Die neue Spiessigkeit

Es gab Zeiten, da waren die Parteitage der Gruenen noch so richtig witzig anzuschauen. Da sassen langhaarige Gestalten in Stadthallen. Vernunft und Oekologie gepachtet, tranken die maennlichen Wesen Mate-Tee, waehrend die weiblichen Pullies aus selbst gefaerbter Wolle strickten. Da die Kleinsten mit vielen anderen Kleinsten unter den Tischen spielen konnten, war der Familienausflug perfekt. Nur von Zeit zu Zeit wurde der Gewaltfreiheit abgeschworen und es flogen aus Gewissensfreiheit Farbbeutel gegen den Krieg.

Inzwischen sind nicht nur die Haare kuerzer. Auch die Slogans: >Aus der Krise hilft nur Gruen!< Die Assoziation zu einem Politiker, der forderte: >Gebt das Hanf frei< draengt sich bei den phsychodelischen Siebdrucken schon irgendwie auf. Oder: >Jobs, Jobs, Jobs!< Das versteht auch Betonbauer Bodo – ohne VHS-Englisch. Da verspricht bizarrerweise genau die Partei mehr Arbeitsplaetze, die einstmals die vollstaendige Deindustrialisierung dieser Republik forderte. Seltsamer Wandel. Doch Gruen muss Mensch sich heute erst einmal leisten koennen. Die meisten Waehler - mit Volvo Kombi, Zweisitzigem Kinderwagen und Bausparvertrag - haben die Einstmals-Spontis gegen die FDP zu verteidigen. Nur ein einsamer Kaempfer steht noch zum Steinzeit-Gruenismus. Auf dem Wahlplakat stapft sein Comic-Alter-Ego der jubelnden Masse voran. Auf der Regenbogenflagge, die er zum Huegel traegt, steht: >Finanzmaerkte Entwaffnen<. Hans-Christian Stroebele sieht dabei aus wie ein unerschrockener Einzelkaempfer im Einsatz gegen boese Wirtschaftsterroristen. Dem Friedrichshain-Kreuzberger Jagdkommando voran. Die Szene abgekupfert aus >Letters from Iwoyima<. Das ist heroisch. Solche Helden braucht das Land, welches in Afghanistan unerschrocken humanitaere Hilfe, auch aus der Luft, leistet. Da soll noch einmal jemand behaupten, die linke gruene Basis sei immer noch nicht in der Realpolitik der Kriegseinsaetze angekommen.

Ein Kommentar zu “Die neue Spiessigkeit

  1. Grundsätzlich volle Zustimmung, einzig so neu ist diese Spießigkeit ja nicht: Spätestens mit Eintritt in die Regierung Schröder vor 11 Jahren, wurden die Grünen zu dem was sie auch heute sind, eine FDP im moderneren Antlitz! Besserverdienende Akademiker mit liberalen Bürgerrechtsgedanken sind deren Wähler. Alle Eso-Freaks, Makrobiotiker, Trotzkisten und Hippies sind schon lange zu den anderen Splittergruppierungen übergelaufen, da das Tun einer Regierungspartei natürlich niemals mit der elitären Abgrenzungshaltung sehr spezieller Menschengruppen kommodiert!

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