenzen, so oft markiert durch so manches Flusstal. Das, was wir in den letzten 50 Jahren in Europa gluecklicherweise erleben durften, ist die Aufweichung von Grenzen, das Ausrangieren wasserdichter Kleidung im grossen Stile, und ich frage mich, ob es ueberhaupt noch Taucher gibt auf unserem Kontinent. In diesem historischen Streben nach Zusammengehoerigkeit steht der Begriff des Meeres fuer einen der der hoechsten Werte des Menschen; die Freiheit. Ich erinnere mich an ein nettes Abendessen mit Josef Hattig, den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Becks GmbH & Co. KG. Ich unterschrieb den 2-Millionen-Scheck fuer Joe Cockers >Sail away<, erlaeuterte er mir, nicht ohne einen Anflug von Stolz in der Stimme. Sicherlich eine der erfolgreichsten Werbekampagnen der letzten Jahrzehnte. Das Streben nach Freiheit und das metaphorische Bild des Meeres sind ein unzertrennliches Paar. Ja, das Meer ist heute stuermisch. Doch wer sich im Sturm hinauswagt, kann Chancen realisieren, wissend dass sich das Meer nach jedem Sturm wieder in das gleiche idyllisch-romantische Bild des Claude Monet verwandelt. Auch Kolumbus Zeitzeugen wurden nicht muede beim Ausmalen ihrer Angst-Szenarien ueber das, was hinter dem Horizont liegen sollte. Meinem europaeischen Sohn Alvaro versuche ich schon heute zu vermitteln, stets das Positive in den Dingen zu suchen. Wuerde ich ein metaphorisches Bild ueber die aktuelle Situation malen, waeren die Wellen hoch, das Meer stuermisch, aber einige Surfer wuerden den Ritt ihres Lebens reiten, mit wasserdichter Kleidung.

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