Widerstand gegen die technofaschistische Übernahme: Sind wir bereit für die Decomputerisierung?

Doge Dystopia Protests by Colnate Group, 2025 (cc by nc)
Doge Dystopia Protests by Colnate Group, 2025 (cc by nc)

Da unsere derzeitigen gesellschaftspolitischen Strukturen auf Zentralisierung und Abstraktion basieren, sind sie anfällig dafür, durch KI ersetzt zu werden. Dies zeigt sich nicht nur am Beispiel des von der zweiten Trump-Regierung ins Leben gerufenen Department of Government Efficiency (DOGE), sondern auch an vielen weniger bekannten Beispielen auf der ganzen Welt, darunter auch in Europa. Dan McQuillan erkennt, dass unsere Gesellschaften kurz vor einer technofaschistischen Übernahme stehen. Er bewertet die Risiken und bietet praktische Strategien für den Widerstand.

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In den Maßnahmen der DOGE in den USA sehen wir die Art von technopolitischer Wende zum faschistischen Solutionismus, die in „Resisting AI“ beschrieben wird. Dieses Buch war ein Versuch, der weiteren Annäherung zwischen rechtsextremer Politik und dem Technologiesektor zuvorzukommen. Das Aufkommen der sogenannten generativen KI und die steigende Welle faschistischer Politik haben die Dinge jedoch tatsächlich beschleunigt. Widerstand ist dennoch möglich. Und dringender denn je. In diesem Artikel skizziere ich die Mechanismen, mit denen DOGE den Staat hacken konnte, und was das für den technopolitischen Widerstand in Großbritannien und Europa bedeutet.

Beschleunigung

Zwar sind die Einzelheiten dessen, was Technologien wie KI leisten können und was nicht, wichtig. Doch der umfassende Wandel, den wir derzeit erleben, wird nicht von der Technologie selbst angetrieben – so disruptiv sie auch sein mag –, sondern vom fortschreitenden Zusammenbruch bestehender Systeme, insbesondere der neoliberalen Weltordnung. Die Rhetorik rund um DOGE behauptet zwar, dass es sich dabei um eine Antwort auf diese Krise handelt, für die aufgeblähte und ‚woke‘ staatliche Institutionen verantwortlich gemacht werden. Doch diese Behauptung hält einer genaueren Prüfung nicht stand. Die Entlassung von Mitarbeiter*innen und die Kündigung von Verträgen mögen zwar kurzfristig Geld sparen, doch die Rücksichtslosigkeit von DOGE beschleunigt eher das Chaos als die Effizienz.

Anstatt den Staat zu optimieren, haben sich technologischer Akzelerationismus und reaktionäre Politik zusammengeschlossen, um alle Formen des progressiven Wandels und der sozialen Inklusion zurückzudrängen. Die Errungenschaften im Bereich der Bürger*innenrechte in den USA waren zwar unvollkommen, aber hart erkämpft. Die Theorie der Verfassungsordnung besagt, dass wesentliche Veränderungen durch demokratische und rechtliche Kontrollmechanismen abgesichert werden sollten. Stattdessen scheint eine Gruppe junger Männer mit sechs Laptops pro Rucksack diesen Gesellschaftsvertrag mehr oder weniger über Nacht zunichte gemacht zu haben.

‚Privilegieneskalation‘

Es hat sich herausgestellt, dass die Zentralisierung, Bürokratisierung und Digitalisierung staatlicher Institutionen diese anfällig für eine Form von ‚Cyberangriffen von Innen‘ macht. Das Verlassen auf Befehlsgehorsam und sichere Passwörter funktioniert nicht, wenn die Befehle lauten, einem Praktikanten von Tesla mit mäßigen technischen Fähigkeiten und grenzenloser libertärer Überheblichkeit Root-Zugriff zu gewähren. Im Hacking wird diese Art der Übernahme als ‚Privilegieneskalation‘ bezeichnet. Sobald die Nerds Lese- und Schreibzugriff auf Personal- und Zahlungssysteme haben, zählt die Erfahrung sorgfältiger und gewissenhafter Beamter nur noch wenig.

