Vuvuzela, Informationsüberflutung, Rassismus

Die dröhnenden Vuvuzelas lassen die Weltgemeinschaft aufhorchen. Zu Recht. Immerhin handelt es sich dabei um den Lärm einer Zivilisation, die immer weiter will, aber es noch nicht einmal schafft ihren Rassismus zu überwinden.

Bei Wikipedia heißt es, die Vuvuzela emittiere “einen monotonen Klang wie ein Elefant oder ein tiefes Nebelhorn“. Ich höre jedoch nicht nur die Wildnis aus den Klangwolken dieses Blasinstruments. Sondern auch die moderne Zivilisation. Mein Berlin etwa oder Don DeLillos New York: “There was something about that noise that he did not choose to wish away. It was the tone of some fundamental ache, a lament so old it sounded aboriginal.” Oder banaler noch: das gleichförmige Surren der Autobahn, den Singsang der Kettensäge und vieles mehr.

„Wir sind im Augenblick in einer naiven Phase.”

All das ist in Gesellschaften selbstverständlich geworden, die die Industrierevolution hinter sich haben – inzwischen die meisten auf dieser Welt. Der Lärm der Maschinen wird nun von dem Lärm der einen Meter langen Tröten supplementiert. Ich höre sie jetzt, da die Fußball-WM 2010 gerade angefangen hat, auf einmal überall. Auch wenn ich nicht WM im TV gucke.

In post-industriellen Niederungen ist dieser Lärm auch als Informationsflut bekannt. Frank Schirrmacher, einer ihrer Kritiker, hat ein paar rassistische Worte parat, um “uns” darin einzuordenen: „Wir sind im Augenblick in einer naiven Phase. Wie Wilde, die plötzlich vor einem schimmernden Objekt stehen und in die Hände klatschen.“ Wie in der kolonialen Tradition üblich, wird der “Wilde” hier als unterentwickeltes, infantil-unmündiges Wesen stigmatisiert.

Eben dieser “Wilde” tritt auch bei der Fußball-WM in Südafrika auf den Plan. Er deliriert auf den Straßen und im Stadion. Wenn er nicht gerade in die Hände klatscht, dann bläst er mit voller Lippen- und Lungenkraft in jenes schimmernde Objekt, das das Unternehmen Masincedane Sport im Jahr 2001 in Massenproduktion gab.

Wer entscheidet, was eine Kulturtradition ist?

Im Vorfeld der WM 2010 hieß es, man könne die Vuvuzela nicht verbieten. In Südafrika reklamiere man sie schließlich als Kulturgut. Jetzt höre ich bei Beckmann auf ARD und lese analog bei Spiegel Online, die Vuvuzela sei „keineswegs ein Instrument mit langer Tradition.” Also könne man sie sehr wohl verbieten.

Natürlich gibt es für diese Behauptung eine plausibel klingende Begründung: “Weder in Form noch Lautstärke hat die Vuvuzela viel mit dem traditionellen Kudu-Horn zu tun, es ist daher absurd, eine vor ein paar Jahren aus Amerika importierte und erst seit kurzem industriell hergestellte Plastiktröte zum afrikanischen Kulturgut zu verklären.“

Spiegelt ein solches Gerede nicht in erster Linie die Defizite Deutschlands wieder? Wer entscheidet, was eine Kulturtradition und was Unkultur ist? Sollten wir das alles nicht besser den Gastgebern der WM überlassen? Und überhaupt: Ist es nicht eine angenehme Abwechselung die sakral-universellen Standards im Fußball unterwandert zu sehen?

Lernen, mit der Informationsflut zu leben

Ich selbst bin kein Freund dieser Tröte, sehe wie sie das Spiel auf eine merkwürdige Weise prägt, leide unter dem Sound. Aber er gehört nun einmal zu dieser WM, macht sie einzigartig. Ich kann jederzeit den Ton abschalten, wenn es mich nervt. Bei geschlossenen Fenstern höre ich dann nur noch meinen eigenen Atem und gucke Fußball als stummes Vuvuzela-Ballett.

Doch es geht auch anders. Im Internet werde ich daran erinnert: Wie so vieles, was mit der so genannten Informationsflut zu tun hat, hilft auch hier der richtige Filter. Um es mit Clair Shirky zu sagen: “It’s Not Information Overload. It’s Filter Failure.” Die Surfpoeten haben einen solchen Vuvuzela-Filter gebastelt und erklären nachvollziehbar, wie man ihn zu Hause installieren kann.

