iPad am Horizont: Die neuen Grenzen der Verlagswelt

Als Musikbesessener besaß ich schon früh einen iPod, der mir ein treuer Begleiter wurde. Abgesehen davon, darf ich kein Apple-Produkt mein Eigen nennen, trotz iPhone-Hype vor ein paar Jahren. Und jetzt ist das nächste große Ding da, das iPad, ab morgen auch in Deutschland. Die Verlagswelt jubelt schon, soll der Tablet-PC doch endlich den Einstieg ins digitale Geschäft ermöglichen. Ganz so einfach wird es nicht.

Das iPad ist keine Zeitung! Trotz halben Tabloid-Formats ist das Leseverhalten ein anderes. Wie viele Leser freuen sich jeden Donnerstag die ZEIT aus dem Briefkasten zu hieven und dann mit guten Artikeln belohnt zu werden? Das Papier gibt dem gedruckten Wort einen reellen Wert.

Konzentrierte Frustration

Das iPad, bei dem man einfach irgendwo auf “Download” drückt, kann dieses Gefühl nicht geben. Und dem normalen Internetuser, der lieber auf ZEIT.de und SpiegelOnline liest, wird das Papier nicht fehlen, aber er wird auch nicht unbedingt für ein Online-Abo bezahlen.

Der stellvertretende Chefredakteur der ZEIT Moritz-Müller Wirth sprach auf dem Presseball junger Journalisten in Berlin davon, dass das iPad uns wieder konzentrierter lesen lassen wird, weil es nur eine Aufgabe ohne Ablenkung zulässt. Aber will das der Nutzer auch? Durch das Internet wurde man zu einer gewissen Freiheit erzogen. Daran wird auch das iPad nichts ändern. Der eingeengte User wird sich frustriert abwenden.

Apfelhegemonie

Ein Magazin für das iPad sollte also nicht einfach nur wie die Printausgabe sein, sondern mit Videos, Diskussionen und Sharing-Funktionen ergänzt sein und alles ausnutzen, was die Nutzer erfreuen kann. Auch Offenheit und Demokratie spielen eine Rolle. Man sollte Nutzer in das Angebot einschließen. Personalisierte Startseiten, wie etwa Google sie hat, wären eine Idee.

Das iPad dominiert schon jetzt, in den USA, in den Diskussionen und ab morgen wohl auch in Deutschland. Die Verlage werden alles daran setzen, auf den Zug aufzuspringen. Doch das interessiert Apple nicht. Wer auf das iPad will, hat sich an die Vorgaben des Konzerns zu halten. Das musste schon die Musikindustrie schmerzhaft erfahren, als iTunes kam: Ein Song kostet 99 Cent und ein Album rund 10 Euro, ob man wollte oder nicht.

Den Zeitungs- und Buchverlagen droht das gleiche Schicksal. Nur im Verbund könnten sie mit Apple auf Augenhöhe verhandeln. Doch so eine Kooperation ist nicht zu erwarten. So kommt vielleicht bald das böse Erwachen – oder wie war das mit dem Garten Eden und dem Apfel? Während ich das hier geschrieben habe, ist mein Thinkpad kein einziges mal abgestürzt. Und das mit Windows 7.

16 Kommentare zu “iPad am Horizont: Die neuen Grenzen der Verlagswelt

  1. Die Kritik an Apple finde ich gut, dass du Windows benutzt nicht (Ubuntu!). Ich höre allenthalben den Vergleich iTunes/iPad, Musikindustrie/Verlage. Dabei wird vergessen: Digitale Musik ist auf Kopfhörern genauso ok wie analoge Musik. Doch digitale Bücher lassen sich nicht 1:1 übertragen. Das iPad, das ich übrigends auch schon in der hand halten durfte, ist keine Lösung für das Problem. Deswegen sehe ich die Parallele auch nicht, oder?

  2. @Netzprofi, ich habe sogar auch Ubuntu auf meinen Rechner, aber das benutze ich meistens nur zu surfen. Leider kann ich damit nicht so gut arbeiten, weil meine mittlere Maustaste nicht geht. Naja nerdig jetzt hier.
    Bei dem Vergleich zwischen Musik- und Printindustrie ging es mir eher darum aufzuzeigen, dass man nicht einfach Gewinn machen wird, indem man die Produkte zweit-verwertet. Denn 1. diktiert Apple die Preise, 2. bekommt Apple von dem Preis noch ein großes Stück ab und 3. muss sich das eigene Produkt gegen viele andere behaupten. Das wiederum bedeutet Investition in Qualität, was wieder Geld bedeutet, wo dann vielleicht Verlage sich sagen, dass sich das Geschäft mit Apple nicht lohnt. Doch in dem Moment, wo diese Erkenntnis kommt, ist Apple auf dem Verlagsmarkt schon so groß, dass es kaum Alternativen gibt und man muss halt dann in den sauren Apple beissen. Die Parallele ziehe ich eher auf der wirtschaftlichen Ebene und nicht auf der digitalen vs. analogen, weil da gibt es wirklich noch Unterschiede, was ich ja im ersten Teil des Textes beschrieben habe.