An diesem Punkt kommt das techno-faschistische Bekenntnis zur KI wirklich zum Tragen. Sei es, um anhand von 5-Punkte-E-Mails zu beurteilen, welche Mitarbeitenden überflüssig sind, oder um empirisch unmögliche Aufgaben wie die Überprüfung aller 76.000 Verträge des Department of Veteran Affairs (VA) innerhalb von 30 Tagen zu bewältigen – Elon Musks Gefolgsleute griffen auf KI zurück, insbesondere auf Large Language Models (LLMs). Im VA-Department stand das Tool dafür bereits am zweiten Tag bereit. Dies war jedoch kein Triumph der Programmierung, sondern ein ganz gewöhnliches LLM, das über die Systemaufforderung (die unsichtbare Vorab-Anweisung) angewiesen wurde, dass „Infrastruktur, die direkt die Patientenversorgung unterstützt, als NICHT munchable klassifiziert werden soll“. Verträge im Zusammenhang mit Initiativen oder Dienstleistungen zu Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion (DEI) […] sollten als ‚munchable‘ (etwa ‚zum wegknabbern‘) klassifiziert werden“ (wobei ‚munchable‘ für ‚zur Streichung vorgesehen‘ steht).

Das Verständnis der komplexen Zusammenhänge dieser Dienste erfordert natürlich Einblicke in die medizinische Versorgung, das institutionelle Management und die Ressourcenverteilung. Ein LLM ist aus vielen Gründen nicht für diese Aufgabe geeignet, nicht zuletzt, weil es buchstäblich nichts versteht und Kontext sowie Relationen aktiv ausblendet. Von außen ist schwer zu sagen, inwieweit die DOGE-Jungs an die These ‚AI ist fast AGI‘ glauben. Das ist aber auch nicht wirklich wichtig. Sie wissen bereits, dass der ‚woke‘ Leviathan zerstört werden muss und dass KI der beste Weg ist, um hart durchzugreifen, während sie gleichzeitig den Eindruck vermitteln, die Systeme würden verbessert und nicht einfach weggeworfen.

Was ihr Cyberangriff bewirkt hat und was gerichtliche Anordnungen offenbar nicht rückgängig machen können, ist die Zusammenführung riesiger, zuvor isolierter Datenmengen, um Machtmissbrauch zu verhindern. Natürlich waren diese Daten, wie jeder weiß, der unter dem neoliberalen Status quo zu leiden hat, schon lange vor dem Auftauchen von DOGE oder sogar Donald Trump durch bürokratische Grausamkeit gründlich instrumentalisiert worden, um Einwanderer*innen zu verfolgen oder Sozialleistungen zu streichen. Was heute in den USA anders ist, ist, dass die Maske gefallen ist und selbst die demokratische Rechenschaftspflicht über Bord geworfen wurde. Stattdessen saugen Unternehmen wie Palantir alle Daten auf und folgen dabei dem Slogan „build to dominate“.

Technopolitik

Es ist wichtig zu verstehen, dass DOGE nur ein Mittel zum Zweck war und dass es – ähnlich wie die Covid 19-Pandemie – noch lange nicht vorbei ist und sich schnell ausbreitet. In Großbritannien beispielsweise setzt die Labour-Regierung vieles davon selbst um: von der Datenweitergabe bis hin zur Auslagerung wichtiger Bereiche des staatlichen Gesundheitsdienstes an Palantir. Die Populist*innen fordern reines DOGE, während angeblich linksgerichtete Thinktanks für ‚fortschrittliche Effizienz‘ und ‚besseres DOGE‘ argumentieren. Überall beugen sich politische Parteien vor der KI, beschwichtigen die extreme Rechte und scheinen nicht bereit zu sein, das Notwendige zu tun, um eine techno-faschistische Machtübernahme zu verhindern. Es liegt an uns anderen, uns dagegen zu wehren.

Anhänger*innen der ‚souveränen KI‘, des aktuellen Lieblingskonzepts europäischer Staaten, die bei dem Gedanken an Trumps Finger auf einem KI-Kill-Schalter in Panik geraten, aber genauso süchtig nach KI für Wachstum und geopolitische Führungsmacht sind wie Großbritannien, sollten bedenken, dass dieses Konzept keines der hier beschriebenen Probleme löst. Wie überall sonst ist auch Europa in einer zusammenbrechenden neoliberalen Ordnung gefangen und steht vor mehreren sozialen Krisen, die es durch einen rasanten Schwenk nach rechts bewältigen will. Die EU ist genauso KI-verblendet wie Großbritannien, sodass sie nun einen Plan hat, Europa zu einem ‚KI-Kontinent‘ zu machen. Die Mechanismen der sozialen Ordnung innerhalb der EU umfassen genau die Arten von Zentralisierung, Bürokratisierung und Digitalisierung, die sie anfällig für eine techno-faschistische Übernahme machen. Unklar ist derzeit noch, ob dies durch einen offensichtlich destruktiven Vorstoß wie DOGE geschehen wird oder ob die extreme Rechte mittlerweile so mächtig ist, dass sie die EU einfach von innen heraus übernehmen wird. Sicher ist, dass der rechtsextreme Block Pläne für eine ‚europäische technologische Souveränität und digitale Infrastruktur‘ gerne unterstützt, da er weiß, dass diese eher seinem Ultranationalismus entsprechen als ihn zu untergraben.