Freilich, es gibt auch die Low-Tech-Variante: Oropax. Mit oder ohne Lamellen. Bedenklich finde ich nur diesen Namen: Vuvu-Stop. Statt das Filtern unterstreicht er das Abwehren und evoziert zudem Gewaltphantasien, wie dieses Twitpic zeigt. Über dieses semantische Dilemma trösten kreative Varianten wie der Vuvu-Stopper nur bedingt hinweg.

40 Kommentare zu “Vuvuzela, Informationsüberflutung, Rassismus

  1. Cool, endlich ein Text, der den Subtext der aktuellen Berichterstattung verdeutlicht. Oli Kahn hat es gestern ja auch gesagt: Da hilft kein Jammern, sondern mentale Stärke ist gefragt. Kongenial dazu: Da hilft kein Rassismus, sondern Toleranz ist gefragt!

  2. Mein Glaube in den deutschsprachigen Journalismus wird immer mehr erschüttert. Im ZDF ging es gestern weiter. Müller-Hohenstein rutschte in der Halbzeit Deutshcland/ Australien heraus: “für Miroslav Klose muss sein Tor ein “innerer Reichsparteitag” gewesen sein.”

    Hier auf YouTube anzuschauen: http://www.youtube.com/watch?v=sXj2yddt0ro

    Klar, kann man das auch als Satire verstehen. Aber irgendwie bleibt mir das Lachen im Hals stecken.

  3. @Rafik: Ich habe das probiert und habe 18 Sekunden lang geblasen. Da stand dann, dass “Tommy Lee” eifersüchtig sein wird. Oha.

  4. bei VUVU-Stop muss ich an Aufnahme-Stop als Ausdruck von Überfremdungsangst denken. Ich hoffe, es geht nicht nur mir so.

  5. Ich kann oft genug das unterdrücken, was manche “Überempfindlichkeit” nennen würden. Aber diese ganze “Vuvu-Wilder Mann im Busch-Die müssen erst noch lernen”-Nummer, ja, die ist eklig und falsch, und ich finde es gut, dass das hier vorgeführt wird.
    @ Magdalena: Wär das nicht lustig, wenn sich das als Ausdruck durchsetzen würde? “Wie geht’s dir so? – Reichsparteitag!”

  6. Ich empfehle als weiterführende Literatur das Kapitel zu “Drone (bourdon)” aus “Sonic Experience” von J.-F Augoyard und H. Torgue. Zu lang, um es hier zusammenzufassen, aber natürlich fällt das Dröhnen der Vuvuzelas in diese Kategorie, wie auch das des Straßenverkehrs, der im 50/60-Hz-Stromnetz angeschlossenen Geräte, des Computerlüfters, des Zementmischers, der Hintergrundberieselung durch TV/Radio, der Tinnitus usw.

    Drone ist allgegenwärtig, und gerade deshalb auch eine Klangwirkung, an die man sich gewöhnen kann bzw. muss. Denn die meisten Drones kann man eben nicht ausfiltern oder verbieten. Drones, an die man gewöhnt ist, werden psychologisch ausgeblendet und sind deshalb nicht mehr “störend”. Taucht aber ein neuer, ungewohnter Drone auf, so stört er umso mehr, er erzeugt eine Abwehrhaltung. Das passiert gerade mit der Vuvuzela.

    Auch die Fußballübertragung im TV zeichnet sich schon immer durch einen Drone aus, den das Publikum erzeugt. Vuvuzela sind hier eine neue Variante, ein Super-Dröhnen über dem Gewohnten. Das ist keinesfalls neu, man denke nur an die “Go West”-Gesänge (berühmt in der “Hier kommt der BVB!”-Version), mit denen man in den 90ern ebenfalls einen neuen Klangeffekt dem bekannten Dröhnen hinzugefügt hatte. Solche Stadionklänge haben vor allem den Zweck: zu nerven, und zwar am besten den Gegner. Ihnen das Nerven vorzuwerfen, ist also zwecklos. Wobei “Go West” selbst natürlich kein Drone ist, der sich gerade durch eine konstante Frequenz auszeichnet, sondern als repetitive Melodie über dem Grunddrone hervortritt. (S.a. “Repetition”-Effect bei Augoyard/Torque)

    Weil bei den WM-Spielen mehrere Drones zusammenkommen, ist es auch so schwierig, den “störenden” neuen Drone gesondert auszufiltern. Es wird immer auch etwas der gewünschten Drones erwischt, die für die “Atmosphäre” des Spiels sorgen. Man könnte natürlich den gesamten Publikumssound ausfiltern – einfach den Moderator in eine schalldichte Kapsel setzen und nur seinen Ton übertragen. Bei der öffentlichen Fußball-Leichenschau (“Public Viewing”) gibt es ja genug lokalen (nationalen?) Drone, der übrig bliebe.

