Die Ereignisse im Herbst 1989, in Berlin und in ganz Europa, haben sich ins mediale Gedächtnis des Westens als Freudentaumel und Shoppingglück eingeschrieben. Für Dissonanzen und Widersprüche war und ist kein Platz. Der Brexit, gut dreißig Jahre später, wurde nirgends wirklich gefeiert. Dennoch weisen Katerstimmung nach dem UK-Austritt aus der EU und der Taumel der “wiedervereinigten” Deutschen aufschlussreiche Parallelen auf. Der Medienanalyst Greg McLaughlin kommentiert. weiterlesen »
In den letzten Jahren haben viele EU-Länder nationale KI-Strategien entwickelt. Während langfristiges strategisches Denken zu begrüßen ist – insbesondere im Kontext der Entwicklung von komplexen digitalen Technologien –, ist es auch wichtig den Fokus dieser Strategien zu erforschen und zu hinterfragen. Die Medienwissenschaftlerin Miglė Bareikytė untersucht die Ansätze im post-sowjetischen Baltikum und unterzieht die KI-Strategien Estlands, Litauens und Lettlands einer kritischen Lektüre. weiterlesen »
Die durch Deutschlands rot-grüne Koalition forcierte NATO-Bombardierung Jugoslawiens im Jahr 1999 hat nicht zuletzt den Aufbau des Kosovo als Nationalstaat auf den Weg gebracht. Als gälte es den Interventionsbedarf immer wieder vom Neuen zu legitimieren, wird das Land in den westlichen Medien als “Pulverfass”, “rückständig” und “nationalistisch” beschrieben – quasi stellvertretend für die angeblich noch heute virulenten “Probleme des sozialistischen Staatenbunds” von damals. Die Schriftstellerin und Literaturwissenschaftlerin Marlen Schachinger, die in Prishtinë als Stadtschreiberin arbeitete, versucht diese verkrusteten Vorstellungen beiseite zu räumen und Platz zu machen für eine Annäherung auf Augenhöhe. weiterlesen »
Auf dem Papier gelten Bulgar*innen als EU-Bürger*innen. In der Realität werden sie systematisch degradiert. In einem perfiden Zusammenspiel von Behörden, Arbeitgeber*innen und Vermittlungsagenturen kommt es zu einem “bürokratischen Bordering”, das ein menschenwürdiges Leben schier unmöglich macht. Gleichzeitig sind die degradierten Migrant*innen unverzichtbar für den Arbeitsmarkt, insbesondere in Deutschland. Die Forscherin und Aktivistin Polina Manolova berichtet aus einer vermeintlich freizügigen EU, in der vor allem die Ungerechtigkeit grenzenlos ist. weiterlesen »
Nicht nur ein wichtiger Knotenpunkt der “Neuen Seidenstraße”, sondern ein Hub im weltumspannenden logistischen Kapitalismus – diese Rolle fällt ausgerechnet Georgien zu. Doch die Probleme häufen sich in der kleinen post-sowjetischen Republik: Bauprozesse werden immer wieder verzögert und bleiben unvollendet, Arbeiter*innen werden von allen Seiten ausgebeutet, Umweltschäden nehmen zu. Infrastrukturprojekte haben in dieser Region eine lange Tradition – ebenso wie Arbeiter*innenkämpfe. Doch der Blick in die Vergangenheit ist durch ideologische Attrappen verstellt. Die Geografin und Aktivistin Evelina Gambino zeigt, wie sich unter diesen Bedingungen von Geschichte lernen lässt. weiterlesen »
Gehypte Netflix-Dokus zeichnen Rumänien als ein urwüchsig-unberührtes Stück Natur. Dieser Orientalismus passt ins Bild, welches sich der westliche Teil der EU macht: rückständiges Land, arbeitswillige Bevölkerung. Welche Funktion hat diese Vorstellung für die Politik der Arbeitsmigration? Der Anthropologe und Berliner Gazette-Autor Florin Poenaru sieht hier keinen Sonderfall an den Rändern der EU, sondern Europas Zukunft. weiterlesen »
Abibas-Sneaker, Ponosonic-Gadgets und Ducci-Taschen! Shanzhai-Kopien westlicher Produkte sind mehr als Kopien. In post-sowjetischen Staaten wie etwa der Ukraine, ermöglichen sie der Arbeiter*innenklasse, sich die Idee des Westens auf subversive Weise anzueignen. Die Autorin und Kuratorin Lesia Prokopenko unternimmt einen Streifzug durch Märkte und Basare. weiterlesen »
