Fleischfressende Worte aus psychotropen Gebieten

Denn jene Worte, meine Freunde, bergen den Wimpernschlag der babylonischen Koenige, bergen die Sonnenstrahlen, die sich an einem Sommertag zerstaeuben ueber verwunschenen Weihern und…hm, und Birken.

Sie enthalten die Aromen der Suedseehorizonte ebenso wie das Staubpartikel, das sich unter die Beatmungsgeraete aseptischster Intensivstationen gefluechtet hat. In den Vokalen hoeren wir den nervoesen Atem der gescheiterten Dichter, und wir betrachten das Laecheln der Liebenden ueber einem trockenen Martini an der Cote d’Azur. Ja natuerlich, die Liebe, meine Freunde, die Liebe… Hustenanfall.

Aeh, ich habe da was zwischen den Zaehnen…die Liebe, also, die Liebe – ist nicht alles. Denn in den Konsonanten, da werden unter fragilen Monden die Derwische tanzen, und wir sehen die Gardine, die aus dem Fenster eines Chatrooms weht. Und den Wuestensand, ausgestreut auf dem Formular eines Bausparvertrages. Und die Blueten des Holunders nach einem Fruehlingsregen. Das Kind, mit dem keiner spielen moechte, die alte Frau, die in einer Hochhaussiedlung eine Baeckerei betritt, um sich eine Rumkugel zu kaufen. Und am Ende der Verse, oh ihr sterblichen Ueberreste, da beginnt schon das Weltall, die leeren Raeume, die zu durchqueren selbst das Licht Waesche zum Wechseln einpackt.

Und, meine Freunde, also wird sein: das Gedicht, das ich schreiben werde, wird die automatischen Ansagen in den Untergrundbahnen dazu bringen, dass sie von Madagaskar zu traeumen beginnen. Es wird Regierungen stuerzen. Ein arbeitsloser Wind wird durch die Klimaanlagen der Grossraumbueros gehen, wenn man es vor sich hersagt. Und die Insassen der Staedte werden ihre Gehaltsabrechnungen vor den leeren Augen der Elektronikfachmaerkte zerfetzen und zerstreuen. Und sie werden diese demagogischen Farben von den geschaendeten Fassaden der sanierten Altbauten abkratzen, und ihre Einbaukuechen werden sie wieder ausbauen.

Die Liebe wird sich von den Beziehungen befreien und unter den Nachthimmel treten. Und das verschimmelte Gelehrtenpack wird die Buecher in Ruhe lassen und sich endlich selber mal auf die Kopiergeraete legen. Die Welt, die Welt…aeh… Er bekommt Schluckauf. …was mir nur fehlt, meine lieben Freunde…was ich naemlich so sehr suche… Er muss niesen. …ich suche naemlich das erste Wort so sehr. Denn jedes Wort koennte auch das erste sein. Und es sind ihrer so viele.

Und nicht wahr, meine Freunde, entsetzlich sind nicht selten die Worte, die der Mensch gebraucht, um das Nichtssagende zu sagen. ›Probiotischer Joghurt‹, ›Podiumsdiskussion‹, ›Kontoauszugsdrucker‹ – auch das, meine Freunde, koennte das erste Wort sein. Davor habe ich solche Angst. Das ist so schwer, nicht wahr, so ungeheuer schwer. Oder habt ihr es gesehen, meine Freunde, das erste Wort? Bewahrt ihr es auch unter euren skandinavischen Couchgarnituren? Ich suche doch schon so lange danach.

Erneuter Hustenanfall. Torma unterdrueckt angestrengt Worte, die sich aus ihm zu auszuwuergen scheinen. Nachdem er sich wieder beruhigt hat: So lange schon. Ich moechte etwas erzaehlen. Ich verschwand im Jahre 1933 unter mysterioesen Umstaenden aus einem Hotel in den oesterreichischen Alpen. Aber es hat mich nie gegeben, deshalb konnte ich nicht sterben. Ich durchwanderte die Jahrtausende der Gletscher und verlor ein Bonbonpapier in der fruehen Bronzezeit, was ihr nicht geschadet hat. Ich erforschte das Bruttosozialprodukt der Morgenroete, bis ich nicht mehr konnte, und sie konnte auch nicht mehr, und dann gruendete ich eine Fabrik fuer Opiumtrueffel in Zartbitterschokolade bei Lausanne.

Spaeter beteiligte ich mich an den Aktivitaeten der britischen, amerikanischen und sowjetischen Geheimdienste sowie einiger Geheimdienste aus der Lueneburger Heide, wobei ich hauptsaechlich damit befasst war, spezielle Badezusaetze fuer Geheimagenten mit Problemhaut zu synthetisieren. Ich nannte das ›Konspirative Dermatologie‹, falls sich hier jemand dafuer interessiert, aber nach einigen Jahren langweilte ich mich entsetzlich; denn die politischen Dinge sind nicht mehr als ein Mitesser auf der Wange eines Hypochonders.

3 Kommentare zu “Fleischfressende Worte aus psychotropen Gebieten

  1. Ich hab es, das erste Wort, bei mir ist es, sitzt rum, guckt meinen Fernseher leer und fisst mir Haare an den Kopf! Du kannst es gerne abholen kommen, bin froh, wenn es verschwindet!

  2. Christian, du bist die geborene Unvernunft! Ich finde es aber trotzdem schön, dich zuzuhören.
    Liebe Grüße
    Du weißt schon…

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