Die Redaktion der Berliner Gazette fuehrt im Rahmen des Crashkurses Online-Medien eine Umfrage unter Online-Experten durch und laesst diese ueber ihre persoenlichen Erfahrungen mit Medien sprechen. An dieser Stelle lassen wir den renommierten Medienforscher Christoph Neuberger zu Wort kommen.
Als das Internet Mitte der neunziger Jahre relevant geworden ist, war ich bereits knapp ueber dreissig. In meiner Jugend haben Radio und Zeitung die wichtigste Rolle gespielt. Ich hatte noch ein altes Roehrenradio, das nach dem Einschalten einige Minuten Aufwaermzeit benoetigte. Auch das Mitschneiden von Radiosongs mit dem Cassettenrecorder ist Teil meiner fruehen Medienerinnerung.
Besonders aergerlich war es immer, wenn der Moderator die Titel nicht ankuendigte und deshalb die ersten Sekunden der Aufnahme fehlten. Ich befasse mich in meiner wissenschaftlichen Arbeit mit dem Internet. Ein Blick in die Mediengeschichte zeigt: Junge Leute erschliessen sich neue Medien schneller als aeltere Menschen.
Dies gilt auch fuer das Internet. Insofern spielen Jugendliche eine wichtige Rolle. Spannend sind solche Projekte im Netz, die zum Mitmachen anregen und die Teilnehmer nicht im Stich lassen, sondern ihnen helfen, das vielfaeltige Potenzial des Internets auszuschoepfen. Dabei sollte es weniger darum gehen, Medienprofis dilettantisch nachzueifern, sondern eher darum, neue Ideen zu entwickeln. Ich befasse mich in der Forschung vor allem mit dem Journalismus. Hier gefallen mir Websites wie fudder.de, ein Angebot der Badischen Zeitung, das 2007 den Grimme Online Award erhalten hat.
2008 wurde zeitzeugengeschichte.de mit dem Preis ausgezeichnet, eine Website, auf der Interviews abrufbar sind, die Jugendliche mit Zeitzeugen des NS-Regimes gefuehrt haben. Ich schaetze Websites, auf denen viele User ein gemeinsames Ziel anstreben, an einem Strang ziehen und ein oeffentliches Gut entsteht, das allen zugute kommt. Die Wikipedia ist – bei allen Schwaechen – ein weltumspannendes Wissens-Projekt, das vor zwanzig Jahren sicher die meisten fuer das Hirngespinst naiver Utopisten gehalten haetten.
Das Internet ist eine grossartige Chance fuer junge Menschen – eine Chance, wie sie noch nie in der Geschichte der Medien da war. Diese Behauptung ist keineswegs zu hoch gegriffen. Die bisherigen Medien hiessen nur deshalb >Massenmedien<, weil das Publikum massenhaft lesen, hoeren und zusehen konnte. Es konnte aber nicht mitschreiben und -reden. Nun kann sich die >Masse< auch oeffentlich zu Wort melden. Das Internet ist eine riesige Spielwiese, um Neues auszuprobieren, um neue Ausdrucksformen zu finden. Allerdings fehlt es uns noch vielfach an Uebung im Umgang mit den fast unbegrenzten Moeglichkeiten.