    Jetzt kann man natürlich kulturphilosophisch werden und dieses Filtern und Aussondern unerwünschter ausländischer Klänge auf die Migrationspolitik umbrechen. Das hat was für sich, sind doch bestimmte Einwanderer hierzulande erwünscht (wie Kanzler Schröders Green-Card-Computer-Inder), andere werden an den heute ja jubiläumswürdigen Schengener Außengrenzen Europas aufgehalten.

    Diese gedankliche Route überlasse ich mal den Experten.

  7. Ob “man etwas verbieten kann” hängt nicht von der Tradition, sondern von der Gegenwart ab. Videospiele z.B. sind nicht Teil der deutschen Geschichte, aber hierzulande so beliebt, dass man sie kaum verbieten kann. Hexenverbrennungen hingegen sind Teil unserer Kultur, aber ganz out, so dass sich kaum einer am Verbot stört.

    Vuvuzela-Sound kann man rausfiltern, klar. Alte Technik, alte Gewohnheit. Passieren tut das Gegenteil: er verbreitet sich hier. Gestern z.B. war ich bei der Bloglektüre genervt vom Dauerthema, nur im deutschen Sprachraum übrigens, begann die Vuvuzelas wegzuklicken, zugleich hörte ich zehnmal, hundertmal mehr Leut, die zogen mit Tröten ums Haus. Aus dem Telefon tönte es auch, das war nicht der Fernseher, waren die Kinder im Hintergrund.

    Und nach dem Sieg der deutschen Elf fuhren die Autos hin und her und in Kreis herum und hupten, dass mein Kind, das früh zur Schule muss, erst lang nach Mitternacht dann schlafen konnte. Da kann man nix machen, obwohl es verboten, das hat Tradition – und ist lebendiges Brauchtum.

    Zum Glück gibt es Schallschutzfenster (wir haben bloß keine). ‘Ich filtere’ find ich netter als ‘wir verbieten’ (zumal ich am ‘Wir’ so meine Zweifel habe). Und zum Fremden, das man gern ignoriert, passt wunderbar, ohne Vuvuzela, dafür mit Wetter, “Der Wilde” von Johann Gottfried Seume, dem gestern 200. Todestag war: http://de.wikisource.org/wiki/Der_Wilde

  8. Diese Vuvuzuela Diskussion ist unselig! Jegliche kulturhistorische Argumentation nur schlecht getarnte Herablassung! Natürlich nervt sie mindestens so wie die bislang schlechten Spiele. Aber mir gelingt es schnell diese Frequenzen in der Wahrnehmung wegzufiltern. Ich vermisse einzig, die mir sonst liebgewonnene akustische Athmosphäre der Fussballspiele. Als geübter Zuhörer kann man nur mit Hilfe des Tons viel über den Gang des Spiels heraushören. So ist das wie Sex mit Taubstummen, inklusive Ohrstöpsel und hinter dem Rücken verbundenen Händen…nunja das mag auch so manch einer…ich weiß…

  9. @Jerome: “mentale Stärke” verzahnt sich gut mit dem Diskurs über die “Informationsüberflutung”, wo von “mentaler Überforderung” die Rede ist. Allerdings habe ich meine Vorbehalte gegenüber der Rede von der “mentalen Stärke”, denn hier schlägt auch immer wieder ein dubioser Darwinismus durch.

    @zk: Danke für den Link; dazu gab es in der Mailingliste “rohrpost” eine Diskussion (für alle, die das nachlesen wollen).

    @Rafik: “the worst” definitiv, es scheint, nicht nur im negativen, aber eben auch im negativen Sinne Narrenfreiheit zu herrschen.

    @Magdalena: “innerer Reichparteitag” ist der Gipfel dieser “Narrenfreiheit” und man sollte nicht so tun, als sei sonst alles in Ordnung. Heute in der BILD: “Wir tröten alle weg” und andere Vokabeln aus Krieg und Barbarei.

    @solfrank: Ja klar, das gehört für mich zu dem semantischen Dilemma dazu.

    @Frank: Drones sind eine gute Referenz. Im medizinischen also auch im musikalischen Sinne. Natürlich haben die “Hornissenschwärme” auch etwas zutiefst musikalisches und in diesem Sinne viel mit Sound und Musik-Kultur aus Afrika zu tun, die mit Drones arbeitet, (genauso wie es dies Musiker aus den USA, Japan und Europa tun.)

