Drei Minuten fuer das Prekariat

Ausgerechnet in der Kastanienallee: Das rosafarbene Plakat >prekaeres Paradies< sticht sofort ins Auge. La précarité est partout – kann das beruhigen? In Prenzlauer Berg vielleicht schon. >Prekaer< bedeutet zunaechst einmal >unsicher<. Der Begriff gewinnt im arbeitsmarktpolitischen Diskurs zunehmend an Bedeutung. Befristete Stellen, Honorartaetigkeiten und schlechtbezahlte McJobs ohne soziale Absicherung gelten neuerdings als >prekaere Beschaeftigungsverhaeltnisse<. Klingt politisch korrekt.

Neben Geringqualifizierten und mittellosen Selbststaendigen, die sich von Gelegenheitsjob zu Gelegenheitsjob hangeln muessen, werden auch Hochschulabsolventen vielfach zum >Prekariat< gezaehlt. Aber machen wir uns nichts vor: Die temporaere Armut nach dem Abschluss kann genauso sexy sein, wie die studentische Armut. Vor allem dann, wenn man sich für kreativ hält, eigene Projekte beginnt und sein >urbanes Pennerdasein< entsprechend zelebriert. Da dreieinhalb Jahre nach dem Studium gerade einmal vier Prozent der Jungakademiker ohne Arbeit sind, also kein Grund, in Panik zu verfallen. Die Zahl stammt aus einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Boeckler-Stiftung und nicht etwa vom konservativen Institut fuer Demoskopie Allensbach.

Isoliert betrachtet, ist die Zahl natuerlich wenig aussagekräftig. Das Problem ist vielschichtiger. Studienrichtung, Branche, Geschlecht und Hintergrund der Eltern wirken sich entscheidend auf Einstiegspfade ins Berufsleben aus. Praktika nach dem Studium oder eigene Projekte werden zu einem Privileg von Mittelschichtskids, die von den Eltern stillschweigend weiteralimentiert werden. Und zwar so, dass es sich im >prekaeren Paradies< in der Kastanienallee ganz gut aushalten laesst. Fuer René Polleschs Inszenierung >Tod eines Praktikanten< in der Volksbuehne im Prater gab es jedenfalls keine Karten mehr. Vielleicht zu Beginn des naechsten Praktikums wieder.

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