Pro Jahr werden weltweit 65,5 Milliarden Tiere geschlachtet – ganz zu schweigen von den unzähligen Fischen, die jährlich gefangen werden. Ein Massaker. Und ethisch betrachtet ein Unrecht. Denn Tiere haben ein Recht auf Leben und deshalb eine Würde. Wie könnte man eine philosophische Tierethik begründen? Ein Essay von Berliner Gazette-Autor Patrick Spät.
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Eine Stadt verklagt Mäuse, weil sie den Menschen die Ernte wegfrisst. Klingt wie aus einem Märchen, hat sich aber tatsächlich so zugetragen, wie überlieferte Gerichtsprotokolle zeigen: 1519 gab es in Glurns, der kleinsten Stadt Südtirols, einen spektakulären Mäuseprozess.
Zuvor hatten die Mäuse großen Schaden auf den Glurnser Feldern angerichtet. Daraufhin wurden sie vor Gericht gestellt – und bekamen, wie es sich gehört, sogar einen Pflichtverteidiger gestellt. Die Anklagepunkte lauteten unter anderem: unbefugter Feld- und Gartenfrevel, Minderung der bürgerlichen Nahrung und, kein Scherz, wilde Ehen.
Der Anwalt verteidigte die Mäuse nach bestem Wissen und Gewissen und gab den Feldpolizisten die Schuld, weil sie sich im Wirtshaus betrinken würden statt ihrer Arbeit nachzugehen. Darüber hinaus betonte der Verteidiger der Mäuse, dass die Mäuse als Gottes Geschöpfe ebenfalls ein Recht auf Nahrung hätten: „Wenn man den Mäusen alles Korn missgönnen wollte, so könnten diese auch gegen die Menschen klagen“, schließlich seien auch Mäuse hungrig, so ihr Anwalt.
Mehrere Zeugen wurden vom Gericht angehört. Das Urteil: Der Anwalt konnte zwar die vom Gericht geforderte Todesstrafe abwenden, doch sollten die Mäuse die Glurnser Felder binnen 28 Tagen unter freiem Geleit verlassen – ob sie sich an dieses Urteil hielten, ist nicht überliefert, aber überaus fraglich.
Ein Prozess gegen Mäuse also. Haben Feldmäuse ein Recht auf Nahrung, ja, ein Recht auf Leben? Diese Frage mag zunächst abwegig klingen, aber wie sagte schon der Philosoph und Friedensnobelpreisträger Albert Schweitzer:
„Heute gilt es als übertrieben, die stete Rücksichtnahme auf alles Lebendige bis zu seinen niedersten Erscheinungen herab als Forderung einer vernunftgemäßen Ethik auszugeben. Es kommt aber die Zeit, wo man staunen wird, dass die Menschheit so lange brauchte, um gedankenlose Schädigung von Leben als mit Ethik unvereinbar einzusehen. Ethik ist ins Grenzenlose erweiterte Verantwortung gegen alles, was lebt.“
Für den Vegetarier Schweitzer stand fest: Alle tierischen Lebewesen haben ein Recht auf Leben. Für alle Veganer steht darüber hinaus fest: Tiere dürfen niemals Mittel zum Zweck sein für menschliche Interessen. Denn Lebewesen haben ihre eigenen Interessen. Ja, vielleicht haben sie sogar eine Würde?
In der stets aufgeheizten Diskussion um die Themen Tierrechte, Veggie-Day, vegetarische und erst recht vegane Lebensweise ist es vielleicht hilfreich, ein paar ethische Überlegungen ins Spiel zu bringen. Wie also könnte eine philosophische Ethik aussehen, die die Würde der Tiere schützt?
Was ist das überhaupt: Würde?
„Die Würde des Menschen ist unantastbar“, lautet Artikel 1 des Grundgesetzes. Worauf zielt dieser Satz ab? Der Philosoph Immanuel Kant übte zweifelsohne den größten Einfluss auf unseren modernen Würde-Begriff aus. Kant unterscheidet zwischen Dingen, die einen Preis und einen Wert haben. Ein Kugelschreiber, eine Zahnbürste oder ein Autoreifen sind austauschbar: Sie haben nichts sonderlich individuelles an sich, ihr Wert lässt sich in Euro oder Dollar angeben und sie lassen sich für unsere Ziele instrumentalisieren.
