Forschen bleibt ein Knochenjob

Das Internet ist eine Erfindung der Hochschule. Man könnte also denken, dass netzbasierte Lehr- und Lernmethoden an der Uni eine besondere Rolle einnehmen. Die Realität des E-Learnings sieht jedoch anders aus. Der Medientheoretiker und Hochschuldozent Vito Campanelli berichtet in der BILDUNGS-Reihe über den ewigen Kampf zwischen Technokraten und konservativen Akademikern. Und er räumt mit dem Vorurteil auf, dass sich das Forschen durch das Internet erleichtert habe.

Im Grunde widmete ich mein gesamtes Leben bisher dem Erlernen neuer Dinge. Man könnte sagen, ich bin ein professioneller Student.

Ich habe eine klassische Bildung genossen: Schule und dann Universität. Nach meinem Uni-Abschluss Mitte der 1990er entdeckte ich das Internet für mich und auf einmal veränderte sich meine Herangehensweise an Wissen und Bildung. In dieser Zeit machte ich auch noch einen zusätzlichen Master-Abschluss und kam so zum ersten Mal ganz offiziell mit E-Learning in Berührung.

Wie das Netz das Lernen beeinflusst

Heute switche ich ohne Probleme zwischen Büchern und digitalen Medien. Ich denke, dass dieser Modus der gängige Stil unserer Zeit ist. Das Internet hat einen großen Einfluss darauf, wie wir heute Dinge lernen. Vor allem in der Anfangszeit des Netzes, war es nicht sehr einfach, mehr über das Netz an sich zu erfahren. Da war Kreativität gefragt.

Ein Beispiel, für das kreative Aneignen von Netzwissen, ist vielleicht, wie ich HTML lernte. Wie gesagt: Es gab damals keine Bedienungsanleitungen. Was konnte man also tun, um diese Sprache zu lernen? Zusammen mit einem Freund kopierte ich ganze Stränge aus den Quellcodes der Seiten, die uns am besten gefielen. Wir spielten mit diesen Strängen, um herauszufinden, wie sie funktionieren.

HTML ist eigentlich ganz einfach zu verstehen, weil es eine feste Struktur gibt und alle Tags einen speziellen Namen haben. Aus diesem Grund kann man die Struktur einer Webseite anhand des HTML-Codes auch erkennen, wenn man nur mal kurz draufschaut. Das Lernen von HTML erinnerte mich daran, wie ich die Syntax von Latein gepaukt habe. In diesem Sinne hatte meine klassische Ausbildung also durchaus ihre Vorteile.

Forschung im Netz heißt, sich mehr als die erste Google-Ergebnisseite anzuschauen

Wenn ich mir meine Studenten heute anschaue, erkenne ich schon große Unterschiede im Umgang mit den “Werkzeugen der Bildung”. Meine Generation hat wohl auf Enzyklopädien und die Familienbibliothek vertraut. Heute gehen alle Absichten, ein Thema zu vertiefen, Richtung Internet. Ein Ergebnis: Viele Arbeiten meiner Studenten sind zusammengekleisterte Wikipedia-Zitate.

Das Problem dabei ist: Meistens sind sie mit dem allerersten Ergebnis schon zufrieden. Dieses schnelle Zufriedensein führt dazu, dass wenig differenziert wird. Klischees und Stereotype sind überall in der Gesellschaft sichtbar und haben natürlich auch Auswirkungen auf das Bildungssystem.

Ein weiterer Unterschied zwischen meiner eigenen Zeit als Student und meinem Unterrichten heute: Ich benutze viele digitale Werkzeuge in meinem Unterricht. Als ich selbst Student war, gab es eigentlich nur den Professor hinter dem Pult und ich musste viele Bücher lesen. Ich denke, dass heute in Schule und Hochschule viele Dias, Videos und Multimedia-Anwendungen benutzt werden. Außerdem kann man seine Präsentationen auch einfach auf eine Webseite laden und so für die Studenten zugänglich machen.