  3. und 4. zensiert Apple Inhalte, bei Apps und sicher auch bei anderen Downloads wie Zeitungen.
    Das beschränkt sich zur Zeit noch auf den amerikanischen Begriff von Moral, aber vielleicht irgendwann auch auf das was Steve Jobs und Co. für die richtige Politk halten?
    Und spätestens wenn es nicht mehr nur um das Nacktbild auf Seite 1 der BLÖD geht, sollte man auch überlegen ob man einen Vertrieb will, der sich überall einmischt und vor allem die Pressefreiheit beschneidet.

    Dazu gibt es in der ZDF-Mediathek einen guten Beitrag im Auslandsjournal:
    http://auslandsjournal.zdf.de/ZDFde/inhalt/0/0,1872,8074784,00.html?dr=1

  4. Hinsichtlich der Tatsache, dass Verlage bereits Apps für’s iPhone anbieten (die nur auf diesem Gerät genutzt werden können), halte ich es schon für möglich, dass es bald auch Applikationen für’s iPad gibt… vielleicht ziehen die Verlage doch eher mit, als sich diesen Markt entgehen zu lassen?

  5. Die Berliner Gazette analysiert den iPad-Hype – klasse! Dachte ich mir erst, als ich mir von dem Artikel noch mehr erhofft hatte. Leider kratzt er bestenfalls an der Oberfläche.

    >> Keine Zeitung, kein Computer
    Sicher ist das iPad keine Zeitung. Das Feeling des Zeitungsaufklappens geht verloren, das Haptische, das Rascheln des Papiers in der Hand… alles schon Hundert mal gelesen. Das ist ein nostalgisches Argument, ein technikpessimistisches Argument. Das iPad ist auch kein Computer. Soweit, so gut. Viel schlauer ist der geneigte Leser jetzt nicht, sehr viel mehr hat uns der Artikel bislang nicht verraten. Das iPad ist irgendwo dazwischen, es ermöglicht neue innovative Medienformate, eine neue Ansprache des Konsumenten, eine konsequente weitere Verschmelzung audiovisueller und gedruckter Medien. Und wie können solche neuen Medienformate nun genau aussehen? Wo sind denn die Best-Practise-Beispiele, wo sind die Visionen? Eine personalisierte Start-Seite wie bei Google wäre ein Ansatz, heißt es im Artikel. Wie revolutionär. Wer im Bundesvorstand der Jugendpresse Deutschland sitzt sollte doch nah genug dran sein an einer jungen Zielgruppe, an jungen Nachwuchs-Medienmachern, um sich mit Prognosen mal aus dem Fenster lehnen zu können. Stattdessen lese ich nur das übliche Blabla, das jede beliebige Lokalzeitung über das iPad schreibt.

    >> Das iPad und die Verlage
    „Die Verlage werden alles daran setzen, auf den Zug aufzuspringen. Aber das interessiert Apple nicht.“ Hä? Natürlich interessiert das Apple. Genau das will Apple doch erreichen: Eine attraktive Verwertungsplattform zu schaffen, damit die Verlage unter allen Bedingungen auf den Zug aufspringen wollen. Weil Apple daran interessiert ist, Geld zu verdienen. Als börsennotiertes Unternehmen (übrigens neuerdings wertvoller als Microsoft) ist es eine systemimmanente Aufgabe von Apple, Geld zu verdienen. Ob das Geld vom User kommt oder vom Verlag oder von beiden, ist da zweitrangig. Und nur deshalb, weil Apple sich eben sehr wohl für die Resonanz der Verlage interessiert, kann das Unternehmen ja überhaupt so rigide Vorgaben setzen und dennoch darauf vertrauen, dass die Verlage mitspielen.

    >> Mee too Produkte
    Völlig außer acht lässt der Artikel leider die vielen zu erwartenden Mee too Produkte. So war das schon häufig bei Apple: Das Unternehmen setzt einen Trend und beeinflusst damit nicht nur direkt, sondern viel mehr indirekt den Markt. Es wird zahlreiche iPad-Klone geben die im Gesamten das Lese- und Rezeptionsverhalten einer ganzen Generation auf den Kopf stellen könnten. Das sind dann viele Beinahe-iPads, die vom Handling her ähnlich daherkommen, aber vielleicht mit einem anderen Verwertungsmodell arbeiten. In diesen Visionen sind noch zahlreiche Variablen drin. So einfach und banal wie in dem Artikel „Die neuen Grenzen der Verlagswelt“ lässt sich das iPad und sein Hype eben nicht analysieren. Da hätte ich mir mehr Tiefgang gewünscht.

  6. @Michael Metzger: 1. “Technikpessimismus” ist eine noble Tradition, und nicht nur Zukunftsfeindliches Gekvetsche. (Futurismusfeindlich, das schon.)
    2. Bei der iTunes-Einführung hat es Apple in der Tat nicht interessiert, was die Musikfirmen wollten. Die Preise wurden in der Tat von Apple festgelegt, ohne dass die Musikkonzerne irgendetwas dazu beigetragen hätten. Das ging soweit, dass nach der Einführung die Preise sogar nach unten geschraubt wurden, ohne dass die Firmen dem zugestimmt hätten.
    3. Das hier ist vielleicht nicht der angemessene Ort für JP-interne Tritte. Danke.