    Der unmittelbare Bezug zur Multikultralismus ist bereits in der Debatte um Bushido & Co. evident: “Fleischgewordene Vuvuzelas: Bushido und Bonfire drohen, das deutsche WM-Team entscheidend zu schwächen”. Siehe dazu: ( http://www.heise.de/tp/blogs/6/147814 )

    @dirk: Danke für den Hinweis auf das Gedicht!

    @Joerg: Was meinst Du mit “getranter Herablassung”?

  10. Krystian Woznicki faengt erst gut an, belegt und verteilt die “Diskussions”-Punkte der Aversionen gegen den Vuvuzela-Noise, begreift aber das ‘Wesentliche’ nicht und dreht dann gegen Ende seines Artikels wieder den Infofilter-Hahn auf, also die Technoloesung, die das Gerede (Ueberflutung), das massenhafte, steuern helfen soll. Das ist der altbekannte Schritt von der Oekonomie- zur Kulturtheorie der Maschine mit materialistischem Grundrauschen (sic!). Remember Kittler, der schon ca. 1998 professoral vor der exklusiv ueberteuerten Silicon Graphics sagte, dass Netze ja Scheisse seien (Eine von mir geliebte Anekdote). Weil da ja offenbar nur Gerede sei? Die Hochkulturgezuechteten brauchen den Generaldirektor Adolf Grimme-Preis fuer die Selbstvergewisserung eigener Kulturmacht, die nun ausgesetzt wird mit dem Krach der bloeden, vom Billigplastik-Horn Verfuehrten. Die importierte Trompete sei unauthentisch und nicht mehr echt exotisch. Musikalischen Kriterienverfechtern der buergerlichen westlichen Hochkunst, inklusive des dt. Expressionismus nach afrikanischer Kunst, ist das immer nur dasselbe, nur Laerm. Es gibt keine Hoehepunkte, keine Struktur mehr. Was echt und gut und schoen sei, weisz auch und vor allem der, der kein “Freund dieser Troete” ist. Der individuelle Geschmack zaehlt also wieder, weil das aesthetisch vernuenftig ist. Das kann man gut mit dem Grundsatz der Gruenen assoziieren, deren Vernunft auch alles bestens reguliert, bekanntlich bis hin zum Angriffskrieg fuer Bionade.

    Diderichsens altes Diktum, wenn jedes Fussballspiel gleich klinge, handele es sich num relevante neue Musik, ist hier natuerlich verfehlt. Da es der Sound der Zehntausenden ist, des Publikums, das willfaehrig mit ihrem Fantum wenigstens im audiblen Spektrum definiert was im Stadion abgeht. Man darf nur Staedion nicht mit Spiel verwechseln, welches ja nur noch der gelieferte Sport zum Umsatz ist, also die Ware zum Tausch darstellt. Aber diese Definition des Klangraums geschieht quasi anarchisch und wurde auch anarchisch in allen Nationalfarben kolonialistisch angeheizt, ethnizistisch propagiert und wird nun obrigkeitststaatlich wieder verboten. Jede Kreissaege, das wissen die Neubauten in der Post-Hornbachmoderne am besten, ist im Kontext der Symbolisierung eben gerade nicht die Kreissaege auf der Strasse.

    Aber der Reihe nach. Nimmt man z.B. die alte Widerspiegelungstheorie, dann waere der ungerichtete Sound aus den Vuvuzelas zunaechst einmal der einer ungerichteten Vielheit, die dennoch scheinbar willfaehrig das Spektakel der sogenannten Weltmeisterschaft beschallt und also affirmativ untermalt. Anarchisch wie der Markt nunmal ist, wurde aber den Leuten das Ding auch hier in der BRD fuer 1,30 verkauft und ist in Bayern oder auf der Fanmaile Deiner Wahl mittlerweile verboten. Wer dort nicht oeffentlich Fan ist, sondern kritisch Private Viewing macht, sich also abhebt, wird nun irgendein Skript anwenden sollen, das den Krach draussen haelt. Neben dem ganzen Cultur-Clash, ist das mindestens eine doppelte, ja dreifache Enteignung und zeigt den Irrsinn der Industrie ueberhaupt klar und deutlich an: Kauf den Scheiss, konsumiere ihn aber nicht. Oder: Eigne Dir ein Instrument/Medium an, aber setze es nicht ein. Weder die Libido der Grossveranstaltungsgaenger ist damit frei, noch die ausgenutzte ersatzreligioese Begeisterung, noch der bewusztlose Klang des vielleicht Gemeinsamen (Bienensummen) gehoert den Statisten der WM. Alles ist restringiert aber spielt Satisfaction. Das perfekte Abbild der in der soziologisch in sogenannter Konsumgesellschaft gefangenen Enteignung der Produktivitaet der Menge (Toni Negristisch) oder Masse (Marxistisch). Denn produziert haben die Hoerner welche, die sich das auch kaufen (3fache Enteignung). Wenn also jemandem der Nerv geraubt oder getoetet wird, ist das nicht der Diebstahl der interessant ist. Der liegt in der Wegnahme der Kette der Herstellung des Dings, seiner immateriellen Qualitaeten und der Arbeits- und “Freizeit”, die dafuer verbraucht wird.

