Flankiert von der EU, ihren mächtigen Mitgliedsstaaten wie Deutschland und einer kollaborierenden nationalen Elite versuchen transnationale Konzerne, Serbien in eine Bergbaukolonie zu verwandeln. Die Kämpfe gegen diese sozial und ökologisch verheerende Entwicklung sind außerhalb der Zentren des Kapitals besonders intensiv, wie in Majdanpek, einer geografisch isolierten Stadt, in der eine marginalisierte Gruppe lebt. In ihrem Beitrag zur „Kin City“-Textserie blickt Zoë Aiano auf die Bergbaugeschichte der Stadt zurück und zeigt wie die aktuellen Kämpfe die Kluft zwischen dem Recht auf Stadt und der Umweltgerechtigkeit überbrücken.
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Die Geschichte der ostserbischen Stadt Majdanpek liest sich auf den ersten Blick einfach. Dominiert von markanten Hochhäusern aus den 1970er Jahren, die sich in unterschiedlichen Zuständen befinden, wird deutlich, dass die Investitionen in die Infrastruktur der Stadt während der sozialistischen Ära ihren Höhepunkt erreichten und sich seit dem Zerfall Jugoslawiens niemand mehr dafür interessiert. Die berühmten K67-Yugo-Kioske, die heute anderswo als Designklassiker gelten, verrotten langsam entlang der Hauptstraße.
Die Goldschmiedewerkstatt, die einst Schmuck in den ganzen Balkan exportierte und Majdanpek den Spitznamen ‚Goldene Stadt‘ einbrachte – und vor allem für Frauen die wichtigste Erwerbsquelle war –, steht noch stolz im Zentrum, ist aber inzwischen vernagelt und verfallen. Im Inneren des einzigen Hotels der Stadt ist das Zimmer erhalten, das in den 1960er Jahren für einen Besuch Titos hergerichtet wurde. Ein behelfsmäßiges Büro und eine private Bar, mit knallrotem Leder dekoriert, wurden feierlich mit schwarzem Klebeband geflickt.
Kipplaster und magische Praktiken
Noch bevor mensch die Stadt selbst erreicht, fällt der klaffende Graben der Kupfer- und Goldmine ins Auge. Die Stadt selbst ist ein immer breiter werdender Abgrund, an dessen Rand sie schwankt, als könnte sie jeden Moment hineinstürzen – und wenn sie es täte, wäre die ganze Masse ihrer Trümmer in dem kolossalen Abgrund kaum zu erkennen. Auch innerhalb der Stadt ist die Präsenz der Mine nicht zu übersehen. Ständige Sirenen, die drohende Explosionen ankündigen, geben der Stadt das vage Gefühl eines Kriegsgebietes, während die riesigen Kipplaster Tag und Nacht rumpeln und der Staub des Bergbaus ständig die Luft verpestet.
Fast unsichtbar ist dagegen die kulturelle Besonderheit der lokalen Bevölkerung, die zum größten Teil aus Vlachen besteht, einer Minderheit, die auf dem gesamten Balkan verbreitet ist, in Ostserbien aber eine besonders hohe Konzentration aufweist. Trotz ihrer demographischen Bedeutung in der Region werden die Vlachen oft übersehen. Sie sind parlamentarisch nicht vertreten und ihre Sprache, die sich von einer historischen Variante des Rumänischen ableitet, ist nicht als Amtssprache anerkannt, auch weil es keine standardisierte Schriftform gibt. Während sie in ländlichen Gebieten noch weit verbreitet ist, nimmt sie in städtischen Zentren wie Majdanpek rapide ab.
Die Vlachen haben ihr eigenes Glaubenssystem und ihre eigenen Bräuche, die sich von denen der weiteren Region unterscheiden, aber oft auch mit ihnen verschmelzen. Am bekanntesten sind sie für ihre magischen Praktiken, und in der Populärkultur werden sie oft als ‚exotisch‘ oder ‚unheimlich‘ dargestellt, was zur Isolation des Gebiets und seiner wahrgenommenen Trennung vom Rest Serbiens beiträgt. In Wirklichkeit ist die Anwendung von Zauberei zur Lösung persönlicher Probleme zwar sehr beliebt (auch bei Menschen, die von weit her kommen), aber die häufigsten Rituale der Vlachen haben mit dem Gedenken an die Toten zu tun.