Ein Mensch aber hat keinen Preis, sondern einen Wert: Seine Existenz lässt sich durch nichts in der Welt ersetzen und deshalb hat ein Mensch ein gegen nichts abzuwägendes Recht als Individuum zu existieren. Ein Mensch ist also kein austauschbares Gut, sondern einmalig – und deshalb hat er eine Würde. Im englischen Wort für Würde („dignity“), das vom lateinischen dignitas („Wert“) stammt, ist die ursprüngliche Bedeutung noch zu erkennen.
Der Würde-Begriff geht noch einen Schritt weiter. In Kants etwas angestaubten Worten: „Handle so, daß du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.“ Im Alltag bedeutet das: Wir verletzten die Würde eines Menschen, wenn wir ihn für unsere eigenen Ziele instrumentalisieren.
Natürlich machen wir das tagtäglich, wenn wir die Dienste eines Taxifahrers oder Rechtsanwalts in Anspruch nehmen. Der springende Punkt ist das „niemals bloß“. Wir müssen unseren Mitmenschen mit Respekt begegnen, ihre Entscheidungsfreiheit tolerieren und ihr Lebensrecht würdigen.
Alle Tiere verfolgen Zwecke
Tiere streben bestimmte Ziele an. Tiere wollen fressen, um zu überleben. Tiere wollen Wärme, um nicht zu erfrieren. Diese elementaren Verhaltensweisen zeigen einen Drang zum Leben, eine Lebensbejahung, die zugleich eine ethische Dimension enthält, wie der Philosoph Hans Jonas in seinem Buch Das Prinzip Verantwortung (1979) festhält:
„Handeln als solches – tierisches darunter – ist geleitet von Zwecken, auch vor aller Wahl, da elementare Zwecke […] uns durch die Bedürftigkeit unserer Natur eingepflanzt sind. Und durch die Begleitung der Lust werden sie auch subjektiv ‚wertvoll‘.“
Da Tiere Zwecke anstreben, setzen sie auch Werte, denn das Nichterreichen eines (wünschenswerten) Zwecks stellt ein Übel dar. Indem Tiere überhaupt Zwecke verfolgen, bejahen sie das Sein, genauer: ihr Sein. Alles Leben strebt danach, sein Leben zu erhalten und zu entfalten. Es hat ein vitales Interesse am bloßen Überleben und darüber hinaus am lustvollen Leben.
Dadurch setzt alles Lebendige das Leben und das Am-Leben-Bleiben als absoluten Wert seiner Existenz. Der Pein des Hungers steht das angenehme Gefühl der Sättigung gegenüber. Und weil dieses Gefühl lustvoll ist, wird es als ein wertvoller Zustand angestrebt.
Das Recht auf Leben beruht also in keiner Weise auf dem Wert, den dieses Leben für andere hat – Tiere haben ein Recht auf Leben allein schon deshalb, weil ihr Leben für sie selbst wertvoll ist.
Als einer der ersten formulierte der Philosoph Michel de Montaigne um 1580 die These, dass alle Lebewesen einen gemeinsamen Wert haben: „Wir stehen weder höher noch tiefer als die übrigen Geschöpfe. Es gibt Unterschiede, es gibt Rangordnungen und Stufen, doch stets nur als Erscheinungsform der einen Natur.“
Alle Tiere haben eine Würde
Weil alle Tiere Zwecke verfolgen, haben alle Tiere eine Würde. Der Mensch hat die Macht und daher die Pflicht, diese Würde zu achten und zu schützen. Zumindest auf nationaler Ebene gibt es erste Schritte hin zu einer verpflichtenden Achtung der Würde des Lebendigen. Die „Würde der Kreatur“ ist unter Artikel 120, Absatz 2 der Schweizer Bundesverfassung verankert; die Schweiz ist damit der bislang einzige Staat weltweit, der von einer Würde der Tiere spricht.
