Heute vor genau zwei Jahren starb Joachim Fest. Letzter – und vielleicht einziger? – grosser Bildungsbuerger und Konserva- tiver der Bundesrepublik, wie der Historiker, Journalist, Publizist und Autor nicht erst nach seinem Tod quer durch die Feuilletons genannt wurde. Doch was bedeutet das Werk dieses Historikers, der den Deutschen neben vielen anderen Werken die wohl wichtigste Hitlerbiographie ueberhaupt beschert hat? Es liesse sich mit Sicherheit viel ueber das Leben und Wirken von Joachim C. Fest schreiben, ein genaueres Hinsehen lohnt sich jedoch bei seiner letzten Veroeffentli- chung: >Ich nicht. Erinnerungen an eine Kindheit und Jugend<.
Fests Autobiographie, die im Grunde genommen alles fundiert, was dieser Autor je geschrieben hat, wurde kurz nach seinem Tod veroeffentlicht – mitten hinein in einen der vielleicht letzten Aufreger um den groessten aller deutschen Diskurse: die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit. Soeben hatte auch Guenter Grass seine Erinnerungen in >Beim Haeuten der Zwiebel< abgelegt und medienwirksam gestanden in den Wirren der letzten Kriegstage in der Waffen-SS, sowie >ein Jungnazi. Glaeubig bis zum Schluss< gewesen zu sein. Nicht weniger medienwirksam und polemisch kam das Postulat >Ich nicht< im Gegensatz daher. Dabei hatte Fest - oberflaechlich betrachtet - nicht besonders anders gehandelt als Grass. Auch er war Flakhelfer, hatte geschossen und war im Arbeitsdienst eingesetzt. So einfach laesst sich also Fests Anspruch, nicht mitgemacht zu haben, nicht anwenden. Seinen Wert zieht das Buch aus der detaillierten Darstellung des Identitaetsfindungsprozesses des jungen Fest. An ihm wird nachvollziehbar, wie sich mit Fest, dank der konsequenten Abgrenzung seiner Familie im dritten Reich, ein Mensch heranbilden konnte, der trotz dem Miterleben des Grauens spaeter einen dermassen nuechtern-wissenschaftlichen und zugleich eindringlich vermittelnden Umgang mit der Aufarbeitung der deutschen Geschichte ermoeglichte. Abseits jedes Mainstreams und mit der Faehigkeit schon im Verlauf des Historikerstreits erkennen zu koennen, dass Moralisierung der wirklichen und noetigen Aufklaerung den Weg versperrt.