In den letzten zwei Jahren wurde für alle Style-Addicts und Sex and the City-Fanatiker ein neuer Traumberuf geboren: Modeblogger! Statt Sklave einer aggressiven Chefredakteurin in einer oberflächlichen Mode-Redaktion sein zu müssen, kann man dank WordPress endlich sein eigener Chef sein. Mehr noch: Obwohl die Medienwelt eine Zwei-Klassen-Gesellschaft ist (Journalisten vs. Blogger), kann man bei Fashion Shows in der ersten Reihe sitzen.
Alles was man dafür braucht ist “ein überdurchschnittliches Mitteilungsbedürfnis, Neugier, Fleiß und Ehrgeiz, Geduld und Idealismus” – das versichert Mary Scherpe, ihres Zeichens Erfinderin des Streetstyle-Blogs Stil in Berlin.
Sie spricht vor vermeintlich zukunftsängstlichen Geisteswissenschaftlern der Humboldt-Universität Berlin, im Rahmen einer Veranstaltungsreihe über Kreativwirtschaft. Und sie spricht, wovon sie am meisten versteht, ihrem “Beruf”, der vor ihr auf einem weißen Schild prangt: Modebloggerin. Aber so einfach ist das nicht.
Zwischen Unabhängigkeit und Karriere
Immer wieder macht Scherpe deutlich, dass sie das Bloggen nicht wirklich als ihren Beruf ansieht. Eigentlich sei sie ewige Studentin der Kunstgeschichte und verdiene ihr Geld mit Beratung von Firmen oder Workshops, wie kürzlich im Rahmen der Modemesse Premium Exhibitions zum Thema State oft the Art & PR mit Blogs.
Bisweilen biete sie für “Stil in Berlin” auch Advertorials an – also Blogbeiträge, die von Firmen bestellt wurden. Ihren persönlichen Blog sähe sie entsprechend als ein Online-Portfolio. Es ist ein Instrument, mit dem sie zeigen könne, was sie drauf habe und mit dem sie “an Jobs und Kontakte” gelange.
Wahrscheinlich dauert es nicht mehr lange bis Scherpe ein Buch mit ihren besten Fotografien herausbringt, so wie es bekannte Modeblogger wie Facehunter vormachten und die nun auf der ganzen Welt unterwegs sind, um “book signing” zu betreiben. “Doch bis man als Blogger so weit ist, braucht man viel Geduld und Ausdauer – da kann ich zwar Dienstagnachmittag im Café sitzen, muss dann aber sonntags arbeiten.” Doch es lohnt sich. Nicht zuletzt könnte sie sich dann auch staatlich anerkannte Modebloggerin nennen.
“staatlich anerkannte Modebloggerin” – toll, das klingt so wie ein Berufsphilosoph. Ich werde Modeblogs weiterhin nicht verstehen, weil ich nicht weiß warum und wie man über Mode schreiben kann!? Wieso rastet zum Beispiel Carrie bei einem neuen Manolo Blahnik-Schuhpaar immer aus, die sehen doch alle gleich aus.
Ich glaube, dass ich es da einfach mit Oscar Wilde halte: “Mode ist so unerträglich häßlich, daß wir sie alle Halbjahre ändern müssen.”
ich sehe Advertorials sehr kritisch. hat die frau dazu was gesagt, dass sie sich als journalistin quasi “verkauft”?
@andi: Mode ist genauso wie Architektur oder Grafik-Design: Sie ist in in gewisser Weise auch eine Kunst, die es wert ist, dass über sie geschrieben wird. Auch wenn sie benutzt wird um zu performen, sich darzustellen, sie ist und bleibt ein Produkt kreativen Schaffens.
@Michl: Ich glaube nicht, dass sie sich wirklich als Journalistin versteht. Eher als Fotografin.
Ja Sarah, ich sehe es ja auch so, dass Mode zum Beispiel dem Grafikdesign entspricht und daher finde ich es ja auch so schwer darüber zu schreiben, weil auch über Architektur oder Grafik-Design schreiben ist ja sehr schwer, weil ja das worüber geschrieben wird ja schon sich erklärt oder erklären sollte. Gut, man kann natürlich technische Details erklären und auch die Designer oder Architekten porträtieren, aber das kann man ja nicht als “staatlich anerkannter” Beruf machen, weil dafür ist das doch zu subjektiv. Oder?
Hallo Sarah,
ich muss an dieser Stelle ein oder zwei Dinge richtig stellen, die offensichtlich falsch ankamen – ich habe nie gesagt, meine Vorbilder seien Blogger, die Bücher machen. Auch die Bezeichnung “staatlich anerkannte Modebloggerin” kommt nicht von mir.
Zu den Advertorials, diese sind eine auch im Printbereich anerkannte Werbeform, solange sie ausreichend gekennzeichnet sind, was bei uns der Fall ist, “verkauft” man sich dabei nicht mehr als mit “klassischer” Anzeigenwerbung.
Hallo Mary, die von dir angesprochenen Stellen im Text sind fälschlicherweise als Zitate lesbar gewesen. Da lag ein Missverständnis in der Redaktion vor, das durch Textkürzungen zu Stande kam. Die betreffenden Stellen sind jetzt modifiziert.
Ich bin gerade über einen anderen Artikel in der Berliner Gazette auf das Internet-Manifest gestoßen (http://www.internet-manifest.de/) – das kannte ich noch gar nicht. Jetzt habe ich diesen interessanten Modeblogger-Text und auch die Kommentare gelesen, wirklich spannend, erinnert mich stark an Punkt 6 des Internet-Manifests, in dem es u.a. heißt: “Durch das Internet kann der Journalismus seine gesellschaftsbildenden Aufgaben auf neue Weise wahrnehmen. Dazu gehört die Darstellung der Information als sich ständig verändernder fortlaufender Prozess; der Verlust der Unveränderlichkeit des Gedruckten ist ein Gewinn.” Tolle Sache!
Vielen Dank, Sarah!
Ich bin mit MeineMode.net auch gerade dabei zu einer eingefleischten Mode Bloggerin zu werden :)
Den von dir angesprochenen “überdurchschnittliches Mitteilungsbedürfnis, Neugier, Fleiß und Ehrgeiz, Geduld und Idealismus” habe ich bereits :D
Wann werden wohl die ersten Seminare angeboten, oder gibt es die schon?