Der Club als soziale Utopie

Clubs sind vor allem Raeume, in denen mehrere Linien, divergente Linien, aufeinandertreffen und sich zueinander verhalten. Seine Oertlichkeit, seine visuelle Gestaltung, die Musik, die den Raum bewohnt, ebenso wie die Leute, die ihn betreiben und besuchen – alle diese Einheiten und noch vieles mehr [Lage, Preispolitik, Tuerpolitik, Lieblingsdrogen, Getraenkeangebot, Oeffnungszeiten usw.] bilden zusammen ihren Gegenstand: den Club.

Genau aus diesem uebergreifenden Grund sollte man Club auch mit >C< schreiben und nicht mit >K<. Der Club ist im besten Falle der Ort fuer ein uebergreifendes Gemeinschaftsprojekt, ein Projekt, das nur fuer den kurzen Moment eines Abends errichtet wird und sich quer durch die Identitaeten und Einheiten, die an ihm beteiligt sind, hindurch Gemeinsamkeiten sucht. Die englische und franzoesische Sprachueberschreitung von >Club< steht ihm deshalb gut. Er ist kein deutsches und auch kein Berliner Phaenomen, auch wenn er in den vielen leerstehenden Raeumen dieser Stadt ohne Sperrstunde mehr Moeglichkeiten hat, als in anderen hundsteuren und gut bewachten Innenstaedten. Und genau weil ich mit denen nicht zufrieden war, interessierte ich mich fuer Clubs. Der Club ist bestimmt nicht per se revolutionaer - man ist nie automatisch auf der richtigen Seite - aber ihm wohnt hier qua seiner fragilen Struktur, an der so viele Einheiten beteiligt sind, eine spezifische Fragilitaet, eine Instabiltitaet inne, die ihn auszeichnet und zu etwas besonderem macht. Man sollte sich nicht taeuschen: Dieser abgeschlossenen Einheit Club gelingt es in bestimmten Augenblicken, der Welt da draussen einen sehr eigenen, konzentrierten Moment entgegenzusetzen: soziale Utopie. Eine soziale Utopie war der Club mit Sicherheit am deutlichsten zu der Zeit, als er noch nicht definiert war. Tatsaechlich hat ja elektronische Musik, jene Musik, die in den Neunzigern aus der Disco den Club machte, zunaechst rein als Moment stattgefunden, als Party, bevor sie sich dauerhaftere Strukturen wie den Club schaffte. Mittlerweile haben sich die Strukturen gefestigt, die Clubkultur hat sich etabliert. Natuerlich haben sich damit Hierarchien eingeschrieben - beispielsweise dass der DJ als Kuenstler behandelt wird, die Visual-Leute eher als Designer unter ferner liefen und das Barpersonal ganz der Infrastruktur zugerechnet wird und keinen Platz auf dem Flyer bekommt - geschweige denn der verlaessliche Lieblingsdealer. Gleichzeitig ist die Etablierung, die mit solchen Hierarchisierungen einhergeht, fuer die Clubkultur wichtig gewesen. Man muss immer auf Strukturen zurueckgreifen, um sie gegebenfalls umstellen zu koennen. Die dringlichste Aufgabe eines Club-Soziologen ist das Ausgehen. Das Wissen, das er dabei kultiviert ist nicht nur ein fluechtiges, sondern auch ein fragiles. Dieses Wissen in die falsche Welt zu tragen, kann auch immer Verrat bedeuten. So ist das.

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