Der Schriftsteller Dietmar Dath sagt mit Blick auf die Jugend, eine Freundschaft werde erst dann richtig interessant, >wenn man gemeinsame Interessen hat, die ein bisschen abstrakter sind als Schwimmbad, Grillen mit den Eltern und Lego<. Ich denke: Das hat auch sehr mit den jeweiligen Beduerfnissen zu tun. So wuerde ich meine erste bewusste Phase von Gemeinschaft zum Beispiel als eine zwangslaeufige bezeichen, als Zusammenschluss von einzelnen die erst in einer Gruppe aufgehoben waren.
Ich komme aus einer sehr autoritaeren, provinziellen Umgebung und da war eben die Jugendbewegung tatsaechlich sehr nuetzlich, als launiger Freundeskreis und gleichzeitig gemeinsames, kaempferisches Kollektiv. Ich empfinde aber Schwimmbad, Grillen, Lego und Eltern ebenfalls als echt tofte und gleichzeitig lebensnotwendig. So ist mir das >Cousinen- und Cousintreffen< in meinem Ausgangsdorf heute der bezauberndste Termin im Jahr.
Als Mitglied der Band >Die Goldenen Zitronen< und auch als Individuum im gemischten System von popkulturellen und politischen Themen und Aktivitaeten habe ich bei internationalen Kontakten und Aufenthalten nur gute Erfahrungen gemacht. Es gibt diese gemeinsame Sprache von Subkultur, das habe ich immer sehr genossen. Heute glaube ich nur nicht mehr so sehr an die ehemals alternativen Zeichensetzungen, denn diese sind nahezu ausschliesslich ins Warensystem eingeflossen. Leider: The death of the cool.
Da ich selbst zwar kaum in Absicherung, aber momentan auch in keinerlei Armut lebe, muss ich umso feiner hinschauen, wie ich ueber solche Themen reflektiere. Sicher, meistens ist oder wirkt zumindest kuenstlerische Arbeit ueber Armut schnell kokett. Ich mag trotzdem niemandem absprechen, nach Uebersetzungen zu suchen, die solche Bereiche thematisieren und darzustellen versuchen. Meine Erfahrungen sind sehr unterschiedlich. Bei unserer Band gelingt es uns manchmal ganz gut, wenn sich Kunst und Politik ueberschneiden, mit entweder direkten faktischen Texten oder sehr starken Ueberhoehungen plus deutlicher Sprachhaltung eine Form zu finden, die sich glaubhaft anfuehlt. Im Theater ist das noch schwieriger, weil man angesprochene Verhaeltnisse eben auch oft sichtbar >spielt< und das macht sie noch unverstellter. Es gibt da den schoenen Satz, >Glotz nicht so authentisch< von Rene Pollesch, der trifft das Problem wunderbar wie ich finde.
Inwieweit meine Arbeit darauf abzielt, einen Diskurs ueber das Gemeinsame zu entfachen? Das ist eigentlich immer einer der zentralen Wuensche. Bei unserer Band ist das sowieso unabdingbar und im Theater nach meiner Auffassung ebenfalls, weil gerade dort Hierarchien vorinstalliert sind. Das laesst sich aber ganz gut aufzeigen und somit auch aushebeln. Zum einen in der gemeinsamen Probephase, in der wir nur untereinander sind. Zum anderen glaube ich fest daran, dass man als Zuschauer autoritaere, aber genauso auch gegenautoritaere Macharten schnell erkennen kann. Uebrigens in allen Kuensten.
Das Theater ist eine Zwangsgemeinschaft auf Zeit. Da braucht es schon ein gutes soziales Miteinander, wenn man zu etwas kommen will. Andererseits lebt es in einer relativen Parallelitaet. Ich empfinde dieses gemeinsame Nischendasein aber auch als luxurioese Chance fuer echtes Ausprobieren mit vielen, ohne sofort Verwertbarkeit zu liefern. Und dann kann sich Theater auch recht frei geben, kuenstlerisch und inhaltlich in seiner voelligen Genrevermischung. Ich bin ganz offen fuer die Foerderung dieser Versuchsgruppen, wenn sie sich deutlich zu ihrer gesellschaftlichen verhalten Umgebung, und klar dagegen, wenn sie reinen musealen Klassikschutz betreiben.