Ein Organismus hat eine Würde, d.h. er hat keinen Preis, der den Organismus zu einem beliebig austauschbaren Objekt machen würde, sondern ein gegen nichts abzuwägendes Recht, als Subjekt zu existieren. Organismen verfolgen Zwecke und sind damit schon ein Zweck an sich. Dementsprechend definiert die Schweizer Bundesverfassung den Begriff der Würde als „Eigenwert des Tieres“.
Die französische Version der Schweizer Bundesverfassung hingegen spricht einfach von der Würde „lebender Organismen“ (organismes vivants), wodurch aber der Würdebegriff nicht verwässert wird. Die Formulierung „Würde der Kreatur“ stammt aus der Feder des dänischen Philosophen und Theologen Lauritz Smith, der bereits 1789 erklärte: „Jedes lebendige Wesen, jedes Tier ist zunächst und unmittelbar seiner selbst wegen da, und um durch sein Dasein Glückseligkeit zu genießen.“
Das 2005 verabschiedete „Tierschutzgesetz der Schweizerischen Eidgenossenschaft“ knüpft an die „Würde der Kreatur“ wie folgt an: „Niemand darf ungerechtfertigt einem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen, es in Angst versetzen oder in anderer Weise seine Würde missachten.“ (SR 455, Art. 4, Abs. 2)
Das Schweizerische Tierschutzgesetz gilt für Wirbeltiere. Durch die verankerte Möglichkeit, das Gesetz auch auf wirbellose Tiere auszudehnen, wird auch deutlich, dass das bewusste Erleben der tragende Grund für das Tierschutzgesetz ist. Denn es „orientiert sich dabei an den wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Empfindungsfähigkeit wirbelloser Tiere.“ Der juristische Schutz der Tiere ist zweifelsohne ein wichtiger Schritt, der die altertümliche Sicht von Tieren als mechanische Automaten (oder juristischen Gegenständen) hinfällig werden lässt.
“Schutz verlangen auch die Tiere und die natürliche Umwelt”
Während das Tierschutzgesetz für Wirbeltiere gilt, erstreckt sich die Bundesverfassung auf alle lebendigen Organismen, also explizit auch auf Pflanzen, die vor Genmanipulation und ähnlichem geschützt werden sollen. Die Begriffe „Kreatur“ bzw. in der französischen Version „lebende Organismen“ (organismes vivants) meinen in allen Sprachfassungen nur Tiere und Pflanzen (den Menschen freilich auch), nicht jedoch sonstige Organismen wie Bakterien oder Champignons, die nach biologischer Klassifizierung weder Tiere noch Pflanzen sind, obwohl sie sich wie diese vermehren und Erbmaterial weitergeben können.
Auch auf internationaler Ebene gibt es erste Versuche, das Lebendige zu schützen: Im Jahre 1997 verabschiedete das InterAction Council den „Entwurf einer Allgemeinen Erklärung der Menschenpflichten“. Das Dokumentwurde unter dem Vorsitz des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt von Jimmy Carter, Michail Gorbatschow, Valery Giscard d’Estaing und vielen anderen Politikern den Vereinten Nationen vorgelegt – und bedauerlicherweise nicht angenommen. In dem Entwurf heißt es unter Artikel 7:
„Jede Person ist unendlich kostbar und muss unbedingt geschützt werden. Schutz verlangen auch die Tiere und die natürliche Umwelt. Alle Menschen haben die Pflicht, Luft, Wasser und Boden um der gegenwärtigen Bewohner und der zukünftigen Generationen willen zu schützen.“
Gedruckte Worte auf Papier sind geduldig; die Realität ist noch weit davon entfernt, die Würde der Kreatur zu schützen. Und in der Praxis tauchen sicherlich ernste Probleme auf, wie diese Worte zu interpretieren sind. Problematisch ist zum Beispiel die Formulierung, dass niemand einem Tier „ungerechtfertigt“ Schaden zufügen dürfe. Offensichtlich sind Tierversuche und Schlachthäuser auch in der Schweiz „gerechtfertigte“ Dinge, bei denen unzählige Tiere ihr Leben lassen.