Die Logik des Kapitals kommt paradigmatisch im Osten zur Geltung: Statt “blühender Landschaften”, gibt es “brachliegende Landschaften”. Die fast verwahrlost wirkende Unfertigkeit des Gebiets ist allerdings kein Anzeichen von Scheitern, sondern, wie der Aktivist und Autor Christoph Marischka zeigt, Ausdruck jener „schöpferischen Zerstörung“, welche der Idee von Expansion und Disruption zugrunde liegt. Eine Suchbewegung von Warschau über Leipzig bis Bergkarabach. weiterlesen »
Die Treuhandanstalt sorgte für wirtschaftliche und soziale Verwüstungen in der ehemaligen DDR. Die Folgen sind bis heute spürbar. Komplementär dazu hinterlassen “Aufklärungskampagnen” – etwa der Stiftung Aufarbeitung und der Jahn- (ehem. Gauck-) Birthler-Behörde im Verbund mit den öffentlich-rechtlichen Medien – eine weitreichende psycho-soziale Traumatisierung. Deren Schäden sind bislang weder benannt, geschweige denn hinreichend kritisiert worden. Die Soziologin und Berliner Gazette-Autorin Yana Milev unternimmt eine Bestandsaufnahme. weiterlesen »
Im Schnelldurchlauf wurden die Gebiete der ehemaligen osteuropäischen Staaten in den Kapitalismus “überführt”. 30 Jahre später ist überall im Osten unverkennbar, dass das Ganze kein Wohltätigkeitsprojekt Westeuropas war. Wie die Künstlerin und Philosophin Marina Gržinić zeigt, ist das ehemalige Jugoslawien ein Paradebeispiel für ein turbo-kapitalistisches Laboratorium, das durch EU-Interessen “reguliert” wird und deshalb so reibungslos funktioniert, weil man gleichzeitig auch den Prozess der Faschisierung auf “turbo” geschaltet hat. Ein wütender Zwischenruf. weiterlesen »
Kreative Zerstörung (lies auch: Disruption) scheint in “Ostdeutschland” seit 30 Jahren zum Alltag zu gehören. Perfekte Voraussetzungen also für Tesla, wie auch andere kapitalistische Player (Amazon, Google, RB Leipzig mit dem Unternehmen Red Bull als Hauptstruktur), die den normalen Weg kapitalistischer Produktion nicht gehen und die Regeln von Genehmigung, Arbeiter:innenrechten etc. nicht befolgen wollen? Politikwissenschaftler Stefan Kausch und Diskursanalytiker Jürgen Link zeigen: mit der medial-diskursiven Konstruktion der ambivalenten Normalitätsklasse “Ost” können die Interessen des Kapitals quasi nach Belieben bedient werden. weiterlesen »
Die großen und kleinen Online-Plattformen, die vor allem in den westlichen Gesellschaften “systemrelevant” geworden sind, werden – wie übrigens große Teile der digitalen, scheinbar vollends durchautomatisierten Welt auch – durch weitgehend unsichtbar gemachte Crowdworker*innen in Betrieb gehalten. Es ist hinlänglich bekannt, dass sich ein Großteil dieser “Ghost Worker” in Ländern des Globalen Südens befindet, unter anderem in Indien. Weniger Beachtung findet die wachsende Zahl digitaler Arbeiter*innen in Osteuropa. Die Sozialwissenschaftlerin Mira Wallis unternimmt eine Bestandsaufnahme. weiterlesen »
Im September 1961 schlug die Geburtsstunde einer Bewegung, die versucht hat, sich weder dem Ostblock, noch dem Westen unterzuordnen. Die “Bewegung der Blockfreien Staaten”, dessen treibende Kraft das sozialistische Jugoslawien war, wollte Wirtschaft und Zusammenleben neu denken und vor allem den Globalen Süden Gewicht auf der Bühne der internationalen Politik geben. Der Soziologe und Aktivist Paul Stubbs, der seit den 1990er Jahren in Zagreb lebt, unternimmt eine Bestandsaufnahme und fragt, was soziale Bewegungen von den “Blockfreien” lernen können. weiterlesen »
Unter dem Stichwort “Aufbau” wurden in der ehemaligen Sowjetunion riesige Infrastrukturprojekte gestemmt. Jahrzehnte nach dem Zerfall des zentralistisch regierten, föderativen Einparteienstaats, dessen Territorium sich über Osteuropa und den Kaukasus bis nach Zentral- und über das gesamte Nordasien erstreckte, ist dieses “Netzwerk” in Auflösung begriffen. Wenig überraschend wird im Zuge dessen das Gemeinwohl zugunsten der Interessen der Privatwirtschaft vernachlässigt. Anhand der anhaltenden öffentlichen Debatten über Infrastrukturprojekte wie Wasserkraftwerke und ÖPNV zeigen Lela Rekhviashvili und Wladimir Sgibnev auf, wie Bilder der Vergangenheit und Zukunft aktiviert werden, um eine kompromittierte Gegenwart zu verteidigen. weiterlesen »