Das Grundproblem von E-Learning

Ich persönlich finde das Prinzip Blog in diesem Zusammenhang sehr nützlich. Auf edusfera.blogspot.com können meine Studenten Kommentare zu den Themen der Seminare hinterlassen. Das ist ein einfacher aber effektiver Weg um herauszufinden, was die Studenten für sich aus den Themen herausgeholt haben, die im Seminar vorgestellt wurden. Wenn es dort Zweifel oder Missverständnisse gibt, dann kann ich in der nächsten Sitzung noch mal darauf zurückkommmen und versuchen, die Dinge klarer darzustellen.

Das ist vielleicht ein Beispiel für erfolgreiches E-Learning. Ich habe da aber auch schon andere Erfahrungen gemacht. Vor ein paar Jahren war ich an der Uni in ein E-Learning-Projekt involviert. Meine Aufgabe war es, anderen Dozenten zu helfen, ihre Fernstudium-Seminare zu gestalten. Ich fungierte also als eine Art Interface zwischen der didaktischen Seite (den Professoren) und der Web-Plattform (den Technikern).

Diese Erfahrung hat mir das Grundproblem des E-Learnings vor Augen geführt: Der Zusammenprall von zwei unterschiedlichen Mechanismen. Auf der einen Seite haben wir die Akademiker, die Angst vor Macht- und Autoritätsverlust haben und auf der anderen Seite stehen die Technokraten, die die Antwort auf jede Frage in der Technik zu finden glauben. Diese Technokraten verspüren keinen Drang dazu, zu vermitteln und auf die Bedürfnisse der Geisteswissenschaftler einzugehen. Andererseits stehen die Akademiker sehr konservativ da und stellen sich vielen Veränderungen in den Weg und boykottieren das E-Learning auch gerne.

Worum es eigentlich geht: Wie vermittle ich eine kritische Haltung gegenüber dem Internet?

Aus dieser speziellen Erfahrung heraus denke ich, dass jene E-Learning-Ansätze am erfolgreichsten sind, die die klassische Didaktik unterstützen und sie nicht einfach nur ersetzen wollen. Ich vertraue da auf den Blended Learning-Ansatz: Ein Mix aus verschiedenen Lernumgebungen und Lernwerkzeugen. Dieser Ansatz muss sich natürlich auf das Subjekt beziehen, dass unterrichtet oder lernt.

Tatsächlich ist es sehr dumm, einfach zu denken, dass es jeweils nur einen bestimmen Ansatz geben kann, um Sprachen Philosophie, Physik oder Mathematik zu lernen. Wenn wir diese Perspektive einnehmen würden, dann könnte tatsächlich jedes digitale Medium als Lernwerkzeug genutzt werden. Second Life wäre dann toll, um künstlerische Praktiken besser zu verstehen oder zu zeigen, was flüssige Architektur ist. Skype wäre fantastisch um Sprachen zu praktizieren. Auf GoogleBooks fändest du Bücher, die es in der Heimatbibliothek nicht gibt.

Schlussendlich gibt es also unendlich viele Möglichkeiten, verschiedene Lernbedürfnisse zu befriedigen. Doch worum es doch eigentlich geht: Wir müssen eine kritische Haltung gegenüber diesen Werkzeugen entwickeln. Und das ist die größte Herausforderung für Bildnerinnen und Bildner.

Junge Menschen sollen alle Möglichkeiten, die es im Netz gibt, kennenlernen und gleichzeitig müssen wir eine kritische Herangehensweise bei ihnen stimulieren. Es sollte ein Bewusstsein dafür entstehen, dass die Wahrheit (was immer das auch ist), nicht immer auf der Hand liegt. Wir müssen uns mehr als die erste Ergebnisseite bei Google anschauen, wir müssen verschiedene Quellen vergleichen usw. Denn trotz all dieser modernen Werkzeuge, bleibt das Forschen eine harte und endlose Arbeit.

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