Eure Armut heisst Mangel

Was einen mit Leuten verbindet, sind ja nicht Themen [Idealismus], sondern Interessen [Materialismus], also Taten, nicht Gedanken. Mich und meine Leute verband bald die Freude daran, die Erwachsenen zu verstoeren [fliegende Untertassen; LPs aus dem Elternplattenschrank auf 45 abspielen und dazu rumtoben; die Bibel mit Aenderungen auf den Stufen der Kirche neben dem Kinderhort nachspielen], zu aergern und zu schaedigen.

Der Kreis der betroffenen Erwachsenen wurde dann kleiner [Lehrer, sonstige Funktionstraeger des Systems] und die Materialien anspruchsvoller [Marx, Nietzsche] und warenfoermiger [Platten, die ohne Manipulation des Geraets schon genug Krach machen], dabei ist es geblieben. Als das Allerabstrakteste, was verbinden kann, erwies sich allerdings die Liebe.

Ausserhalb Deutschlands stoesst man weniger auf Leute, die sich fuer andere Gegenstaende interessieren, als vielmehr auf solche, die es wichtiger finden, was damit passiert, als dass man sozusagen gute Noten bei imaginaeren Autoritaeten [>Nachwelt<, >die Linke<, >Geschichte<] kassiert. Deutsche sind Streber, Auslaender haeufiger ein bisschen wirklichkeitsorientierter.

Armut kenne ich nicht persoenlich. Mangel schon. Verrueckt kommt mir vor, dass Produktionsverhaeltnisse [von den festangestellten bis zu den schlampigen der Digiboheme] mindestens soviel Mangel produzieren wie Reichtum, vielleicht sogar mehr. Das ist auf der ganzen Welt so. Die Produktivkraefte schlagen in Destruktivkraefte um.

Das laesst die Leute in vielerlei Hinsicht verarmen [z.B. sprachlich] und muss abgestellt werden. Dazu hilft der Vergleich und die Koordination ueber die eigene Enge hinaus; anderen Menschen, Betrieben, Unis, Staedten, Laendern geht es offenbar aehnlich, da sollte sich doch was machen lassen.

Das Gemeinsame und das Trennende sind fuer mich abgeleitete Kategorien, nicht primaere. I do not deal in difference and repetition, I deal in writing and action. Gemeinsamkeit ist nie gegeben, immer herzustellen [Vergleichbarkeit schon. Ich meine, wir sind ja Menschen]. Das ist wie bei dem alten Unterschied von >Klasse an sich< und >Klasse fuer sich<: Es gibt einen Haufen proletarisierter Gestalten, die sich nie proletarisch empfinden wuerden. Lest mal wieder die >Angestellten< von Kracauer, und denkt euch die festen Vertraege weg, da gibt es viel zu staunen.

Das Gewawel von den >grossen ideologischen Erzaehlungen der Vergangenheit< ist gluecklicherweise selbst Vergangenheit. Es stammt aus den dummen Siebzigern und den eitlen Achtzigern, als es der Neuen Linken vor lauter Katzenjammer ein bisschen zu gut ging. Die seinerzeit gegen diese sogenannten grossen Erzaehlungen gerichtete Patchwork-Idee hat sich noch schneller und rettungsloser blamiert als der groesste und harmreichste ideologische Betonkopschrott.

Buecher sind relativ haltbar, relativ anspruchslos in der Wartung [stuerzen nicht dauernd ab, brauchen keinen Strom etc.], relativ robust im Sinne einer Benutzung durch mehrere nacheinander. Das verbindet sie mit den Ideen, die das Gewawel von den >grossen ideologischen Erzaehlungen der Vergangenheit< denunzieren soll, um das scheinindividualistische, verzweifelt vereinzelte Gewurstel hilfloser Autisten schoenzureden.

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