Spaetestens seitdem Charlotte Roche vor einigen Jahren in einer Werbung fuer den Musiksender VIVA forderte, man solle sein Leben radikalisieren, ist klar: das Attribut radikal muss neu bestimmt werden. Was also bedeutet es heute, radikal zu sein? Als Inspirationsquelle koennte die Verso-Buchreihe >Radical Thinkers< dienen. Hier wird ein neuer Kanon der Theorie zusammengestellt, der im Zeichen des Radikalen steht. Das Programm ist international, besonders nennenswert scheinen mir jedoch die Texte jener, deren Gedanken nicht erst ins Englische uebersetzt werden mussten: Soeben erschienen Schriften von Simon Critchley, Terry Eagelton und Fredric Jameson.
Der juengste Zyklus dieser Reihe fokussiert Re-Lektueren und Neuverortungen der Vergangenheit, speziell jene, die im Zuge des Modernismus den Blick auf das freigelegt haben, was das radikale Denken heute noch in petto hat. Ueber allem schweben hier die Kuenste, zumal in diesem Jahr das Manifesto del futurismo [das futuristische Manifest] seinen hundertsten Geburtstag feiert: Es war im Jahre 1909, als Filippo Tommaso Marinetti mit diesem Manifest die bis heute ueberaus einflussreiche Kunstbewegung des Futurismus begruendete. Sein erster Grundsatz: >Wir wollen die Liebe zur Gefahr besingen, die Vertrautheit mit Energie und Verwegenheit.< Was also bedeutet es heute, radikal zu sein? Was bedeutet es heute, radikal zu denken? >Radical Thinkers< legt folgendes nahe: Es geht um ein Denken, das sich nicht einrichtet in Gewissheiten. Wohlfuehlen, Entspannen, Kuscheln – diese Losungen stehen auf der schwarzen Liste. Denn es geht um die Erfahrung dessen, was hinter den Schutzwaellen der Gesellschaft und ihren Institutionen liegt: Spannungen, Unwaegbarkeiten, Fremde. Radikales Denken hat das Ungedachte und vermeintlich Undenkbare im Blick. Es hat und macht Mut, den Verfuehrungen und Versprechungen des Komforts zu entsagen. Dort, wo es unbequem wird, gilt es einen Boxenstopp einzulegen. So laesst es sich radikal leben.
Interessanter Ansatz…wundert mich nur, das hier noch keinerlei politisch überkorrekte Ermahnung aufkam, wegen der nun mal prägnanten Linie Marinetti-Futurismus-Faschismus-Mussolini—-ff.etc.pp….um so besser, das Wetter macht sicher träge…
Aber Kuscheln kann auch radikal sein!
faschismus…da haben sich viele intellektuelle die hände schmutzig gemacht… aber darf man dann nicht fragen, was deren werk sonst noch so für uns in peto hat?
Hallo Ihr kuschelradikalen Stadtberliner,
wäre nicht dies auch radikal?: “Und wer Herr einer bisher freien Stadt wird und sie nicht vernichtet, mag darauf gefaßt sein, von ihr vernichtet zu werden”(Machiavelli). Ich würde schon mal mit dem Boxenstopp beginnen.