Schwimmen im Social Media-Ozean

Wasser steht häufig im Mittelpunkt, wenn es um den bedrohten Planeten Erde geht. Doch gerade die Omnipräsenz des nassen Elements in Zukunftsfragen erfordert ein Umdenken – weg vom Überflussdenken, hin zum Haushalten. Diese Verschiebung im Bewusstsein könnte mithilfe von Social Media vollzogen werden. Aber wie genau? Im nachfolgenden Interview gibt Daniel Schulz vom Institut für Umweltkommunikation Antworten auf diese Frage.

Was ist eigentlich unter dem Begriff Nachhaltigkeitskommunikation zu verstehen?

Mit dem Begriff Nachhaltigkeitskommunikation vollzieht sich im Vergleich zur Umweltkommunikation eine inhaltliche Ausweitung. Durch den Bezug auf das Leitbild der Nachhaltigen Entwicklung werden Umwelt- und Entwicklungsfragen miteinander in Verbindung gebracht. Damit erhöht sich der Komplexitätsgrad des Kommunikationsgegenstandes und gleichzeitig birgt die relative Unbestimmtheit des Nachhaltigkeitsbegriffs die Gefahr, dass sich damit nahezu alles etikettieren lässt, wie am Beispiel nachhaltiges Unternehmertum oder an der LOHAS-Diskussion deutlich wird.

Für die Nachhaltigkeitskommunikation besteht hier also die Herausforderung, eine Darstellungsform zu finden, die dieser Komplexität gerecht wird und doch so eindeutig ist, dass auch klar wird, was Nachhaltigkeit nicht ist.

Des weiteren rückt in der Nachhaltigkeitskommunikation die aktive Teilnahme an der Zukunftsgestaltung in den Blick, das heißt dass Kommunikation Handlungsoptionen aufzeigen und “Gestaltungskompetenz” fördern sollte und im Idealfall selbst partizipativ angelegt ist.

Welche Rolle spielen Social Media in diesem Zusammenhang?

Partizipation kann als ein Grundprinzip Nachhaltiger Entwicklung gesehen werden und ist bereits in der Agenda 21 verankert. Neue Medien und natürlich insbesondere nutzerzentrierte Social Media-Anwendungen scheinen hier auch für die Nachhaltigkeits- kommunikation ein besonderes Potential zu haben.

Dies gilt für Konsultationsprozesse, wie etwa den Online-Dialog zur deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, dies gilt aber auch immer dort, wo Menschen sich zum Thema Nachhaltigkeit zusammenfinden und “etwas tun” möchten, wie etwa im Bereich nachhaltiger Konsum, im Bereich von nachhaltigen Projekten, als Umweltaktivist oder als Blogger.

Welche konkreten Auswirkungen diese Medienformate haben werden, lässt sich bisher noch nicht mit Sicherheit sagen, aber mit zunehmender Verbreitung von Social Media-Formaten wird diese Art der Kommunikation an Bedeutung gewinnen.

Bekommen audiovisuelle Medien ein besonderes Gewicht?

Zunächst würde ich sagen, dass trotz der “YouTube”-Revolution im Internet nach wie vor textbasierte Darstellungsformen überwiegen. Nichtsdestotrotz ist durch audiovisuelle Medien eine viel emotionalere Ansprache möglich als durch Text. Auch können durch geeignete Bilder Sachverhalte sehr gut auf den Punkt gebracht werden und so im Idealfall durch eine “virale” Verbreitung durch die Internetnutzer eine große Aufmerksamkeit erreicht werden.

Einschränkend muss ich jedoch hinzufügen, dass sich über das Netz in der Regel am ehesten die Menschen erreichen lassen, die sich ohnehin schon für das Thema interessieren. Konkrete Beispiele sind jede Menge auf YouTube zu finden, von denen ich jetzt hier keines besonders herausstellen möchte. Einfach “Nachhaltigkeit” eingeben und ein bisschen schauen.

Welche Rolle spielt Text?

Text hat meiner Meinung nach zwei wichtige Bedeutungen. Erstens geschieht die unmittelbare Kommunikation zwischen Menschen im Internet weitgehend textbasiert. Ob in Foren oder Blogs, oder im Bereich des Instant Messaging oder auch in Microblogging-Formaten wie Twitter, in der Regel geschehen Diskussionen über Text. Dies gilt auch für die Umweltkommunikation.

Zweitens lassen sich über Text sehr effizient differenzierte Hintergrundinformationen darstellen. Hier kommt auch den “alten” Medien eine wichtige Rolle zu, die eine größere Öffentlichkeit erreichen können.

Welche Herausforderungen sehen Sie auf Textgestaltung zukommen?

