Die 68er und wir

Ein furchteinfloessender gruener gepanzerter Wagen, versehen mit zwei Wasserwerfern, steht vor dem Amerika Haus am Zooligischen Garten in Berlin. Hier findet noch bis Ende Mai die Austellung >68 – Brennpunkt Berlin< der Bundeszentrale fuer politische Bildung statt. Man hat die Moeglichkeit sich via Videoinstallation ueber damalige Demonstrationen aufklaeren zu lassen oder auch mal die persoenliche Fanpost von Rudi Dutschke zu lesen.

In diesem Rahmen fand am gestrigen Abend unter dem Titel >Wir-Maschine ’68< eine Podiumsdiskussion ueber Generation und Gemeinschaft statt. Krystian Woznicki, der die Diskussion moderierte, fragte die Referenten Antje Majewski, Kolja Mensing und Ulrike Vedder, wie ihnen das Ereignis, das sie selber nicht direkt erlebten, vermittelt wurde. Antje Majewski, Jahrgang 68, umriss kurz, wie sie den antiautoritaeren Kinderladen im laendlichen Tuebingen erlebte. Doch nicht ueberall auf dem Lande hatte die Bewegung solchen Einfluss. Kolja Mensing erinnert sich jedoch daran, dass es zum ersten Mal selbstverwaltete Jugendzentren gab und stellte fest, dass es der erste gesellschaftliche Umbruch war, den man im Fernsehen [auch noch Jahre spaeter] miterleben konnte. Wenn Ulrike Vedder sich in ihre Schulzeit zurueckversetzte, erzaehlte sie von langhaarigen Lehrern, bei denen man >nicht schlechter als 3 stehen konnte< und dass die Schueler die zwei Klassen ueber ihr waren, noch Ohrfeigen bekamen. Auf der Buehne waren sich alle einig: 68 ist eine Erfolgsgeschichte, an der sie via Medien beteiligt waren. Und noch immer beteiligt sind. Also kann man auch dazugehoeren, wenn man nur mittelbar dabei gewesen ist? Und ist heute nicht ohnehin alles medial vermittelt, wie der Moderator fragte, vom Kuss bis zum Umsturz? Dennoch - und das war wohl die Erkenntnis des Abends - fuehlt man sich nicht zu jeder Sache zugehoerig. Die Referenten verband, dass sie sich der >Generation Golf<, der sie vielleicht vom Geburtsjahr her angehoeren, nicht zugehoerig fuehlen. Am Ende wuenschte sich Ulrike Vedder, dass Generation- und Gemeinschaftsbildungen nicht immer ueber den Ausschluss anderer funktionieren, sondern sich flexibler gestalten. Mensing blickte in die Zukunft und fragte sich, ob man wohl in 20 Jahren bessere Labels und Konzepte fuer die Generation als Erlebnis- und Erfahrungsgemeinschaft finden wird. Bilder des Abends hier.

3 Kommentare zu “Die 68er und wir

  1. Ein Punkt, den wir weiterhin im Blick behalten sollten: In einer massenmedialen Gesellschaft wird man via Medien an einer sehr großen Anzahl von Ereignissen beteiligt. Was am anderen Ende der Welt passiert, kann potenziell zu einem einschneidenden Erlebnis werden, das eine Generation prägt – die Generation als Erlebnis- und Erfahrungsgemeinschaft. Bemerkenswert ist das Überangebot an solchen Erlebnissen, dass im Hinblick auf Quantität korrespondiert mit einem Überangebot an Generationen-Labels, vielleicht kein Zufall. Dieses Überangebot sollten wir zur Diskussion stellen: Wie verändert/formatiert/programmiert/konditioniert es Gemeinschaftsstiftung?

  2. @Michael: Mich interessiert in Hinblick auf den Abend eine Frage, die vielleicht nur tangiert wurde. Aber was ist eigentlich das “Gemeinsame” von 1968? Ist es die Politisierung? – Doch warum gab es dann nach 68 kein neues 68 mehr? Was sind die Überschneidungen der Bewegung im internationalen Diskurs gewesen?

    @Krystian: Ich kann mit dir nicht ganz übereinstimmen. Es gibt vielleicht ein Überangebot an medialer Repräsentation aber gibt es damit auch gleichermaßen ein Überangebot an Erlebnissen, die sinn- und gemeinschaftsstiftend sein können?

  3. Also, für mich funktioniert dieser Genrationen-Begriff von vorne bis hinten nicht, ob nun 68er, Generation Golf, Generation Vokuhila oder Generation linksdrehende Joghurtkulturen. Ich zum Beispiel bin lange, lange nach diesen Leuten mit Kinderladen-Erfahrung geboren, meine Eltern aber sind im Grunde als “Kriegskinder”-Generation (auch so eine Zuschreibung, die an dem Abend, wenn auch nicht unkritisch, fiel) zu alt, um 68er zu sein. Die langhaarigen Lehrer waren bei mir also schon die Ewig-Gestrigen und meine Eltern verstanden sich keinesfalls als noch gestriger, sondern waren aus ihrer Sicht froh, dass der Spuk langsam vorbei zu sein schien. Solche Generationenfolgen sind also schon mal auf keinen Fall linear, weder in sich, und in Korrelation mit den anderen “Generationen” schon gar nicht.

    Für mich muss also dieses ganze, mittlerweile inflationäre und sich damit soweiso selbst ad absurdum führende Konzept der Generationen weg. Das erscheint mir viel zu kategorial.

    Insofern ist “das Gemeinsame” da auch nicht zu bestimmen, der Generationenbegriff ist da viel zu groß, einen solchen gemeinsamen Nenner kann man nicht finden.

    Insofern glaube ich schon, dass das Überangebot der medialen Partizipationsmöglichkeiten noch mehr zersplittert und natürlich auch mehrere synchrone Generationstrends provoziert. Gnerationen gehören vom Wortsinn aber schon diachron. Also wird da ein Begriff bemüht und überstrapaziert, der einfach nicht funktionieren kann. Das ist nicht “Generation Nintendo”. Das ist “Trend Nintendospielen”. Trends kann es so viele gleichzeitig geben, wie noch genug Leute sich zu für einen einzelnen finden. Aber nicht Generationen.

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