  7. Hallo Michael,

    vielen Dank für die Anregungen. Denn genau das soll ja ein grundlegender Artikel schaffen, dass darüber diskutiert wird.

    Ich auf keinem Fall ein krasser Technikpessimist, eher will ich bei neuen Erfindungen mir immer die Frage stellen: “wohin kann das führen?”. Davon handelt ja auch mein Text, dass Verlage nicht reflexartig auf den iPad-Hype anspringen sollten, ohne zu überlegen, was das iPad (oder auch andere Tablets sind) und von wem sie kommen. Zum Beispiel sieht man schon jetzt, dass sich der Spiegel wohl gute Gedanken zur Umsetzung auf einem iPad macht, der Focus (nur die Online-Seite) und BrandEins (Kopie der Printausgabe) vielleicht noch nicht.
    Zudem, das hat auch Fabian schon angesprochen interessiert es Apple wirklich nicht, was Verlage denken oder wollen und auch du als Freier Journalist solltest doch daran interessiert sein, dass ein Artikel von dir angemessen bezahlt wird und dir dein Verlag nicht sagt: “Sorry, aber wir können den Artikel nicht teurer auf dem iPad verkaufen, also bekommst du auch nicht mehr Geld”

    Zudem meinte ich mit einer personalisierten Seite auch dass der Nutzer entscheiden sollte, was ihn interessiert und auch nur dafür bezahlen sollte. Ich lese eigentlich nie den “Reisen”-Teil in der ZEIT und könnte auch darauf verzichten, aber bezahle es mit. In anderen Magazinen lese ich sehr gerne nur einen Artikel oder eine Kolumne, warum kann ich nicht nur dafür bezahlen. Das iPad könnte dafür eine Möglichkeit sein, aber auch das sehe ich bisher noch bei keinem Verlag so richtig in Betracht gezogen.

    Zudem finde ich den Vorwurf ein bisschen schade, dass ich nicht nahe an der Zielgruppe dran bin. Diesen Anspruch habe ich auch nicht erhoben, sondern hier nur meine Gedanken und meine Wünsche geäußert und auch diese sehe ich nicht auf dem Lokaljournalistischen Niveau (wo ich auch nicht genau weiß, warum Lokaljournalismus per se schlecht ist), sondern gehen weiter, aber ich wollte hier eine Diskussion haben und nicht über drei Seiten einen persönlichen Wunschzettel schreiben, den außer mir keiner liest.

    Eine Frage die ich mir zum Beispiel auch stellen, wie es bei dem iPad mit der Produktion von Inhalten aussieht? Denn bisher habe ich noch keine so guten Kritiken über die Tastatur gehört oder den Import von Bildern – Jeff Jarvis soll sogar deswegen sein iPad zurückgegeben haben. Es wäre doch aber schade, wenn ich auf dem iPad nicht so einen langen Kommentar wie diesen hier (vielen Dank an der Stelle wer bis hierhin durchgehalten hat ;) schreiben könnte. Oder?

  8. Mit zunehmender Länge werden Diskussionen immer komplexer, so auch diese hier. Einen Aspekt würde ich dennoch gerne rausgreifen, weil ich ihn spannend finde: Die Entlohnung der Journalisten vs. Die Freiheit des Lesers.

    Auf der einen Seite wurde hier gefordert, dass Journalisten doch angemessen entlohnt werden sollten, das Apple keine Dumping-Preise garantieren darf etc. Als Medienmacher stimme ich dem zu, als Konsument hingegen freue ich mich egoistischerweise natürlich über niedrige Preise, schließlich spart der Verlag ja auch an Distributionskosten (okay, dafür hat ihn die Entwicklung einer App Geld gekostet, aber das ist ne Zukunftsinvestition). Die Forderung nach einer angemessenen Entlohnung von Journalisten zu koppeln an eine größere Individualfreiheit des Lesers, halte ich hingegen für widersprüchlich: Medienhäuser, und somit auch Journalisten, verdienen ja damit ihr Geld, dass sie jedem Leser den selben Inhalt liefern. Wenn drei Viertel aller Leser nur den Sport-Teil einer Zeitung gut finden, subventionieren sie damit aber trotzdem die wenigen Kulturjournalisten eines Blattes, die eigenständig vielleicht gar nicht überleben könnten. Qualität hat ihren Preis, ja gut, aber was, wenn ein Großteil der Leser nicht bereit ist diesen Preis zu zahlen? Darüber hinaus halte ich es für eine gesellschaftsstabilisierende Funktion eines Medienhauses, einen gewissen “Wissenskanon” zu definieren, als Diskussionsgrundlage auf die sich jeder berufen kann. Auch der Sportfan bekommt so gezwungenermaßen mit, was grade in der Politik los ist, eben weil er den Politikteil nicht einfach “abwählen” kann. Vielleicht schreibe ich an anderer Stelle noch mal ausführlich über diese Problematik.

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