Sorgearbeit in der verschmutzten Stadt: Wie können wir für uns selbst und unsere urbane Umwelt sorgen?

Mehrschichtige Collage: Frauen bei der Arbeit im Gewächshaus einer landwirtschaftlichen Kooperative im ‚sozialistischen‘ Rumänien der 1970er Jahre; ein Wohnblock im heutigen Ferentari, einem von Roma bewohnten Slum in Bukarest, Rumänien; eine Krankenschwester in einem mit Müll gefüllten Hof vor dem Wohnblock und ein Krankenhausbett, das wie ein Sprungbrett arrangiert ist; eine Kletterin, die von einem Gebäude hängt. Artwork: Colnate Group, 2024 (cc by nc)
Artwork: Colnate Group, 2024 (cc by nc)

In den von der Umweltverschmutzung besonders betroffenen urbanen Räumen ist die Belastung durch die Sorge um menschliches und mehr-als-menschliches Lebens um ein Vielfaches höher. Diese Belastung trifft vor allem marginalisierte, rassialisierte und verarmte Gemeinschaften, die darum kämpfen, ihre Angehörigen von Tag zu Tag am Leben zu erhalten und sich gleichzeitig um ihre Umwelt und andere Spezies zu kümmern. Angesichts der wachsenden sozio-ökologischen Ungleichheiten ist es höchste Zeit, die Idee und Praxis der sorgenden Stadt zu politisieren, argumentieren Ioana Florea und Roxana Oprea in ihrem Beitrag zur „Kin City“-Textserie.

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Wir möchten eine Diskussion über die Rolle von Sorge und Sorgearbeit in den tiefgreifenden räumlichen Transformationsprozessen der Städte, den sozio-ökologischen und ökonomischen Veränderungen des Spätkapitalismus anstoßen. Ausgehend von unseren persönlichen Erfahrungen und unseren Erfahrungen als feministische Roma-Aktivistinnen sowie als Aktivistinnen für Wohnrechte in Rumänien glauben wir, dass Sorgearbeit eine wesentliche Ressource ist, eine Infrastruktur des Lebens, die vom Kapitalismus absorbiert wird und die wir uns zurückerobern müssen. Wie wird diese Rückeroberung in einer Zeit verschmutzter Lebensräume und verschmutzter Lebensgrundlagen aussehen und wie wird sie sich auf nichtmenschliche Spezies erstrecken? Wir wissen es nicht, deshalb fällen wir keine Urteile oder machen endgültige Aussagen. Wir hoffen nur, dass diese Diskussion weitergeht und wächst – unter uns, unseren Leserinnen und Lesern, und nach und nach auch unter vielen anderen, zum Wohle all unserer Mitgeschöpfe.

Angesichts der Tatsache, dass diese Gesellschaft ‚unsere erweiterte Familie‘ sein sollte – ja, das Verwandtschaftsnetzwerk, das uns alle umfasst – wie ist das Verhältnis unserer Gesellschaft zu Sorge und Sorgearbeit? Wer leistet Sorgearbeit? Gibt es Unterschiede zwischen Stadt und Land? Vielleicht sollten wir zunächst fragen, ob es ein Bewusstsein für Sorgearbeit gibt und ob sie überhaupt als Arbeit anerkannt wird. Vielmehr wird sie häufig als ‚natürliches‘ Attribut der Geschlechterrollen angesehen und geht automatisch mit geschlechtsspezifischen Verantwortlichkeiten einher: Sorgearbeit fällt häufig auf die Schultern der Frauen. In bestimmten ländlichen Kontexten wird sie auch automatisch mit Altersrollen assoziiert, z.B. ältere Geschwister, die sich um jüngere kümmern, oder das jüngste Geschwisterkind, das sich um die alternden Eltern kümmert. Darüber hinaus wird Sorgearbeit in der Regel nicht als Arbeit, sondern als Pflicht, Verantwortung, Loyalität oder Liebe wahrgenommen.

Die Sorgearbeit, die zumeist von Frauen und Mädchen geleistet wird, ist Ausdruck des Patriarchats und tiefer geschlechtsspezifischer Ungleichheiten. Unsere Erfahrung zeigt, dass in vielen einkommensschwachen Haushalten Frauen die häusliche Pflege für ihre Angehörigen übernehmen, auch wenn sie krank, menstruierend, schwanger oder im Wochenbett sind. Sie tun dies aus Verantwortungsgefühl und Loyalität, um die sozialen und familiären Erwartungen zu erfüllen, aber auch, weil sie keine andere Wahl haben, da ihr Haushalt über keine anderen Sorgeoptionen verfügt. Für die Sorgenden ist es oft schwierig, Erwerbsarbeit und häusliche Pflege miteinander zu vereinbaren. Wir kennen Fälle, in denen Menschen ihre bezahlte Arbeit verloren haben, weil sie zu viel häusliche Pflegearbeit leisten mussten. Oder weil sie selbst krank wurden und Pflege brauchten. Den ‚Arbeitgeber*innen‘ war das egal. Wir glauben jedoch, dass ‚Arbeitgeber‘innen‘ mehr Verständnis für die Betreuung von Kindern aufbringen als für die Betreuung und Pflege älterer Menschen oder anderer erwachsener Angehöriger mit gesundheitlichen Problemen (körperliche Behinderungen, psychische Probleme, chronische oder lebensbedrohliche Krankheiten).

