Situierte Pflanzenökologien: Mikropolitik von Straßenbäumen in Coimbatore

Vielschichtige Collage: Selbst gepflanzte Bäume in der Innenstadt von Coimbatore, Indien; die Fledermäuse, die von diesen Bäumen angezogen werden, fliegen umher. Artwork: Colnate Group, 2024 (cc by nc)
Artwork: Colnate Group, 2024 (cc by nc)

Die Entwicklung einer politischen Stadtökologie jenseits westlicher Rahmungen und Narrative bedeutet nicht zuletzt, sich mit Interventionen auseinanderzusetzen, die sich sowohl den Narrativen biopolitischer Top-Down-Regime als auch den Bottom-Up-Modellen kommunaler Beteiligung an Begrünungen widersetzen, argumentiert Charrlotte Adelina in ihrem Beitrag zur „Kin City“-Reihe, der eine Umweltinitiative in Coimbatore, Indien, erkundet.

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Um die Grenzen urbaner politischer Ökologie im Kontext von Stadtbegrünungen zu erfassen und zu erweitern, lädt dieser Beitrag die Leserin und den Leser ein, über eine ambivalente Begegnung während meiner Feldforschung in Coimbatore nachzudenken: Ich fuhr mit meinem gemieteten Motorroller eine schmale Ausfallstraße in einem zentralen Stadtteil von Coimbatore entlang. Die Straße verbindet zwei wichtige Orte in der Stadt: eine vierspurige Kreuzung mit Schulen und Krankenhäusern und ein zentrales Viertel, das im Rahmen des ‚Smart City‘-Programms für die Freizeitgestaltung der oberen Mittelschicht umgestaltet worden war. Die Straße wimmelte von Student*innen, kleinen Pottikadai-Läden (Lebensmittelläden) und Salons, die von einer Reihe blühender Badam- und Jamun-Bäume gesäumt waren. Als ich mich nach der Pflege dieser Bäume erkundigte, verwiesen mich die Ladenbesitzer*innen an Prakasam.

Prakasam ist Verkehrspolizist und parkt an der Kreuzung. Er arbeitet jeden Tag ein paar Stunden. Seit seiner Kindheit pflanzt er Bäume. Jetzt, wo er ein Haus und etwas Freizeit hat, pflanzt und verschenkt er kostenlos Setzlinge. Stolz erzählt er mir: „Alle Bäume, die du siehst, so weit das Auge reicht, habe ich gepflanzt“. Rund 7.000 Bäume soll er in den beiden zentralen Stadtteilen von Coimbatore gepflanzt haben, und er pflanzt Bäume, wo immer Platz ist – auch auf Schulhöfen, Friedhöfen, Tempelanlagen und an Straßenrändern. Die meisten Menschen in diesen Gegenden, sagt er, würden bestätigen, dass es ein Tempo-kaarar (wörtlich: Tempomann) war, der das Viertel begrünt hat.

Begrünung der Nachbarschaft

Seine Vorgehensweise ist einfach: Direkt an der Kreuzung schöpft er Wasser aus dem Graben in einen Krug und gießt damit seine Setzlinge, die er auf einem behelfsmäßigen Holzkarren platziert hat. Vor etwa fünf Jahren, so erzählt er, habe er die Erlaubnis erhalten („mündlich, nicht schriftlich“, stellt er klar), einen an einen Friedhof angrenzenden Strauchgarten als Baumschule zu nutzen. Wenn die Setzlinge in seinem Wagen eine bestimmte Höhe erreicht haben, werden sie in die Baumschule gebracht, wo er etwa 3.000 Töpfe hat. Es geht ihm nicht um Ruhm und Ehre, sondern darum, die Stadt vor der Verödung zu bewahren und sie kühl zu halten. Er freut sich, wenn jemand erwähnt, dass ein von ihm gepflanzter Jamun oder eine Affenschote Früchte trägt.

Auf die Frage, ob ihn jemand bei seinem Vorhaben unterstützt, antwortet Prakasam: „Eigentlich sind alle sauer auf mich“, denn es gab schon einige Nachbarschaftsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Baumpflanzung. Von Verhandlungen mit Beamt*innen der Abwasser- und Elektrizitätswerke über Bäume, die die Versorgungsinfrastruktur behinderten, bis hin zu heftigen Auseinandersetzungen mit Hauseigentümer*innen, die die Bäume als „störend“ empfanden – seine Geschichten sind voller Konflikte. Die Hausbesitzer*innen wollten nicht die Art von Geselligkeit, zu der Bäume einladen: Nicht nur, dass die Wurzeln die Mauern eines Grundstücks zum Einsturz bringen können, das Blätterdach, das die Temperatur regulieren kann, zieht auch Menschen und parkende Motorroller an, sowie Fledermäuse, Eichhörnchen und Krähen, die Nahrung und Unterschlupf suchen.