Der Schweizer Bundesrat erklärte hierzu im Dezember 2002, dass man heutzutage noch nicht definieren könne, „welche menschlichen Aktivitäten als strafbare Würdeverletzungen taxiert werden müssten“. Tja, wer erklärt das Töten und Quälen von Tieren eigentlich für gerechtfertigt oder ungerechtfertigt? Wer maßt sich an, über anderes Leben zu verfügen?
Dürfen wir Tiere töten, um sie zu essen?
Dürfen wir allein in Deutschland jedes Jahr 50 Millionen männliche Küken töten, weil sie „wirtschaftlich nicht verwertbar“ sind? Dürfen wir überhaupt Tiere in ihrer Freiheit beschränken, indem wir beispielsweise Milchkühe gefangen halten und von ihren Kälbern trennen, um sie zu melken – und nach ein paar Jahren zu schlachten? Und ist die Bienen-Imkerei eine Form der Massentierhaltung? Müssen wir den Weg vor uns mit einem kleinen Besen kehren, wann immer wir einen Schritt gehen, wie es zum Beispiel die indischen Jaina-Mönche machen, um auch die kleinsten Tiere nicht zu verletzen?
Der entscheidende Punkt für die Beurteilung dieser Fragen scheint das Leiden zu sein: Bis zu welchem Grad dürfen wir andere Lebewesen leiden lassen? Wenn es um unser nacktes Überleben geht, wird wohl kaum einer das Wohlergehen eines Tieres über das eines Menschen stellen: Einem Veganer, der seit Tagen Hunger leidet, wird es keiner krumm nehmen, wenn er ein Stück Fleisch isst – sofern es das einzig Essbare ist, das ihm zur Verfügung steht.
Bevor uns ein Moskito sticht und Malaria überträgt, hauen wir lieber drauf. Und die Inuit in Grönland müssen Tiere jagen, zerlegen und essen, ansonsten würden sie verhungern. Gleiches gilt für Nomaden- und Steppenvölker, die nicht sesshaft sind und deshalb keinen Ackerbau betreiben können. Hier, und nur hier, liegt eine relevante Ausnahme vor, die allerdings nicht für die westlichen Industrienationen zutrifft.
Wenn die westlichen Industrienationen ein pralles Leben auf Kosten des Leids anderer Tiere führen, hört der Spaß auf: Kein Mensch braucht Nerz-Mäntel, kein Mensch braucht tagtäglich ein Schnitzel auf dem Teller und kein Mensch braucht Elfenbein-Trophäen. Das vorherrschende abendländische Paradigma, dass Tiere reine Gegenstände oder wertneutrale Objekte sind, gehört auf die Müllhalde der bürgerlich-kirchlichen Ideengeschichte.
Alle Tiere haben ein Recht auf Leben
Tiere haben ein Recht auf Leben und ein Recht auf den Schutz ihrer Würde, die sie dadurch gewinnen, dass sie individuell und durch nichts in der Welt zu ersetzen sind. Kein Tier gleicht einem anderen. Kein Hundebesitzer würde es zulassen, dass man seinen Hund tötet und durch einen Artgenossen ersetzt. Ja, schon die Hundemutter, die nicht über die menschliche Ethik verfügt, würde sich einer Ersetzung ihrer Welpen massiv widersetzen.
Rein ethisch betrachtet ergibt es überhaupt keinen Sinn, dass wir zum Beispiel Millionen von Schweine töten (lassen), aber unserer Hauskatze niemals auch nur ein Haar krümmen würden – zumal Schweine deutlich intelligenter sind als Hauskatzen. Egal, ob Schwein oder Stubentiger: Jeder Organismus hat einen einmaligen Mix seiner Gene und einen individuellen und lebendigen Körper. Wird dieser Körper abgetötet, so ist er unwiderruflich seiner Existenz beraubt; er wird in dieser einmaligen Individualität nie wieder existieren können.
Diese Individualität und Zweckhaftigkeit eines jeden Tieres sind durch nichts in der Welt zu ersetzen, d.h. Tiere haben keinen Preis, sondern einen Wert, der sich nicht in ökonomischen Maßstäben ermitteln lässt, da sie sonst ein austauschbares Gut wären. Und dadurch, dass Tiere Zwecke anstreben und „Ja“ zum Leben sagen, haben wir schlichtweg nicht das Recht, „Nein“ zu ihrem Leben zu sagen.
