Die Baeren kommen

Das Meer glitzert in der Morgensonne. Die Wellen brechen sich, weisser Schaum saeumt ihre Raender. Postkartenfarben. Sanft setzt ein Technobeat ein. Sommer! Uno, dos, tres, cuatro. Vier durchtrainierte Maenner entsteigen dem Meer, nur ihre Silhouetten sind zu erkennen. Der Beat wird schneller. Schnitt. Wir sehen die vier Typen tanzen. Sie tragen pastellfarbene Poloshirts zu weissen Hosen. Ihre Tanzschritte sind synchron und sehr einfach. Ach, nur irgendein Boygroup-Video. Das stimmt, doch oh Schreck, diese Boygroup besteht aus echten Maennern und sie haben echte Haare – ueberall.

Bearforce1 haben alles, was eine Boyband braucht: Billige Technobeats aus der Konserve, einen Bandnamen, der sich aus Buchstaben und Zahlen zusammensetzt, einen ausgekluegelten Tanzstil und: Sie wirken irgendwie schwul. Halt! Nein, sie sind tatsaechlich schwul. Bearforce1 nennen sie sich, weil sie im Typenkategorierungssystem homosexueller Maenner als Baeren bezeichnet werden. Gross, kraeftig, haarig. Die vier Jungs feiern derzeit grosse Erfolge auf YouTube und touren durch die Welt. Ist das Konzept Boyband jetzt vielleicht endlich erwachsen geworden?

Ist es heute legitim, wenn die Mitglieder einer Boygroup eine Sexualitaet haben und sich nicht rasieren muessen? Auf den ersten Blick koennten Bearforce1 fuer eine Emanzipation des Boygroup-Konzepts herhalten. Auf den zweiten Blick wird klar: Alles bleibt beim Alten. Bearforce1 uebertragen die Idee einfach auf einen schwulen Kontext. Sie sind aalglatt und homogen. Sie lassen keine Ironie zu, spielen nicht mit gaengigen Gender-Vorstellungen, sondern sind einfach eine schwule Boyband. Eine kleine Revolution ist vielleicht, dass Frontmann Robert schon weit ueber 30 Jahre alt zu sein scheint. Den Jugendwahn haben sie aus der Boyband-Welt also nicht uebernommen.

11 Kommentare zu “Die Baeren kommen

  1. neulich war ich in der kirche: ich glaube, der pastor war auch ein baer und weit ueber 30. will sagen: vielleicht steht diese band fuer weitaus mehr als die uebertragung des konzepts boyband auf den kontext “schwul” – vielleicht steht sie fuer eine unsichtbare strömung des abendlands, der man sich nun nicht mehr entziehen kann: jetzt, da man via diesen artikel diese band kennt und weiss was baeren sind, naemlich behaarte schwule maenner, jetzt findet man selbst in der kirche nicht mehr seinen frieden, sondern hoert das “uno dos tres” des christentums aus dem schweiss der betenden perlen. wer sich selbst schützen will, sollte ein aufnahmegerät dabei haben.

  2. Ich weiß nicht: Deutschland sucht den Superstar in der Kirche? Bzw.: Deutschland sucht den schwulen Superstar in der Kirche? Brauchen wir das wirklich?

  3. @olaf b: ja, das brauchen wir. nie war ich mir sicherer. es koennte ein ruck durch deutschland gehen!

  4. @samson: ich finde, dass es zeit wird, ein bisschen mehr aufzubieten, als einfach nur die “unsichtbare kehrseite des abendlands”. entschuldigung, aber die entlädt sich auch von selbst. schauen wir uns prince an: der man wird gerade 50 und hat schon vor 20 jahren dieses “mehr” aufgeboten. peaches hat seine leistungen in der letzten spex in ganz passierlicher weise gewürdigt.

  5. Hehehehe, Magdalena…ganz großartig! Du hast meinen Tag gerettet…Bearforce1! Wenn man weitersucht findet man im Netz den gesamten theoretischen Überbau dieser Bewegung. Ich weiß zwar nicht, ob damit Kirche, gesellschaft und Staat von innen heraus reformiert werden können, aber zumindest weiß ich nun, warum mich manche Männer in der U-bahn nach meinem Sport, 2o Minuten lang verliebt anstarren. Hehe, famos!

  6. @JO: “Wenn man weitersucht findet man im Netz den gesamten theoretischen Überbau dieser Bewegung.”

    was meinen sie damit prof. offer? beziehen sie sich auf eine seite oder auf links, netzwerke oder oae?

  7. @samson: Irgendwie werde ich den Verdacht einer persönlichen Bekanntschaft nicht los…aber sei es drum: Nein, auf Otoakustische Emissionen beziehe ich mich nicht. Aber im Kontext des entsprechenden Youtube Videos findet man etliche fast dokumentarische Erklärungsansätze Richtung “Bearism”..zum Beispiel: http://nl.youtube.com/watch?v=SlMTVPIyDoM&feature=related Hoffe doch damit selbst einem ausgewiesenen Experten in Sachen menschlichen Ursidae geholfen zu haben…

  8. Mann kann Dank Euch auch mitreden. So steht Mann wenigstens nicht im Abseits und sieht blöd aus der Wäsche, wenn irgendjemand wieder erzählt, dass der bear los ist.
    In diesem Sinne, weiter so
    ein nunmehr Aufgeklärter

  9. @JO: prof. offer – so darf ich sie doch nennen, oder? – vielen danken für die informationen, ich glaube es hilft nicht nur mir weiter.

  10. Na, zur Not habilitiere ich doch schnell, wenns denn die Leserschaft beruhigt. Ist zwar mit meinem Kunsthochschulstudium schwer möglich, aber wofür gibts denn diese “diploma mills” in den USA oder der Schweiz?

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