Entdeckung des Kupfers
Der Bergbau in Ostserbien reicht bis in die Jungsteinzeit zurück, wobei die nahe gelegene Rudna Glava als eine der ersten Minen Europas gilt. Die beiden scheinbar gegensätzlichen Seiten der Identität von Majdanpek – das Ländliche und das Industrielle – existierten lange Zeit nebeneinander und waren beide von den natürlichen Gegebenheiten vor Ort abhängig. Dieses Gleichgewicht verschob sich jedoch im 20. Jahrhundert massiv zugunsten des Bergbaus, als in den 1950er Jahren riesige Kupfervorkommen entdeckt wurden und nicht nur die (kurz zuvor verstaatlichte) Mine, sondern auch die Stadt selbst expandierte, um den Zustrom von Arbeiter*innen aufzufangen. Dieser Prozess ging unweigerlich mit einer Entvölkerung der ehemals landwirtschaftlich geprägten Gebiete einher, da viele Menschen in die wachsenden Zentren von Majdanpek und der größeren Nachbarstadt Bor zogen. Die Trennung zwischen Staat, Gemeinde und Industrie wurde praktisch aufgehoben, da der Bergbau nicht nur die gesamte öffentliche Infrastruktur der Stadt baute, sondern auch die meisten Wohnungen für die Arbeiter*innen.
Viele Vlachen, die als Bergarbeiter*innen angeworben wurden, machten sich unfreiwillig zu Kompliz*innen bei der Zerstörung der Umwelt, auf der ihre Traditionen basierten. Ein emblematisches Beispiel ist der Rückgang der lokalen Drachenpopulation. Es wird angenommen, dass die Drachen jahrhundertelang in den nahe gelegenen Wäldern lebten, aber eine Kombination aus Abholzung und Umweltverschmutzung hat sie offensichtlich vertrieben, was zeigt, wie der Bergbau sowohl die natürliche als auch die kulturelle Landschaft aushöhlt.
Das Bergwerk hat seit der Römerzeit ausländisches Interesse geweckt, unter anderem waren Akteuer*innen aus Österreich, Deutschland und Frannkreich dort tätig. Nach dem Zerfall Jugoslawiens behielt der serbische Staat das Eigentum an den Bergwerken Bor und Majdanpek, ohne nennenswerte Investitionen zu tätigen und den Betrieb auf ein Minimum zu beschränken. So war es nicht verwunderlich, dass die Minen 2019 an die ZiJin Corporation aus China verkauft wurden, obwohl die vorangegangenen Verhandlungen und die anschließenden Vereinbarungen bewusst intransparent gehalten wurden.
Verschärfung der Verhältnisse an allen Fronten
Oberflächlich betrachtet hat der neue Eigentümer die Stadt kaum verändert, abgesehen von ein paar neuen Cafés und dem Aufkleben von ZiJin-Logos und Firmenslogans auf öffentlichen Plätzen. Die Chines*innen selbst sind nur selten zu sehen, die meisten leben in einer eigens errichteten Enklave außerhalb der Stadt. Trotz der Tatsache, dass die Übernahme alle städtischen Grundstücke umfasste, ist es offensichtlich, dass ZiJin kein Interesse an der Gemeinschaft hat, das über die Maximierung des Abbaus und des Profits hinausgeht. Dies hat zu einer Intensivierung an allen Fronten geführt. Der verstärkte Abbau hat zu mehr Beschäftigung und höheren Löhnen geführt. Er hat aber auch zu einer Zunahme der Umweltverschmutzung geführt, mit überhöhten Werten von Schwermetallen und Arsen im Grundwasser und in der Luft. So ist es nicht verwunderlich, dass die Krebsraten in der Region so hoch sind und die Lebenserwartung um 10 Jahre niedriger ist als im Rest Serbiens.
In Majdanpek werden Informationen mit Waffengewalt unterdrückt, so dass die Menschen auf Klatsch und Tratsch angewiesen sind. Gerüchte, dass die Stadt selbst gesprengt werden soll, um einen besseren Zugang zu den Erzvorkommen zu erhalten, halten die Bewohner*innen in Unruhe. Menschen, die in ärmlichen Verhältnissen leben, zögern, in Verbesserungen zu investieren, wenn sie zerstört werden, und die Infrastruktur verfällt weiter. Unabhängig davon, ob die Stadt intakt bleibt oder nicht, wird es bei dem derzeitigen Tempo nur wenige Jahre dauern, bis Zijin alles zerstört hat und dann einfach abzieht. Dennoch gibt es derzeit keine Pläne, die drohende Lücke in der lokalen Wirtschaft zu schließen.