Die Rede von einer „Würde der Tiere“ führt bei vielen sicherlich zu Bluthochdruck. Nichtsdestotrotz fehlt bislang ein einziges ethisches Argument für die gerechtfertigte Tötung von Tieren. Warum sollte die sogenannte Krone der Schöpfung milliardenfach anderes Leben auslöschen dürfen? Heutzutage haben wir – also die Bewohner der Industrienationen – mit Tieren meistens nur dann Kontakt, wenn sie tot auf unserem Teller liegen. Unsere Speisekarten sind die blutigsten Schriften, die wir schreiben. Frei nach dem Motto: Und willst du nicht mein Schnitzel sein, dann schlag ich dir den Schädel ein.
Plädoyer für ein Ende des Gemetzels – oder das Gemetzel?
„Seid gut zu den Menschen, zu den Pflanzen und zu den Tieren! Hetzt weder Menschen noch Tiere, noch fügt ihnen Leid zu!“ Das forderte der chinesische Philosoph Laozi vor rund 2.600 Jahren. Seitdem hat sich die Lage der Tiere nicht gerade verbessert; im Gegenteil: Pro Jahr werden weltweit 65,5 Milliarden Tiere geschlachtet – ganz zu schweigen von den 2.700 Milliarden Fische, die jährlich gefangen werden. Zum Vergleich: Seit der Steinzeit haben rund 100 Milliarden Menschen auf der Erde gelebt.
Das Tiermorden ist also gigantisch, wie die Tierethikerin Hilal Sezgin in ihrem Buch “Artgerecht ist nur die Freiheit” schreibt: „Wir schlachten in anderthalb Jahren mehr Tiere, als je Menschen auf der Erde gelebt haben. Was ist in diesem Zusammenhang also radikal: Das Plädoyer für ein Ende des Gemetzels – oder das Gemetzel?“
Tiere sind keine reinen Fress- und Kotmaschinen, sie wollen nicht nur mit Nahrung versorgt werden, sondern selbstbestimmt ihre Nahrung suchen, jagen oder pflücken. Tiere wollen ihre Umwelt erkunden, spielen und Sex haben. Aber ebendiese Natur selbst ist doch grausam, mögen Kritiker einwenden: Maulwürfe beißen Regenwürmen den Kopf ab, um sie reglos aber lebendig in ihren unterirdischen Vorratskammern zu halten. Und manche Haie fressen ihre Schwestern und Brüder bereits im Mutterleib. Müssen wir dann in die Natur eingreifen, um die Natur vor sich selbst zu schützen?
Diese Fragestellung, die unter dem Stichwort „policing nature“ läuft, führt in die Irre. Wildtiere haben zwar Rechte uns gegenüber, aber nicht gegenüber ihrem natürlichen Feinden. Es gibt in ihrem Lebensraum schlichtweg keine moralischen Akteure. Der Mensch jedoch ist ein moralischer Akteur. Er schreibt sich sogar auf die Fahnen, die Gewalt gegen andere Menschen zu kriminalisieren und pathologisieren – aber die Gewalt gegen Tiere ist legalisiert und institutionalisiert.
„Aber wir haben doch schon immer Fleisch gegessen!“ Die Tradition des Fleischkonsums ist ein schwaches Gegenargument. Denn auch die Rassendiskriminierung, der Schwulenhass und die Unterdrückung der Frauen haben eine ebenso lange wie traurige „Tradition“. Der Mensch – und nur der Mensch – hat eine Wahlfreiheit und damit eine Verantwortung. Denn im Gegensatz zum Löwen, der eine Gazelle jagt und dann frisst, kann der Mensch sich bewusst gegen den Verzehr von Fleisch entscheiden.
Kategorischen Imperativ auch für Tiere?