Reminiszenzen an ‚sozialistische‘ Gesellschaften

Was passiert nun, wenn Menschen, die diese Art von Arbeit verrichten, pflegebedürftig werden? Oft können sie keine Pflege in Anspruch nehmen, weil niemand anders sie anbietet. Wir sollten mehr über diejenigen sprechen, die Sorgearbeit leisten, wir sollten ihre Arbeit als Arbeit anerkennen, wir sollten uns um sie kümmern. In gewisser Weise war dies das sozialistische Ideal in unserer Region: die Institutionalisierung der häuslichen Pflege, die in öffentliche Dienstleistungen und öffentliche Infrastruktur umgewandelt wurde, wie Kinderkrippen, Altenheime, Kantinen für alle. Natürlich wurde dieses Ideal in den ‚sozialistischen‘ Gesellschaften nicht vollständig verwirklicht.

Auf der anderen Seite gibt es Kulturen, in denen institutionalisierte Sorge, insbesondere für ältere Menschen, stark abgelehnt wird. Möglicherweise handelt es sich dabei nicht um eine kulturelle Prädisposition, sondern um eine pragmatische Sorge um die Qualität institutioneller Dienstleistungen, wie z. B. Palliativpflege oder Sterbebegleitung, in bestimmten wirtschaftlichen Kontexten. Hinzu kommt, dass viele Pflegeeinrichtungen Menschen mit psychischen Problemen ausschließen, die oft als Belastung und ‚unerwünscht‘ angesehen werden. Außerdem ist das derzeitige privatisierte System sehr teuer: In Rumänien kostet ein Monat in einem Pflegeheim etwa das Doppelte des Mindesteinkommens. Die Betreuung von Kindern und älteren Menschen ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Gesellschaft. Wenn diese Arbeit nicht ehrenamtlich in der Familie – in der Regel von Müttern, Schwestern, Tanten, Töchtern – geleistet werden kann, machen die Unternehmen, die diese Dienstleistungen anbieten, riesige Gewinne.

Apropos Kinder: Wir neigen dazu, diejenigen zu schätzen, die sich um sie kümmern, aber wo sind die gesunden Grenzen? Diejenigen, die sich um sie kümmern, sind oft nicht stolz darauf und schätzen sie nicht, weil sie nicht einmal die Wahl haben. Sie haben nicht einmal die Zeit, innezuhalten und sich selbst in dieser Position zu schätzen. Die Person, die die Last und die Verantwortung trägt, die andere ernährt, die andere putzt, die ständig hilft, wird in Wirklichkeit ausgenutzt. Aus dieser Dynamik entstehen ungleiche Beziehungen – das sind ganz grundlegende Machtverhältnisse. Ohne Arbeitsvertrag im häuslichen Kontext, ohne Lohnzusatzleistungen. Pflegearbeit muss entlohnt werden.

Die dreifache Belastung

Wir kennen Fälle von Heranwachsenden, die in ihrer Jugend keine Unterstützung von Erwachsenen hatten und für die es nicht normal war, um Hilfe und Fürsorge zu bitten. Sie mussten von klein auf für sich selbst sorgen. Diese Situation kann zu Traumata im Erwachsenenleben führen. Schlimmer noch, wir wissen von Mädchen, die die Schule abbrechen mussten, um sich um jüngere Geschwister oder prekäre Haushalte zu kümmern. Von denjenigen, die Sorgearbeit nicht leisten, wird sie geschätzt und in gewisser Weise verbal gelobt: „Du machst das so gut“, „Du bist so gut darin“, „Du zeigst so viel Liebe“, „Du bist die Einzige, die das kann“. Und das kann eine Falle sein.

Es wird behauptet, dass Sorgende sich selbst nicht als Sorgende sehen. Ist das wirklich so? Es mag Menschen geben, die viel für andere, aber nicht für sich selbst sorgen, und andere, die sich nur um sich selbst kümmern und es ablehnen (oder nicht ablehnen müssen), für andere zu sorgen. Diese Spaltung wird durch das kapitalistische System verstärkt und ausgenutzt, das Selbstpflegeprodukte, Lebensmittel, Kosmetika usw. fördert. Eine Arbeitsteilung, die einer doppelten Falle gleicht: zu viel Selbstpflege oder zu viel Fürsorge für andere; und sie ist eng mit Klassenunterschieden verbunden. Die Wohlhabenden können es sich leisten, sich auf die Selbstsorge zu konzentrieren, sie können ihre Kinder und Alten in die Fürsorge anderer schicken, sie können die Fürsorge in Institutionen und Infrastrukturen auslagern, die für die weniger Wohlhabenden unzugänglich sind. Letztere müssen sich um ihre eigenen Familien kümmern und gleichzeitig in (schlecht bezahlten) Berufen arbeiten, die sich um andere kümmern.