Was wir hier beobachten, ist ein technopolitischer Kampf, in dem Technologie nicht als neutrales Werkzeug, sondern als Apparat betrachtet wird, der die Politik der Vergangenheit verdichtet und die Politik der Zukunft prägt. Zwar ist es nach wie vor schwierig, manche Menschen davon zu überzeugen, dass alle Politik Technopolitik ist, doch es gibt Bereiche, in denen dieses Argument nicht geführt werden muss. Die Bewegung der Personen mit Behinderung beispielsweise hat ein sehr ausgeprägtes Verständnis dafür, wie Werkzeuge das Sozialmodell von Behinderung konkretisieren und welche Umgestaltung im Sinne der Autonomie erforderlich ist. Auch die Klimabewegung hat erkannt, dass unsere Technologien die toxische Ideologie des unendlichen Wachstums verinnerlichen, welche unseren Planeten zu zerstören droht. Sie kann nachhaltige Alternativen formulieren. In meinem eigenen Bereich, der Hochschulbildung, entwickeln einige ein geschärftes Verständnis dafür, wie Technologien wie generative KI die Pädagogik, Institutionen und die Möglichkeit des kritischen Denkens untergraben. All diese Bereiche sind reif für technopolitischen Widerstand.

In „Resisting AI“ habe ich argumentiert, dass ein Ausgangspunkt die Bildung von Arbeiter*innen- und Volksräten zum Thema KI ist, und ich denke, dass dies nach wie vor gilt. Diese Strukturen kollektivieren die Ablehnung von KI und tun dies auf eine Weise, die die Relationalität, den Kontext und Sorge (Care) hervorhebt, welche KI selbst abstrahiert und auslöscht. Ich schlage vor, dass Volksräte zum Thema KI – ob sie nun aus Gewerkschaftsverbänden, Eltern-Lehrer-Vereinigungen oder Aktivistengruppen gebildet werden – ein Mittel sind, um einen wirksamen Widerstand gegen zukünftige Versuche des techno-faschistischen Systemhackings zu säen. Ich möchte hier zwei miteinander verbundene Konzepte hinzufügen, die aufzeigen, wie Volksräte die scheinbare Unvermeidbarkeit einer KI-getriebenen Faschisierung durchbrechen und die Dinge in eine andere Richtung lenken können. Diese Konzepte sind ‚Skalierbarkeit‘ und ‚Konvivialität‘.

Decomputerisierung

KI erfordert Skalierbarkeit und ist davon abhängig – sowohl in Bezug auf die benötigten Daten und den Umfang der erforderlichen Rechenressourcen als auch in Bezug auf den Energiebedarf der Rechenzentren. Die Branche selbst akzeptiert, dass Skalierung ihr einziger Weg nach vorne ist – eine Erkenntnis, die einigen als ‚bittere Lektion‘ bekannt ist. Gleichzeitig sind unsere aktuellen gesellschaftspolitischen Strukturen, die auf Zentralisierung und Abstraktion basieren und somit die Logik der Skalierung verkörpern, zutiefst anfällig dafür, durch KI ersetzt zu werden. Ein Beispiel für den Widerstand an beiden Fronten gleichzeitig ist der Widerstand gegen den Bau neuer Hyperscale-Rechenzentren.