Einmal schlug er einen Friseur, der seinen Baum fällte, als die Krone das Schild verdeckte, und schleppte ihn zur Polizeiwache. Ein Gemeinderatsmitglied hegt einen tiefen Groll gegen ihn, weil Prakasam bei der Forstbehörde eine Beschwerde gegen einen Politiker eingereicht hatte, der einen Baum gefällt hatte, um sein neues Banner zu zeigen, mit dem er den Beginn seiner politischen Karriere gefeiert hatte. Er beschwert sich über Ziegenhirten, die ihre Herden „unverantwortlich“ weiden lassen und die „Zivilisation“ der Stadt zerstören. Deshalb müsse er jetzt 350 INR ausgeben, um die Setzlinge mit Drahtnetzen einzuzäunen. Verwirrt frage ich: „Sind Sie politisch aktiv?“ „Alle politischen Parteien versuchen, mich für sich zu gewinnen, aber ich bin kein Mitglied einer Partei“, antwortet er.

Ambivalente Intentionen und chaotische Mikropolitiken

In diesem Moment wurde mir klar, dass die Literatur über Stadtbegrünung mich nicht in die Lage versetzt hatte, die ambivalenten Absichten und die chaotische Mikropolitik der Begrünung zu verstehen, die von Leuten wie Prakassam betrieben wurde. Seine Geschichte passte nicht in die Erzählungen von biopolitischen Top-Down-Regimen oder Bottom-Up-Modellen der gemeinschaftlichen Beteiligung an der Begrünung von Städten. Er nutzte die Begrünung nicht nur als Arena für sein komplexes Engagement in der Nachbarschaftspolitik, sondern der Akt der Begrünung selbst war ein Schauplatz mehr-als-menschlicher politischer Verhandlungen und Kämpfe mit den verschiedenen Akteur*innen in der Nachbarschaft. Seine Vision der Begrünung wurde durch eine Form dessen ermöglicht, was Blom Hansen und Verkaaik (2009) als „Infra-Macht“ bezeichnen. Jene zeigt sich in seinen humorvollen und gefährlichen Begegnungen und Arrangements in der Nachbarschaft, in seinen affektiven Erfahrungen in der Stadt, die zwischen Verlangen, Sehnsucht und Angst schwanken, und in seinen rhizomatischen und befreiten Visionen von Begrünung, die intellektuelle Traditionen archaisch erscheinen lassen.

Anna Zimmer (2015) hat im International Handbook of Political Ecology ein Kapitel mit dem Titel „Urban political ecology ‚beyond the West‘: Engaging with South Asian urban studies“ verfasst. Darin bietet sie mehrere produktive Ansatzpunkte für die Förderung einer pluralistischen Politischen Ökologie durch die Einbeziehung von Erkenntnissen der Stadttheorie „von anderswo“. Der Urbanismus des Südens zeigt, dass der Staat selbst ein heterogenes und fragmentiertes Gebilde ist, mit Vermittler*innen, die die Beziehungen zum Staat gestalten, und solchen politischen Organisationsformen, die den Zugang zu Dienstleistungen erleichtern. Das urbane Gefüge besteht aus Anfechtungen, Unordnungen und Fragmentierungen. So zeigt Zimmer etwa, wie eine Gruppe von Akteur*innen durch langwierige Verhandlungen und alltägliche Anfechtungen kämpfen muss, um ihre Ziele vollständig zu erreichen. Ein solcher Ansatz hilft uns, über einfache und dichotomisierte Rahmungen von ‚Gewinner*innen und Verlierer*innen‘ städtischer Umweltveränderungen hinauszugehen.

Ethik und Politik der Kin City

Indem sie über die Sozialität und die Mythologien der Stadt nachdenken, schreiben Hansen und Verkaaik darüber, wie sich die moralische Komplexität und die ‚realen‘ Wege, sich in der Stadt zurechtzufinden, einer soziologischen (und, wie ich hinzufügen möchte, politisch-ökologischen) Analyse entziehen. In ähnlicher Weise ist der ‚reale‘ Bereich der ‚Natur‘ aus dem analytischen Blickfeld der Stadtforschung und der politischen Ökologie verschwunden. Die Betrachtung der Lebendigkeit von Straßenbäumen als eigensinnige Wesen, die städtische Umgebungen sowohl bewohnen als auch formen, indem sie mehr-als-menschliche Beziehungen herstellen, kann uns helfen zu verstehen, wie Umweltfragen und lebendige Beziehungen mehr-als-menschliche Politiken, Beziehungen und Subjektivitäten formen.

In einer derart situierten politischen Stadtökologie lassen sich die konfigurativen Ergebnisse der vielfältigen Motivationen und Bedeutungen, die dem Pflanzenwachstum zugeschrieben werden, nachzeichnen. Ungleiche Regierungspraktiken und soziopolitische Verwerfungen können in den Beziehungen zu städtischen Umgebungen in situierten Vegetationsgeographien immer noch eine Rolle spielen. Die Stärke situierter Vegetationsgeographien liegt jedoch in ihrer Fähigkeit, uns auf bestehende Praktiken und Narrative der Begrünung jenseits vereinfachender ethisch-ästhetischer Register und Umweltvisionen aufmerksam zu machen. Sie spaltet (und erweitert) die Vorstellungen von Verwandtschaft, Kosmopolitik und Werden im Multispezies-Denken, indem sie Fragen der Macht und der verhandelten Ansprüche auf Raum aufwirft. Durch die Betrachtung der grünen Fragmente in der Stadt, wie sie Prakasam geschaffen hat, entsteht eine spannungsreiche Ethik und Politik der Kin City.

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