„Verantwortung ist die als Pflicht anerkannte Sorge um ein anderes Sein“, schreibt Hans Jonas. Wenn wir einen Menschen in Not sehen, dann gebietet uns die Situation, dass wir alles Erdenkliche tun, um diesem Menschen zu helfen. Wer die Verantwortung verweigert, wird der „unterlassenen Hilfeleistung“ angeklagt. Die Menschheit macht sich kollektiv der unterlassenen Hilfeleistung schuldig. Hätte die Natur eine Stimme, so würde sie mannigfach Strafanzeige gegen uns erstatten.
Jonas‘ Philosophie gipfelt in der Formulierung eines erweiterten Kategorischen Imperativs: „Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.“ Ausschneiden, aufhängen, beherzigen! Dieser Imperativ sollte die weltweite Tierrechtsdebatte begleiten.
Abgesehen von der obigen Argumentationslinie gibt es noch etliche weitere Punkte gegen den Fleischverzehr: Der schwerwiegendste dürfte wohl darin liegen, dass wir einem ökologischen Kollaps entgegensteuern, wenn jeder der sieben Milliarden Erdenbewohner tagtäglich ein Steak verputzen möchte.
Carnivore weisen häufig darauf hin, dass wir in der Evolutionsleiter schlichtweg höher stehen als die Tiere, die wir ja seit Urzeiten jagen, züchten und essen. Dazu ein kleines Gedankenexperiment: Eine uns weit überlegene Lebensform landet auf der Erde, jagt, züchtet und isst uns schließlich. Was sollen die Menschen – die in den Augen der anderen Lebensform höchst primitive Wesen sind, die ohnehin bloß ihren eigenen Planeten zerstören – dem entgegenhalten? Wir würden wohl damit argumentieren, dass wir ein Recht auf Leben haben, weil wir leben wollen und weil wir durch nichts in der Welt zu ersetzen sind. Gilt gleiches nicht für Tiere?
Wir leben in einer Zeit, in der die Würde des Lebendigen wie eine Utopie erscheinen mag. Denn schon die Würde des Menschen wird durch psychische und physische Gewalt tagtäglich dutzendfach verletzt. Wer aber die Würde des Lebendigen nicht nur denkt, sondern auch aus ganzem Herzen lebt, für den ist die Würde des Menschen eine Selbstverständlichkeit.
Anm.d.Red.: Die Illustration im Text stammt von banksy.
Ok, weil es sonst wohl niemand getan hat, übernehme ich diese Aufgabe.
Hallo Patrick, ich sage es ungern aber: im Tierreich selbst gibt es jeden Tag eine gigantische Mord-Orgie, ungesühnt, unkontrolliert. Tiere fressen andere Tiere, bei lebendigem Leibe (kaum vorzustellen), gegen deren Willen. :(
Es tut mir so leid. Aber nun weißt Du es.
Viel Glück! Und lass den Kopf jetzt nicht hängen.
@ m:
Ich hoffe, Du siehst Dich (auch) als Kulturwesen, und nicht als reines Naturwesen. Oder läufst Du nackig durch die Fußgängerzone, weil das die “Natur” so will? Oder schlägst Du Deine Mitmenschen tot, weil das die “Natur” so will. Sorry, aber Dein Argument ist ziemlich schwach auf der Brust. Der Mensch hat – wie der Autor ganz richtig schreibt – eine Verantwortung. Nur er/sie kann moralisch handeln, ein Tier nicht. Das “Tierreich”, von dem Du sprichst, ist der Ethik (und zum Glück haben wir eine Ethik!) vollkommen schnuppe.
@1: kann man vielleicht eine Grenze ziehen, zwischen Menschen und Tieren, wie man sie zwischen verschiedenen Kulturen zieht, indem man sagt: *wir* respektieren *deren* Kultur auch wenn wir sie in ihren Ausprägungen nicht teilen.
Wenn man es so sieht, dann müsste natürlich auch im globalen Dorf viel häufiger Respekt vor anderen Kulturen an den Tag gelegt werden, anstatt zu sagen: wir sind die Hüter der Aufklärung, wer sich an unsere Ideale nicht hält, wird gemaßregelt, wenn nötig, sogar eliminiert.