Die Vervielfachung und Expansion von Rechenzentren bildet die materielle Grundlage für die techno-faschistischen Operationen der KI. Ihr Strom- und Wasserbedarf ist so enorm, dass es bei zukünftigen Stromausfällen oder Wasserknappheit zu einem Wettstreit zwischen den Rechenzentren und dem Rest der Gesellschaft kommen wird. Die Macht der Big-Tech-Unternehmen ist so groß, dass sie sich auf Regulierungsmaßnahmen und die Vereinnahmung des Staates verlassen können, um ihre Pläne durchzusetzen. Der Widerstand gegen den Ausbau von Rechenzentren in Form von kollektiven und direktdemokratischen Versammlungen bekämpft sowohl die Ausweitung der materiellen Infrastrukturen als auch die Entfremdung der Entscheidungsfindung, anstatt vergeblich an die bestehenden Behörden zu appellieren, die Regeln einzuhalten. Die Problematisierung dieser Größe wirft die Frage auf, wie wir stattdessen vorgehen sollten. Ich denke, hier überschneiden sich der Widerstand gegen KI und die Degrowth-Bewegung. Wie bei der Idee der Abschaffung von KI hört Degrowth nicht bei der Ablehnung auf, sondern verlagert den Fokus auf andere Organisations- und Handlungsweisen. Degrowth ist auch eine Forderung nach alternativen Gesellschaftsvisionen. Eine Technopolitik, die sich sowohl gegen KI als auch gegen die Wachstumsbesessenheit ihrer politischen und finanziellen Unterstützer*innen richtet, kann einen Rahmen für das weitere Vorgehen bieten. An dieser Stelle kommt das Konzept der Konvivialität ins Spiel.

Das von Denker*innen wie Ivan Illich entwickelte Konzept der Konvivialität liefert Kriterien für die Entwicklung einer alternativen Technopolitik. Illich plädierte für eine ‚Gegenforschung‘, die zwei Hauptaufgaben hat: „Leitlinien für die Erkennung der Anfangsstadien einer mörderischen Logik in einem Werkzeug zu liefern und Werkzeuge und Werkzeugsysteme zu entwickeln, die das Gleichgewicht des Lebens optimieren und damit die Freiheit für alle maximieren.“ Infolgedessen wurden Fragen formuliert, die wir jeder technologischen Innovation auf jeder Ebene stellen können, wie beispielsweise: Wie wirkt sie sich auf die Beziehungen zwischen Menschen aus? Oder: Wie interagiert sie mit lebenden Organismen und Ökosystemen?

Eine konsequente und militante Anwendung dieser Kriterien durch die oben genannten Volksräte am Arbeitsplatz, in der Gemeinde und als Teil bestehender sozialer Bewegungen ist ein Weg, um technopolitische Gegenmacht zu entwickeln. Vor allem aber ist die Forderung nach der sozialen Determinierung von Technologie ein Ansatz, um die durch Jahrzehnte des Neoliberalismus entstandene Einschränkung kollektiver Handlungsfähigkeit zu überwinden. Diese Kombination aus Degrowth und kritischer Technopolitik bezeichne ich als Decomputerisierung.

Remaking

In der heutigen Zeit müssen wir alle Antifaschist*innen sein. Aber Antifaschismus macht, wie alle Formen des Widerstands, nur als Vorläufer von etwas Besserem Sinn. Die italienischen Partisan*innen, die mit solcher Entschlossenheit gegen den Faschismus kämpften, waren nicht von der Rückkehr zu einem bürgerlichen Status quo motiviert, sondern von der Hoffnung auf eine bessere, gerechtere und solidarischere Gesellschaft. In ähnlicher Weise verfahren die kleinen Nischen transformativer Technopolitik der Gegenwart. Ein Beispiel ist die GKN-Fabrikbesetzung, die die Umstellung von der Herstellung von LKW-Achsen auf die Produktion von Lastenfahrrädern und Solarpaneelen sozialisiert hat – und dies ausdrücklich als Teil einer Graswurzelbewegung für einen gerechten Übergang (‚Insorgiamo!‘ oder ‚Erhebt euch!‘).

Widerstand gegen KI bedeutet, ihre Folgen abzulehnen, wie etwa das Wiederaufleben der Eugenik in Sozial- und Gesundheitssystemen. Es bedeutet auch, die Bedingungen abzulehnen, die es KI ermöglichen, so wichtig und einflussreich zu werden. Dazu zählen beispielsweise unsere wachstumsbesessenen, zentralisierten politischen Ökonomien. Derzeit hat die extreme Rechte Rückenwind. Sie projiziert ihre nihilistische Vision erfolgreich durch Technologien, die von Natur aus arbeiter*innenfeindlich, antidemokratisch und rassistisch sind. Ein Teil des ‚Aufbaus einer neuen Welt in der Hülle der alten‘, wie es die IWW formuliert, besteht darin, Formen technologischer Infrastruktur zu entwickeln, die mit einer Neugestaltung der Gesellschaft nach konvivialen, konföderalen und mutualistischen Prinzipien im Einklang stehen.

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