Im Bereich der Nachhaltigkeitskommunikation sehe ich die Herausforderung darin, geeignete Begriffe zu finden, die präzise und ansprechend beschreiben, was unter Nachhaltiger Entwicklung zu verstehen ist und diese Begriffe im öffentlichen Diskurs zu etablieren und gegen andere Deutungen zu verteidigen.

Auch wenn mir keine wissenschaftlichen Untersuchungen diesbezüglich bekannt sind, würde ich als Beispiel für einen erfolgreichen Begriff den ökologischen Fußabdruck nennen. Damit wird ein anspruchsvolles Konzept intuitiv nachvollziehbar gemacht.

Kritisch, aber durchaus noch positiv würde ich den LOHAS-Begriff sehen, da dieser einerseits sehr positiv aufgeladen ist und er andererseits Diskussionen darüber anstößt, was unter einem nachhaltigen Lebensstil zu verstehen ist. Ebenfalls kritisch würde ich den Begriff CO2-Neutralität sehen, da er dazu benutzt werden kann, Energie- bzw. Treibstoffverbrauch zu rechtfertigen.

Gibt es im Hinblick auf Wasserthemen wegweisende Ansätze?

Zum Thema Wasser fällt mir als erstes das Konzept des virtuellen Wassers ein. Hier kommt meiner Meinung nach sehr gut zum Ausdruck, dass man Wasser nicht nur beim Duschen oder Zähneputzen verbraucht.

Welche Chancen hätte Ihrer Meinung nach der Begriff Wasserwelt?

Der Begriff Wasserwelt lässt mich als erstes an Kevin Costner denken und da geht es ja um eine Welt, wo Wasser im Überfluss herrscht. Die Herausforderung wird darin bestehen, mit diesem Begriff auch klar zu machen, dass gerade Trinkwasser in vielen Regionen ein knappes Gut ist und dadurch viele Folgeprobleme entstehen, wie etwa Konflikte im Zuge von Wasserprivatisierungen.

11 Kommentare zu “Schwimmen im Social Media-Ozean

  1. Hallo, in dem Interview werden viele interessante Punkte angesprochen. Ich habe mich schon immer gefragt, wo der Begriff “ökologischer Fußabdruck” eigentlich herkommt. Das zeigt, das Worte in der Kommunikation immer noch eine wichrtige Rolle spielen – nicht nur Bilder und Clips.

  2. Sie sprechen die Problematik der Knappheit von Wasser an. Ich persönlich sehe das sehr kritisch. Knappheit ist sicherlich ein Problem. Aber hier kommt auch sowas wie die Logik des Mangels zum Tragen, die so grundlegend ist für den Kapitalismus, der mit der green economy sein revival zu feiern scheint, in einem Bereich, in dem es nun wirklich nicht um wirtschaftliche Interessen im kapitalistische Sinne gehen sollte.

    Meine Frage: Lässt sich Ihrer Meinung nach die kapitalistische Logik des Mangels bei der Kommunikation von Wasser als knappes Gut überhaupt umgehen?

  3. virtuelles Wasser – das ist neu für mich! Ich kannte den Begriff noch nicht. Und ich finde ihn sehr plastisch! Mehrdimensional, irgendwie. Er regt die Fantasie an.

  4. ganz interessant, dass social media über diesen ganzen bezug zu umwelt und zukunft in neuer weise ein utopisches potenzial zugesprochen bekommen.

    interessant auch deshalb, weil sie eine zeit lang mit bestimmten utopien von einem besseren sozialen und politischen zusammenleben verbunden waren.

    vielleicht ist es jetzt an der zeit diese teils doch sehr vagen projektionen einer besseren welt nun mit einem konkreten vokabular und einem konkreten kontext auszustatten, wie es im bereich der nachhaltigkeitskommunikation zu funktionieren scheint.

  5. Der Wissenschaftler Tony Allan von der School of Oriental und African Studies an der University of London hat die Theorie vom “Virtual Water” entwickelt. Diese erklärt, wie viel Wassser wir indirekt durch den Konsum aller Dinge verbrauchen. Der Wissenschaftler erläutert seine geopolitisch brisante Analyse im Rahmen eines Vortrags beim Wasser-Schwerpunkt des Kampnagel-Sommerfestivals am 13. August um 19 Uhr. Allan erklärt auch, warum Wasserarmut selten zu Kriegen führt. Einen Tag später stellt für das soziale Netzwerk Viva con Agua die Hamburger Initiative auf Kampnagel aktuelle Projektvorhaben im Kampf gegen die weltweite Trinkwasserknappheit vor (14. August, 19 Uhr).

    ( http://www.kcl.ac.uk/schools/sspp/geography/people/acad/allan/research.html )

    ( http://www.kampnagel.de/sommerfestival/?page=kunst )

    ( http://www.vivaconagua.org )

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