    Den richtigen Filter zu liefern und zu finden ist demnach blosze Nationaloekonomie, beinhahe a la Jacques Attali’s Buch _Noise_, der alles Revolutionaere (vernuenftig?) in unterschiedslos neuen Ordnungen verortet wissen will. Die Oekonomie der Nationen — worin das hochgeruestete und verschuldete Suedafrika bekommt was es verdient. Den Krach, der die Stimme des Einzelnen zwar erklingen laesst, diesen aber zur abstrakten Un-Artikulation eines Furz draengt (nichts gegen “Noise”, I’m lovin’ it), der aufgeht in der allzu bunten Masse, die jedoch nicht ornamental genug, nicht gerade genug ist. Also gerade nicht faschistische und kontrollierbare Masse ist. Was die Kommentatoren, unsere Stimme im TV, wieder mit ihren Zuschauern hoeren wollen, ist der Heideggersche “Mercedes im unmittelbaren Unterschied zum Adler-Wagen”. Unordnung war schon immer gefaehrlich. Was also verteidigt werden muss gegen die _Ausrichter_ und _Schalter_ (elektr. Filter sind nichts anderes) des un-artifiziellen Noise, ist die Unbaendigkeit, die darin — romantisch ausgedrueckt — aufklingt, ohne dem darauf projizierten Free Jazz und dem zigsten Geraeusch Musik-Pop zu folgen.

    Matze Schmidt

    nicht Tippfehlerbereinigte Vers.!

  11. Ich verstehe nicht, warum noch niemand einen echten Liebesbrief an den Vuvu-Sound geschrieben hat, ich sage einen echten, weil ich die ganzen Vuvu-Verkäufer und ihre Lakaien damit ausschließen möchte.

  12. Was ist schon eine Vuvuzela gegen unsere alten geliebten Buschtrommeln?

  13. @krystian: “getarnt” meint, das ich Haarspaltereien darüber, ob diese Tröten wirklich traditionell sind, seit wann es die wie gibt und wer wann auch immer ein Patent darauf anmeldete und sie nun ich China fertigen lässt, um die Welt zu überschwemmen, nur Scheingefechte sind! Ablenkungsmanöver für Ressentiments aller Art, Vorwand um immer gleiche Gefechte auf neuem Gebiet austragen zu können, auf dem Rücken einer extrem medialisierten Populärveranstaltung. Es gibt grade eine brillante Regierungskonstellation im Lande, samt zukunftsweisendem Sparprogramm das woanders zu Generalstreiks führen würde und hier ereifert man sich über Tröten, als hinge das Schicksal der Menschheit davon ab, hihi…”daheim sterben die Leut'”…

  14. ich finde den worldcup eher fürchterlich – eine einzige bierwerbung – aber der sound der vuvuzelas könnte mich dazu verführen, ein spiel anzuschauen. ein konzert gespielt von 1000en von leuten. das ist echt grossartig. drone music vom feinsten!

  15. Naja, ob man die Vuvuzelas als traditionelles Kulturgut bezeichnen sollte, wenn sie erst vor ein paar Jahren aufkamen, das ist echt fraglich. Aber ich muss sagen, dass ich den Ton eigentlich ganz angenehm finde (gut er einnernt an einen Riesen-Bienenschwarm, aber ich glaube er ist harmloser ^^). Immerhin besser als die normalen Tröten…

  16. Im aktuellen 11 Freunde-Newsletter geht bekommt “Vuvu-Stop” einen appelativen Charakter, Zitat:
    Die Massen sind genervt, die Spieler verstehen ihr eigenes Wort nicht mehr und die Kommentatoren trauen sich kaum, ihre Kopfhörer abzunehmen: Das permanente Vuvuzela-Getröte entwickelt sich nun doch zum größten Ärgernis des Turniers. Die BBC ist Vorreiter in der V-Frage und kündigt an, eine Tonspur ohne Tröterei aus Südafrika zu übertragen, wie Owen Gibson und Steven Morris im Guardian berichten. Eine weiterführende Idee für die Öffentlich-Rechtlichen: Auch ein Bartels-Stop-Button wäre toll.

