Ich liebe Wasser. In jeder Form. Immer wieder gibt es Augenblicke in meinem Leben, da muss ich einfach ans Meer. Es ist die Weite, nach der ich mich sehne, der Blick in die Unendlichkeit. Schwimmen gelernt habe ich in Kaernten. Wir haben die Sommerferien auf einem Bauernhof verbracht. Das Wasser im Schwimmbad dort war kalt und frisch und ist mir oft in Nase und Mund gelaufen. Ein strenger Bademeister stand am Rand, gab Kommandos. Und zum ersten Mal in meinem Leben war ich richtig stolz, als meine Mutter mir den Freischwimmer auf meinen gruengebluemten Frotteebadeanzug naehte.
Schwimmen ist bis heute, eines der Dinge, die ich am liebsten tue. Dabei kann ich ueber alles Wesentliche und Unwesentliche nachdenken, und ein Problem scheint sich im Wasser immer leichter loesen zu lassen, als auf dem Trockenen. Als wir vor einem Jahr aus Neuseeland zurueckkamen, waren wir voll mit Wasserbildern und Toenen. Wir – mein Mann, unsere drei Kinder und ich – haben vier Monate viele Stunden am Meer verbracht, haben den Fluessen und Seen zugehoert und zugeschaut.
>Warum ist das Schauspiel des Meeres so unendlich und ewig angenehm?< fragt Charles Baudelaire. Und gibt auch gleich die Antwort: >Weil das Meer zugleich die Idee der Unermesslichkeit und der Bewegung verkoerpert. Sechsunddreissig oder zweiundvierzig Meilen Fluessigkeit in Bewegung genuegen, um dem Menschen die hoechste Schoenheit zu vermitteln, der er bei seinem fluechtigen Aufenthalt begegnen kann.< Texte wie diesen habe ich waehrend unserer Wasserzeit gesucht und fuer die CD >WASSER lesen< gesprochen. Texte aus zweieinhalb Jahrtausenden. Sie erzaehlen von sinnlichen Eindruecken und Erfahrungen mit dem wichtigsten Element unseres Lebens: Von Fluessen, Seen und Meeren, von der Weisheit des Wassers und von seinen Raetseln. Und davon, wie kostbar es ist. Sie entstand parallel zur audiovisuellen Rauminstallation PLACES_IN_TIME | lake > creek > ocean meines Mannes. Drei Filme in denen Wasser die Hauptrolle spielt. Ein See bei Sonnenaufgang mit dem morgendlichen Konzert der Wasservoegel [>lake<]; ein plaetschernder Bach im Regenwald [>creek<] und eine Brandung am Meeresstrand [>ocean<]. Jede Arbeit besteht aus einer einzigen 45-minuetigen statischen Kameraeinstellung und Synchronton, der in 5.1 Surround Sound wiedergegeben wird. Ohne Schnitte, ohne Blenden. Es gibt keine Handlung und keine Geschichte. Nur Ort und Zeit. Und Wasser. Ich liebe Wasser. Nicht zuletzt auch deshalb, weil es Menschen immer wieder zu Texten inspiriert hat. Die Besten weisen ueber das Wasser hinaus. Zum Beispiel Victor Hugo in >Die Arbeiter des Meeres<: >Versuchen wir uns eine Vorstellung von diesem Chaos zu verschaffen, das den gewaltigen Raum unterhalb des Meeresspiegels einnimmt. Es ist das universelle Gefaess, das Reservoir fuer die Befruchtungen, der Schmelztiegel fuer die Verwandlungen. Erst sammelt es, dann zerstreut es; erst lagert es ein, dann saet es aus; erst verschlingt es, dann erschafft es. Es nimmt alle Abwaesser der Erde auf, ein universelles Sammelbecken. In der Eisbank ist es fest, in der Woge fluessig, in der Wolke gasfoermig, im Wind unsichtbar, in der elektrischen Ausstroemung unfassbar. Als Materie ist es Masse und als Kraft ist es Abstraktion. Es gleicht die Phaenomene aus und verquickt sie. Es vereinfacht sich durch Unendlichkeit von Kombinationen. Kraft der Vermengung und Verwirrung gelangt es zur Transparenz.<