Echo des Wandels

Das Menschenbild der Oekonomen war bis vor einiger Zeit denkbar einfach: der Mensch handelt stets rational und ist folglich daran interessiert, seinen Nutzen und seine Gewinne zu maximieren. Psychologische Erkenntnisse blieben hierbei unberuecksichtigt.

Dass es hier einen Prozess des Umdenkens in den Wirtschaftswissenschaften gibt, laesst sich allein daran erkennen, dass der Nobelpreis fuer Wirtschaft im Jahre 2002 nicht an einen Wirtschaftswissenschaftler verliehen wurde, sondern an den 1934 in Tel Aviv geborenen und in Princeton lehrenden Psychologen Daniel Kahneman. Sein Verdienst ist es, die wirtschaftwissenschaftliche Theorienbildung wieder naeher an die Psychologie herangefuehrt zu haben.

Mit Kahneman und seinem Kollegen Amos Tversky und ihren Modellen zu menschlichem Urteilen und Entscheidungsprozessen konnten sich verhaltenswissenschaftliche Ansaetze in der Mitte der Wirtschaftswissenschaften etablieren. Besonders durchschlagend war ihre Forschung zu subjektivem Werteempfinden, die sie in ihrer >Prospect Theory< formulierten und mit der sie empirisch nachwiesen, dass ein subjektiv empfundener Wert sich nicht als Funktion eines absoluten Geldbetrages beschreiben laesst. Die gewichtige Stellung, die verhaltenswissenschaftliche Methoden inzwischen in den Wirtschaftswissenschaften haben, laesst sich nicht zuletzt an der, national und international, gewaltigen Zunahme von wirtschaftspsychologischen Zeitschriften und orschungseinrichtungen beobachten. Auch die Anzahl der Teildisziplinen hat, in teilweise grotesk anmutender Weise, explosionsartig zugenommen. So gibt es Finanzpsychologie, Waehrungspsychologie, Behavioral Finance, Boersenpsychologie, Anlagepsychologie, Konsumentenpsychologie, Werbepsychologie, Marktpsychologie, Betriebspsychologie, Berufspsychologie, etc. Die Liste der Teildisziplinen liesse sich wahrscheinlich endlos fortfuehren. Eine dieser Teildisziplinen, der in der letzten Zeit grosse Aufmerksamkeit zuteil wurde, ist die Finanzpsychologie, als eine Erweiterung der oekonomischen Finanzierungstheorie. Das wachsende Interesse an der Finanzpsychologie ist wohl nicht zuletzt bedingt durch die Entwicklung neuer Finanzprodukte, Veraenderungen des Finanzwesens und die Einfuehrung von neuen Waehrungen. Damit sind bereits die grundlegenden Forschungsthemen der Finanzpsychologien beschrieben. Es geht also im Wesentlichen um das Verhalten und die Wahrnehmung von Menschen im Umgang mit Geld oder geldnahen Ressourcen. Die Einfuehrung des Euro war daher fuer die Finanzpsychologie ein wahrer Segen. So wurden bereits einige Jahre vor der Einfuehrung der neuen europaeischen Waehrung zahlreiche Forschungsprojekte eingerichtet, die sich mit den verschiedenen psychologischen Aspekten der Euroeinfuehrung beschaeftigten. Die Forschungsthemen reichen von den sozialen Repraesentationen des Euro, der Rolle nationaler Identitaet hinsichtlich der Einstellungen gegenueber dem Euro, der erwartungsgeleiteten Wahrnehmung des Euro, der Beeinflussung finanzieller Entscheidungen durch die Einfuehrung, bis hin zu den verschiedenen Strategien der Waehrungsumrechnung bei Personen verschiedenen Alters. Eines der interessantesten Ergebnisse brachte hierbei eine Studie der Technischen Universitaet Dresden. Die Studie konnte experimentell zeigen, dass die wahrgenommenen Preissteigerungen mit der Einfuehrung des neuen Geldes zu einem Grossteil wahrscheinlich auf den im Vorfeld der Einfuehrung negativen Erwartungen basieren. In der Psychologie spricht man in diesem Zusammenhang auch von erwartungskonformen Urteilsverzerrungen. Es zeigte sich, in Uebereinstimmung mit grundlegenden psychologischen Mechanismen des Urteilens, dass die Vergleiche zwischen der jeweiligen Nationalwaehrung und dem Euro in Richtung der vorhergehenden Erwartungen verzerrt waren. Dies ist vor allem dadurch zu erklaeren, dass erwartungskonforme Fehler meistens keine Beachtung finden und erwartungskontraere Evidenzen, beispielsweise als Ausnahmen, abgetan werden. Diese Ergebnisse lassen sich auch durch Umfragen zum Euro, will man diesen Glauben schenken, bestaetigen. So sind einer Umfrage des Eurobarometers zufolge 90 Prozent der Deutschen der Ueberzeugung, dass es mit der Einfuehrung des Euro zu erheblichen Preissteigerungen kam. Das statistische Bundesamt versichert hingegen, dass es keine Preissteigerungen gegeben habe. Allerdings gibt eine neuere Studie der Universitaet Wuerzburg Anlass zur Gelassenheit. In der Studie zeigte sich kurz vor der Einfuehrung, dass Preiseinschaetzungen in Euro verzerrter waren als bei der D-Mark, etwa eineinhalb Jahre spaeter verkehrte sich dieser Effekt jedoch. Die Preiseinschaetzungen in Euro unterschieden sich jetzt nicht mehr von den Einschaetzungen in D-Mark, die kurz vor der Euroeinfuehrung gemacht wurden. Was einige Gegner des Euro, die zum Teil eine Wiedereinfuehrung der D-Mark fordern, wohl zum Nachdenken bewegen duerfte. Eine Wiedereinfuehrung der D-Mark wuerde der Wuerzburger Studie nach wohl zu aehnlichen Umstellungsschwierigkeiten fuehren, wie die Euroeinfuehrung 2001. Die Psychologie lehrt uns also, es ist doch alles nicht so schlimm wie wir dachten.

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