Wie viele Laender gibt es auf der Welt? In meiner Kindheit und Jugend war dies eine elektrisierende Frage. Ich wollte auch wissen, wie die Hauptstaedte heissen. Heute dagegen frage ich mich: Wie klingt die Welt? Oder auch: Welche Laender konstituieren den Klang der Welt?
Eine moegliche Antwort: Brasilien, Neuseeland, Pakistan, Rumaenien – diese Laender wurden auf Worldtronics 2008 akustisch amplifiziert. Eines vorweg: Es gab keine Nationalhymnen und auch keine Soundtracks von staatlichen Airlines zu hoeren. Eher das Gegenteil. Sagen wir: Dekonstruktionen des politischen und touristischen Klangkoerpers namens Nation. Noise, Post-Rock und Techno aus unverhofften Winkeln des globalen Staatenpanoramas.
Ich habe bereits letztes Jahr darueber reflektiert, dass Worldtronics eine Neubestimmung des Begriffs Weltmusik unternimmt. Die exotisch anmutenden Laenderkonstellationen, die Kurator Detelf Diederichsen zu diesem Zwecke aussucht, verfuehren dazu, als Anordnungen von Lautsprechern wahrgenommen zu werden. Der Sound, der diesen Lautsprechern waehrend des fuenftaegigen Festivals entstroemt, erscheint entsprechend als das musikalische Rauschen der Welt. Das Nebeneinander und die Gleichzeitigkeit der Toene, die sich von Tag zu Tag ueberlagern, laesst hervortreten, was die Welt klanglich teilt also das, was sie als gleichzeitig verbindende und spaltende Schwingung erfuellt.
Dieses Gemeinsame der Welt, der Name des Festivals sagt es, ist das Elektronische. Jedoch nicht im Sinne des Lables Elektronische Musik. Nein, hier geht es nicht nur um alle Erzeugnisse, die Techno in den 1990er Jahren moeglich gemacht haben und die daraus hervorgegangen sind. Sondern um Musik, die elektronisch-digital verstaerkt wird und sich auf diese Weise einerseits aus praemodernen Verankerungen loest und andererseits translokal, transnational anschlussfaehig wird. Das Elektronische schafft jene unsichtbaren und bisweilen auch kaum hoerbaren Naehte, die die Musik der Welt zusammenhaelt. Auf diese Weise vermag es, um Dietmar Dath zu paraphrasieren, >die fundamentalen Strukturen des raumzeitlichen Erlebens explizit zu machen<.
Ein Kommentar zu “Die elektronische Naht”