    Der Link zum Guardian-Artikel:
    World Cup 2010: BBC may offer vuvuzela-free matches
    South Africa defends plastic horns which have sparked global debate over loud drone and are selling out in Britain
    http://www.guardian.co.uk/media/2010/jun/14/bbc-vuvuzela-free-world-cup

  17. @Matze: Vielen Dank zunächst für die ausführliche Replik/Kritik. Ich hoffe, wir können diesen Beitrag prominenter in der Berliner Gazette featuren. Mein Text ist stellenweise luftig, wenn nicht sogar löcherig, sprich, er öffnet Räume und lässt Fragen offen, es gibt auch eine größere Kluft, die sich auftut, zwischen der Frage: Ist es nicht eine angenehme Abwechselung die sakral-universellen Standards im Fußball unterwandert zu sehen? Und: Ich selbst bin… Der Sprung von einer objektiven zu einer subjektiven Betrachtung, von allgemeinen gesellschaftlichen, zu individuellen, ja, persönlichen Fragen. Wie gehe ich im Alltag mit Lärm um? Eine andere Frage ist: Wie geht eine Nation, ein Staat, eine Gesellschaft mit Lärm um? Ich finde es gut, dass Du diese Frage im Hinblick auf die Filter reflektierst, kann Dir aber nicht folgen, es handele sich dabei stets um “bloße Nationalökonomie”.

    @Jörg: “Scheingefechte” und “Ablenkungsmanöver für Ressentiments aller Art, Vorwand um immer gleiche Gefechte”: ja, da sehe ich wohl auch so, nur ist mir wichtig, dass man diese Tatsache auch ausspricht, wie ich es hier in diesem Beitrag tue und vielleicht auch ein wenig die Komplexität der Lage, wenn im großen Zusammenhang betrachtet, reflektiert, und vor allem auch Veränderungen registriert, denn eines ist klar: nichts bleibt immer gleich, nichts verschwindet, alles verändert sich.

  18. Apropos Vuvuzela, Uwe Seeler ist auch in Südafrika. (Okay, den Witz kennen wahrscheinlich schon alle)

  19. merkwürdige spielchen, wie die virtuelle vuvuzela
    ( http://gr.vc/vuvuzela )
    oder das vuvuzela spiel
    ( http://bartbonte.com/vuvuzela )
    gehören wohl zum medienhype um diese tröte,…

    der spiegel weiss ja inzwischen auch zu berichten,
    dass das ganze ein medizinisches problem ist,
    von wegen verbreitung von keimen,…

    vor dem hintergrund ist das virtuelle vuvu-spiel-angebot natürlich eine durchaus verständliche sache :)

  20. Jochen Bonz schreibt:

    Übertragen auf den WM-Soundscape: Was mit dem Vuvuzela-Sound nachdrücklich – im Medium Klang – in Erscheinung tritt, für uns, ist das afrikanische Publikum, die Gemeinschaft der dort eben nicht nur zuschauend Teilnehmenden. Der dort Anwesenden. Der Dortigen. Mit der Vuvuzela reklamieren sie für sich den Status eines Akteurs. Gerade so, wie man das in Europa von den Ultras sagen könnte, die ja auch gerade dadurch auf die Nerven gehen können, dass sie sich selbst feiern, indem sie ohne erkennbaren Bezug auf das Spiel agieren. Oft auch mit Gesängen, die zugleich so unbeweglich und dynamisch sind, wie der Vuvuzela-Soundtrack.

    http://www.soundstudies.info/2010/06/16/eine-sound-studies-analyse-der-vuvuzela/

  21. Zum Filter als “blosze Nationaloekonomie”: Nationaloekonomie kennt nur die Regelung der jeweils nationalen Oekonomie, also die Ausblancierung von Haben und Soll — Volkswirtschaft. Filter fuer Audibles sind, das ist die denunziatorische Metapher, sind nur die Regelung des Istzustands fuer ein Soll also reformerisch. Sound Studies wissen davon ein Lied zu singen.

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