Das Kuriose in diesem Zusammenhang ist, dass gerade Respekt vor anderen Kulturen, vor der Würde anderer Lebewesen mit dem Argument der verletzten Menschenrechte NICHT praktiziert wird. Also: wir zeigen uns respektlos gegenüber anderen Kulturen und gegenüber der Würde anderer Lebewesen mit dem Argument, sie verletzten Menschenrechte.
Das liegt an einem eurozentrischen/westlichen Wertekanon im Hinblick auf Menschenrechte. Und so müssen wir vielleicht auch die Würde von Tieren universeller/pluraler denken als die Menschenrechte bislang gedacht und entworfen worden sind.
Jeder einzelne mag für sich entscheiden, ob er Tieren gegenüber eine moralische Verpflichtung hat. Allgemein gibt es diese moralische Verpflichtung aber nicht. Und eine Art naturgegebenes Recht der Tiere gibt es natürlich schon gar nicht.
@ Sabine: Dein Kommentar trifft es ziemlich gut, finde ich.
@ “m” und “Tim”: Tiere sind keine moralischen Akteure – deshalb kann ein Raubtier nicht zur Verantwortung gezogen werden, wenn es ein anderes Tier tötet. Ich argumentiere im Artikel auch nicht für ein “policing nature”, dass wir also alle Gazellen der Welt vor den Löwen retten sollen. Weshalb und woher aber sollen Menschen das Recht haben (und sie nehmen es sich milliardenfach heraus dieses Recht), andere Lebewesen zu quälen und zu töten? Ethisch-moralisch gesehen entsteht hier nur Leid, aber kein Nutzen. Tiere wollen leben, sie bekunden ein Interesse am Leben – und aus dem Umstand erwächst unsere moralische Pflicht, diesen Lebenswunsch zu achten.
@ Patrick Spät
O.K., Tiere wollen leben. Aber warum erwächst daraus für uns eine moralische Pflicht?
Da fehlt noch ein Argument.
@ “Tim”:
Das Argument steht im Text:
“Da Tiere Zwecke anstreben, setzen sie auch Werte, denn das Nichterreichen eines (wünschenswerten) Zwecks stellt ein Übel dar. […] Ein Organismus hat eine Würde, d.h. er hat keinen Preis, der den Organismus zu einem beliebig austauschbaren Objekt machen würde, sondern ein gegen nichts abzuwägendes Recht, als Subjekt zu existieren. Organismen verfolgen Zwecke und sind damit schon ein Zweck an sich.”
Die bloße Existenz ihres Lebens gebietet uns Menschen (also Wesen, die moralisch handeln können), dass wir dieses Leben achten. Tiere sind kraft ihres Lebendigseins Wesen, die Zwecke verfolgen (nämlich mindestens den Zweck, am Leben bleiben zu wollen). Indem wir Tiere quälen und töten, verletzen wir diesen Zweck – der deshalb eine moralische Dimension hat, weil er zugleich Werte setzt (siehe Artikel).
@ Patrick Spät
Das überzeugt mich ehrlich gesagt nicht. In Deiner Argumentation stecken mehrere Prämissen, die nicht aus sich selbst heraus gültig sind. Damit ist auch die Schlußfolgerung nicht gültig.
Anders gesagt: Man kann es ja durchaus so sehen wie Du. Aber für eine allgemeine Verpflichtung ist die Argumentation zu schwach.
tutti sono indispensabili compreso i carnivori senza contare che anche i vegetali si nutrono evitiamo discorsi patetici
possiamo rilegare il tutto in relazione a dei sentimenti con delle distinzioni non mangio il gatto perchè è domestico ecc……
die fleischfresser suchen immer eine faule ausrede das erzärnt mich immer
wieder
ja was ist den das frage ich mich immer die meisten fleischfresser kommen
vvon der katholischen reformierten und moslimischen kirche mosche
die dürfen fleisch fressen weil der papst es so emphielt und anordnet
jesus hat dieses nicht gewollt
warum fressen sie fleisch
jesus gab jeden tier eine seele der ganzen natur pflanzen und mineralien
also was wird da rum pilosophiert
und in der zwischenzeit sterben millionen unser heis geliebten tiere
die fleischfresser sind alle tiermörder
und gehören ins gefängnis