Es handelt sich also nicht nur um eine Doppelfalle, sondern auch um eine Doppelbelastung: Pflegekräfte in Pflegeheimen, -zentren und Krankenhäusern sind Frauen aus der Arbeiter*innenklasse, die sowohl häusliche als auch institutionalisierte Sorgearbeit leisten. Das Gleiche gilt für Kinderbetreuerinnen und Hausangestellte. Es handelt sich sogar um eine dreifache Belastung, denn diejenigen, die diese Doppelbelastung tragen, haben weder die Zeit noch die Mittel, sich selbst zu versorgen. Die Reichen hingegen können sich selbst verwöhnen und baden und müssen weder Lohnarbeit noch häusliche Sorgearbeit leisten. Wie viele Menschen, die im Spa arbeiten, könnten es sich leisten, selbst mal dahin zu gehen? Und wer kommt für die externen Umwelteffekte auf, die entstehen, wenn sich die Reichen verwöhnen (lassen)?

Auf dem Weg zur sorgenden Stadt

Apropos externe Effekte: Wie hängt die Sorgearbeit mit den Umwelt- und Lebensbedingungen in der Stadt zusammen? Es ist praktisch unmöglich, Sorgearbeit zu leisten oder zu erhalten, wenn es keinen angemessenen Wohnraum gibt, wenn alte Menschen und Kinder auf engstem Raum zusammenleben, wenn die Bedingungen für behinderte Haushaltsmitglieder nicht gegeben sind. In einer solchen Situation sind die Lebenserwartung und die Lebensqualität aller Familienmitglieder stark eingeschränkt. In diesem Zusammenhang spielen die Umweltbedingungen eine wichtige Rolle bei der Verschlechterung oder Verbesserung der Lebensqualität und der Gesundheit und haben einen starken Einfluss auf die Sorgebedürftigkeit. Das Leben in verschmutzten Gebieten mit eingeschränktem Zugang zu sauberem Wasser, Heizung und Energie verdoppelt oder verdreifacht die Sorgebelastung. In prekären Situationen, in denen die Menschen von einem Tag auf den anderen darum kämpfen, ihre Angehörigen am Leben zu erhalten, ist es manchmal schwierig, sich um andere Spezies zu kümmern. Auf der anderen Seite sind prekäre und rassialisierte Stadtviertel die Orte, an denen die Auswirkungen der kapitalistischen Ausbeutung anderer Arten am deutlichsten zu spüren sind.

Wie sähe eine sorgende Stadt aus? Zunächst einmal würde sie denjenigen, die Sorgerbeit leisten, mehr Raum geben, um darüber zu sprechen. Denn heute haben die Menschen manchmal sogar Angst, darüber zu sprechen – um nicht als schwach, verantwortungslos, weniger liebevoll oder weniger loyal zu gelten. Wir kennen Menschen, die ältere Angehörige pflegen, die an Krebs und Demenz erkrankt sind. Das erfordert Pflege rund um die Uhr. Und das muss bezahlt werden. Wir kennen Menschen, die zwei Jobs haben, die Doppelschichten arbeiten, um die professionelle Hilfe für ihre Angehörigen bezahlen zu können. Wie wir es auch betrachten, es ist eine Menge Arbeit! Am besten wäre es, wenn diese Arbeit von Fachkräften in einem kostenlosen öffentlichen System geleistet würde, das für alle zugänglich ist, auch für diejenigen, die ganz allein sind. Wir bräuchten ein Gesundheits- und Sozialsystem mit genügend Personal, das nicht überlastet, gut ausgestattet und ausgebildet ist, mit genügend Freizeit und Psychotherapie. Außerdem würden alle im Laufe ihres Lebens einen Teil dieser Arbeit leisten – nicht nur für die eigene Familie.

Während der COVID-19-Pandemie wurden Plattformen für Freiwillige eingerichtet, die sich um ältere Menschen kümmerten, für sie Einkäufe und Medikamente besorgten oder ihre Haustiere ausführten. Das ist eine wunderbare Reaktion der Gemeinschaft, die über unsere Spezies hinausgeht. Menschen haben wunderbare Ressourcen für die Pflege; Pflege kann wie Reichtum eine breit und gerecht geteilte Ressource sein, aber das wird auf gesamtgesellschaftlicher Ebene nicht gefördert. Warum brauchten wir auf globaler Ebene etwas so Schwerwiegendes wie eine Pandemie, um gemeinschaftliche Reaktionen zu motivieren und zu mobilisieren? Wie können wir nun, da wir das Potenzial und die Hoffnung erkannt haben, diese verbessern und sogar auf mehr-als-menschliches Leben ausdehnen? Wir sollten damit beginnen, dafür zu sorgen, dass die unsichtbarsten, verletzlichsten und am meisten marginalisierten unserer Verwandten von dieser ‚Antwort der Gemeinschaft‘ profitieren.

Anmerkung der Redaktion: Die Erstellung dieses Artikels wurde durch Östersjöstiftelsen unter der Fördernummer DNR 22-GP-0001 ermöglicht.

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