Die letzten Sonnenstrahlen fallen durch die schon bunt schimmernden Baeume, Kastanien und Eichen saeumen hier und dort den Wegesrand und die Geraeuschkulisse zeichnet sich durch sanftes Hundegebell, munteres Entengeschnatter, das Kikeriki eines Hahns oder das laute I-A eines Esels aus. Die Szene koennte einem Bilderbuch entnommen sein, und doch darf ich ein so idyllisches Doerfchen meinen Heimatort nennen – noch. Denn Herbst, das heisst nicht nur Stoppelfelder und Drachensteigen, sondern fuer viele junge Menschen auch der Beginn der Ausbildung oder des Studiums. Das zieht oft eine voellige Umstrukturierung des Lebens nach sich und damit verbunden vielleicht auch einen Wohnortwechsel und genau dort zeigen sich die ersten Schwierigkeiten.
Die bestehen jedoch nicht darin, eine Wohnung zu suchen, den Umzug zu organisieren oder neue Freunde zu finden. Nein, es ist sehr viel schwieriger aus dem alten Gefuege zwischen- menschlicher Beziehungen und Bekanntschaften auszubrechen ohne danach als anderer Mensch betrachtet zu werden. >Uff’m Dorf< ist man speziell als Jugendlicher unter 18 Jahren sehr auf die Guete anderer angewiesen, gerade wenn man Absichten hegt den Ort zu verlassen, um am Abend doch mal andere Gesichter als die 70 altbekannten zu sehen. Aber es gilt: eine Hand waescht die andere. Und da man sich kennt, ist es natuerlich auch kein Problem den Nachbarsjungen mit in die naechste Stadt zu nehmen. Dazu sollte man sagen: Jeder Junge ist ein Nachbarsjunge. Diese gemeinnuetzigen Grundsaetze, musste ich leider feststellen, sind jedoch an eine >Ich-wohne-im-Dorf-und- bleibe-fuer-immer-hier-Klausel< gebunden. Ich als der Nachbarsjunge, fragte neulich meine Nachbarin, ob sie mich auf dem Weg zur Arbeit mitnehmen koenne, obwohl dies einen Umweg von circa fuenf Kilometern bedeutete. Da eine solche Frage natuerlich Probleme ungeahnter Ausmasse nach sich zieht, musste ich mich einem Frage-Antwort-Spiel stellen. Wo willst du hin? Nach A. Was willst du in A? Mit dem Zug nach B. Warum willst du nach B? Um dort zu studieren. Der erste Lacher. >Was? Studieren? < entgegnete mir meine Nachbarin. >Du bist doch nur zu faul zum Arbeiten.< Ich musste mir eine andere Mitfahrgelegenheit suchen und ausserdem mit der Erkenntnis leben, nicht mehr als vollwertiges Mitglied der fast schon familiaeren Gemeinschaft akzeptiert zu werden.
Es geht einem übrigens ähnlich, wenn man in so ein kleines Dorf zieht. Die Gemeinschaft ist sehr eingeschworen und eine Aufnahme ist anscheinend nur möglich, wenn man irgendeinen obskuren Vertrag mit Blut unterschreibt…
Tja,
da hast du wohl ver** in deinem Dorf?
Wie wär’s mit weiteren Berichten im Stil einer männlichen Variante von “Berlin, Berlin”?
Kann mal einer diese Dorfzombies fragen, was sie machen würden, wenn alle Dorfsprösslinge ganz fleißige Arbeiter wären und sich keiner zum als Studium getarnten Fünfjahresurlaub auf in die große weite Welt machte? Wer macht dann bei denen demnächst die Ärzte, Lehrer und Rechtsanwälte? Die kommen natürlich alle sowieso aus den Großstädten und wollen nach ihrem Urlaubsstudium unbedingt aufs Dorf.
Ich bin für ein verpflichtendes Sozialisierungsjahr der Dorfjugend in den Großstädten!
Ich bin für mehr austausch. Statt ein Jahr in die USA geht es für die GroßstädterInnen aus DORTMUND!!! für eine Jahr nach Duisburg oder so! Ärzte und Lehrer gibt es übrigens schon lange nicht mehr auf den Dörfern, die wurden ja durch so genannte Schamanen ersetzt…
hier klingt für mich etwas an, das ich hier und dort schon mal gehört habe: bildung scheint menschen angst einzujagen, v.a. jenen, die glauben, keine zu haben. und wenn sie dann auch noch aus der großstadt kommt…
@Magdalena: Also, ich war schon mal in Duisburg, alles zusammengenommen bestimmt insgesamt auch ein Jahr. In den USA dagegen nicht. Diese Art von Austausch betreiben wir in Dortmund also schon.
Ich würde mal behaupten, du sprichst dem ein oder anderen aus unserem Jahrgang aus der Seele… Wenn man aus der Provinz in die große Stadt geschubst wird, erlebt man so einige Abenteuer. Viel Spaß dabei!