In einem durchschnittlichen Integrationskurs kann man sie finden. Jeden Morgen kommen sie durch die Tuer, leibhaftig und unzweifelbar real: Aliens.
Legal Aliens. Mit einer Selbstver- staendichkeit, als waere hier alles in bester deutscher Ord- nung, ziehen sie ihre Show ab, waehrend man immer dachte, derart abgefahren ueberzeichnet koennten nur das Klischee und Roberto Blanco sein. Um einem Polen im besten Mannesal- ter, morgens um neun schon oder noch oder immer suesslichen Spirituosengeruch verstroemend, ein bisschen Konversation auf Deutsch abzuringen, ist es zielfuehrend, Dinge zu sagen wie: >Frauen koennen Autofahren.< Oder >Bier ist auch Alko- hol<. Da kann er nicht anders, das muss er klarstellen. Sein gesellschaftsmodelltypisches Alter Ego ist das russische Muetterchen, immer lieb, ein bisschen vermitzt und mit schief gelegtem Kopf laechelnd, immer auf Missionskurs zum Nichtrau- chertum, Kirchbesuch und Schlaf vor Mitternacht. Ausserdem ist sie Vorkaempferin der osteuropaeischen Frauenvereinigung zum Durchmachen der Pause, damit die Landsmaenner keine Gelegenheit haben, aus dem Flachmann nachzuladen. Eine Thailaenderin ist auch immer dabei. Aus purem Zufall haben die immer deutsche Ehemaenner und deshalb schon einen unge- meinen Integrationsvorsprung: Selbst komplizierteste Wen- dungen wie >Schweinebraten mit Kloessen<, >Fruehjahrs- putz< oder >Wirtschaftsgeldsparen< gehoeren schon nach ei- nem halben Jahr Aufenthalt zu ihrem fliessenden aktiven Wort- schatz. Die Riege der Schneeprinzessinnen: Junge Araberinnen, voll- verschleiert, diesen Sommer in eisblauem Satin. Sie stellen die Musterschuelerin, kaum 20, aber drei Kinder. Fleissig und flink wie ein Heinzelmaennchen giert sie so nach Bestaetigung, dass sie fuer meinen Dozentinnengeschmack eindeutig ueber's Ziel hinausschiesst, was die Streberei betrifft: Sie bringt es auch nach fuenfmaliger Aufforderung einfach nicht ueber sich, aus didaktischen Gruenden die Klappe zu halten, damit die an- deren auch mal eine Aufgabe zu loesen gezwungen sind, son- dern kraeht wie ferngesteuert wieder in den Raum und freut sich auch noch haemisch und wie es der Schneekoenigin ge- buehrt, besser als die anderen gewesen zu sein.
Auch die vor 30 Jahren in Kreuzberg, aber nie in Deutschland angekommene tuerkische Grossfamilienmutter mit 13 Kindern, 32 Enkeln und bislang 7 Urenkeln gibt es. Stramme Leistung mit 49 Jahren. Kein Wunder, dass sich da nie so richtig die Ge- legenheit ergab, die >Oberste Direktive< zu ueberdenken und sie einen Schritt aus dem Gemueseladen heraus in den Erstkontakt mit den Eingeborenen treten zu lassen, so dass sie umgekehrt proportional zur Aufenthaltsdauer die gerings- ten Sprachkenntnisse vorzuweisen hat und auch keinen Fuss mehr sebststaendig vor den anderen setzen zu koennen scheint, denn maennliche Begleitung versucht auch gerne mal selbst bis in den Sprachkurs vorzudringen. Die wandelnden Klischees – sie sind unter uns.
bin gerade auch in der ZEIT über eine angrenzende Sache gestolpert: “Deutsche Sprache, tote Sprache.” Das ganze aktuelle Heft scheint dieser These/Frage gewidmet… ein Thema?
Inwiefern tot?
90 Millionen sprechen diese Sprache, vielleicht stellt sich aber die Frage, was genau die da eigentlich sprechen, das sich “Deutsch” nennt, geht es darum?