Der bisher krasseste Akt der Zerstörung ereignete sich 2022, als ZiJin ohne Vorwarnung den Gipfel des nahe gelegenen Berges Starica sprengte und Schutt und Staub über die Stadt verteilte. Das Unternehmen behauptete, die Anwohner*innen vor herabfallenden Steinen schützen zu wollen, aber nur wenige glaubten ihm, und die lokale Aktivist*innengruppe Ne Dam/Nu Dau (Ich werde nicht aufgeben) errichtete ein Camp, um weitere Sprengungen zu verhindern. Es gelang ihnen, mehrere Monate lang auszuharren, aber ihre Bemühungen endeten, als sie verhaftet und Polizeigewalt ausgesetzt wurden. Obwohl ein Gericht schließlich entschied, dass der Berg dem Staat und nicht dem Unternehmen gehöre, unternahm die Regierung nichts.
Gegen den Goliath der globalisierten Wirtschaft
In letzter Zeit hat der serbische Staat immer offener gezeigt, dass er den Profit über die Bedürfnisse seiner Bürger*innen stellt. In der Hauptstadt hat der ungebremste Bau von Luxuswohnungen, vor allem das Projekt Belgrade Waterfront, zur Zerstörung ganzer Stadtviertel geführt, und nun wurden sowohl der Bahnhof als auch der Busbahnhof aus dem Stadtzentrum in unzugängliche Randgebiete verlegt. Der Abriss des ikonischen und beliebten Hotels Jugoslavija war nicht nur heftig umstritten, sondern hat wahrscheinlich auch Tonnen von Asbest in die Luft freigesetzt. Der Kampf gegen den Abriss der Alten Sava-Brücke, die nicht nur ein weiteres Wahrzeichen, sondern auch eine wichtige Verkehrsverbindung zwischen dem alten und dem neuen Belgrad darstellt, ist zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Berichts noch nicht abgeschlossen. Am ungeheuerlichsten und tragischsten ist die Katastrophe im Bahnhof von Novi Sad, wo bei einer kürzlich durchgeführten Renovierung das Vordach einstürzte und 15 Menschen ums Leben kamen.
Angesichts solch dreister Korruptionsfälle in Großstädten ist es nicht verwunderlich, dass eine geografisch isolierte Stadt mit einer marginalisierten Bevölkerung im Kampf gegen den Goliath der globalisierten Industrie auf sich allein gestellt ist. Dennoch bleiben Majdanpek und Bor wichtige Schlachtfelder im Kampf um eine menschenwürdige Zukunft. In den letzten Jahren hat sich eine beeindruckende landesweite Bewegung gegen die geplante Eröffnung neuer Minen gebildet. Oft geht es dabei um Jadar, wo starker internationaler Druck ausgeübt wird, eine Lithiummine zu eröffnen, um den Bedarf für den so genannten ‚grünen Übergang‘ zu decken. In Wirklichkeit ist Jadar nur eine der Fronten in einem größeren Krieg mit Plänen für neue Minen auf dem gesamten Balkan. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die Firma Dundee Precious Metals aus Kanada bereitet fieberhaft die Eröffnung einer weiteren Kupfer- und Goldmine in Homolje unweit von Majdanpek vor. Es gibt Anzeichen dafür, dass Zijin selbst diese Mine aufkaufen und mit den beiden anderen verbinden wird, so dass ein großer Teil des Landes zu einer einzigen riesigen Mine wird.
Majdanpek und Bor können als Warnung für die Zukunft dienen und vor allem zeigen, wie ernst wir die Beteuerungen der Regierung nehmen können, dass zukünftige Bergbauprojekte umweltverträglich durchgeführt werden. Das heißt aber nicht, dass es sich nicht lohnt, dafür zu kämpfen. Die Minen können nicht mehr zugeschüttet werden, aber die Situation kann immer noch verbessert werden. Die Umweltverschmutzung kann immer noch reduziert werden, die Rechte der Arbeiter*innen können immer noch gestärkt werden, die Lebensqualität der Anwohner*innen kann immer noch verbessert werden. Alternativen zum Extraktivismus können und müssen erdacht und umgesetzt werden.
Anmerkung der Redaktion: Die Autorin dieses Textes hat einen Dokumentarfilm über die stadtökologischen Kämpfe in Majdanpek mit dem Titel „Flotacija“ (2024) gedreht. Sehen Sie sich hier den Trailer an. Gemeinsam mit anderen Aktivist*innen hat Aiano die ZBOR-Initiative gegründet, die aktuell u.a. an einem Filmprogramm über die Kämpfe gegen Extraktivismus auf dem Balkan arbeitet, das 2025 in Zusammenarbeit mit dem Harun Farocki Institut auch in Berlin gezeigt werden soll.