Gedichte als Antiware

Ich bin sowohl Netzautor, als auch Buchautor. Alle Gedichte, die in meinen Gedichtband skzzn aufgenommen wurden, habe ich zuvor auf meinem Blog publiziert. Mir gefiel die Idee einer chronologischen Anordnung lyrischer Skizzen, einer Auswahl, bei welcher der Leser, wie in einem Blog, einen laengeren Arbeits-Zeitraum [im Fall von skzzn mehr als ein Jahr] mitverfolgen kann.

Die Gedichte sind somit alle einem Datum zugeordnet, auch wenn dieses nicht immer dem Zeitpunkt ihrer Entstehung entspricht. Dennoch bleibt es mit Sicherheit das Ziel jedes Autors, seine Texte schliesslich in Buchform zu publizieren, dauerhaft lesbar ohne Bildschirm, Strom und Internetanschluss.

Gedichte online zu veroeffentlichen ist begrenzt sinnvoll. Trotzdem hat sich mit der Zeit gezeigt, dass es nicht wenige interessierte Leser gibt, die sich mit literarischen Weblogs beschaeftigen. Da Gedichte nach der Enzensbergerschen Konstante ohnehin nur 1354 Leser finden und von ihm richtigerweise als Antiware bezeichnet wurden, macht es keinerlei Unterschied, diese kostenfrei im Netz zu publizieren. Der interessierte Leser im Netz wird sich die Zeit zum Lesen nehmen. Auch abgedruckte Gedichte werden, so eine verbreitete Meinung, von vielen Kaeufern nur besessen und nicht gelesen. Vielleicht ist es auf irgendeine Art und Weise gut in ein so schnelllebiges Netz von toten Links und verfallenden Informationen etwas Zeitloses wie ein Gedicht zu setzen.

Mein Blog ist Teil des Portals fuer deutschsprachige literarische Weblogs LITBLOGS.NET, an dem u.a. auch Autoren wie Alban Nikolai Herbst und Sudabeh Mohafez beteiligt sind. Dabei hat Herbst mit Die Dschungel. Anderswelt, in seiner Vermengung von Fiktion und Realitaet, eine in Deutschland einzigartige Form des literarischen Blogs geschaffen. Die Mitgliedschaft bei litblogs.net bindet meinen Blog in einen ernsthaften Kontext ein, in eine Gruppe von Autoren, fuer die literarische Arbeit im Netz mehr als nur ein Hobby ist. Die Autoren von LITBLOGS.NET haben unlaengst einen Sammelband zum Thema >Literarische Weblogs< veroeffentlicht. Ein weiterer erfreulicher Nebenaspekt ist, dass das Portal vom Deutschen Literaturarchiv Marbach archiviert wird. Ich denke das Netz spielt bezueglich der Vermarktung von Gedichten keine allzu grosse Rolle. Hat ein Lyriker ein Buch publiziert, so moechte ich dieses auch weiterhin kaufen und in aller Ruhe im wiederholten, intimen Lesevorgang zuhause lesen. Zudem sind Gedichtbaende oft bibliophile Kleinode, begleitet von Illustrationen und einer schoenen Typographie, die im Web nicht selten grausam daherkommt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Webpraesenz, wie ueberhaupt eine mediale Praesenz, von so grosser Wichtigkeit ist. Nehmen sie z.B. einen Autor wie Pynchon. Das Raetsel um seine Person und die fehlende Medienpraesenz sind mittlerweile Bestandteil seiner Legende. Ich nehme das Web ernst, aber nicht wichtig. Ich bin ein Fan des echten Lebens, von First Life sozusagen.

Ein Kommentar zu “Gedichte als Antiware

  1. Aber – Herr Enzensberger irrte, bzw. redete nur so dahin. Tatsächlich lebt das ganze Land mit Gedichten, Millionen lesen sie, sagen sie auf, erwarten welche zu goldenen Hochzeiten, Betriebsfeiern, Bankenkrisen usw. Andererseits hat er auch Recht. Denn abseits der Millionen haben sich in einer kleinen Ecke ein paar Marktbuden eingerichtet, die nur 1354 Leser erreichen wollen. Wahrscheinlich, weil ihnen das Rare wertvoller erscheint. (Nur Musiker, Romanciers, Filmer, ach alle anderen halten es anders.) Will einer mehr, wie etwa Gernhardt, darf er erst mitspielen, wenn er tot ist, nicht mehr durch schlechtes Beispiel Fördergeld verdirbt.

    “Gedichte online zu veroeffentlichen” ist allerdings nur “begrenzt sinnvoll.” Nämlich dann, wenn man damit nichts verdienen will oder das Verdienen nur unterstützen. (Letzteres ist in Deutschland, anders als etwa in den USA, noch sehr selten.) Ob man die Gedichte in bibliophile Kleinode packt oder ins Netz stellt (und es gibt noch viel mehr – Postkarten z.B. erlösen pro Gedicht das Hundertfache) ist den Gedichten herzlich egal, sie sind ja weder Buch noch Blog, existierten vor beiden und werden beide überdauern.

    Nur dies frage ich mich dabei: Ob ein Buch in 1345 Exemplaren, dessen Inhalt dann 70 Jahre über den Tod des Autors hinaus als geistiges Eigentum streng gehütet wird – wirklich Veröffentlichung heißen soll? (Ich z.B. besitze weit mehr neuere Gedichtbände als meine Stadtbibliothek, die haben nicht zehn aus den letzten zehn Jahren, es kommt aber keiner vorbei, sie einzusehen.)

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