Ich bin in Berlin geboren und jetzt 14 Jahre alt. Mein Vater kommt aus Martinique, das ist so ’ne Kolonie von Frankreich gewesen und meine Mutter ist Deutsche. Ich hab zuerst Deutsch Zuhause gelernt. Mein Vater hat mit mir am Anfang immer auf Franzoesisch gesprochen und irgendwann nach ’ner Weile gar nicht mehr, dann nur noch auf Deutsch. Aber trotzdem hab ich Franzoesisch nicht vergessen. Ich hab oft meine Grosseltern in Frankreich besucht und ich war im Sommer immer im franzoesischen Ferienlager. Diesen Sommer werde ich meine Oma in der Karibik besuchen. Ich bleibe fuer’n paar Monate und werde da die ganze Zeit Franzoesisch sprechen. Dann geh ich noch fuer’n Jahr zu meiner Tante nach Frankreich und bekomm noch mehr Sprachpraxis. Im Augenblick sprechen wir Zuhause eigentlich nur Deutsch. Ausser mit meiner kleinen Schwester, mit der spreche ich manchmal auch Franzoesisch.
Wenn ich am Wochenende mit meinen Freunden unterwegs bin, dann gibt’s manchmal voll den Sprachmischmasch. In der einen Ecke wird dann Portugiesisch geredet, die andern reden Franzoesisch und die andern dann wieder ’ne andere Sprache. Aber Deutsch koennen alle. Verstaendnisprobleme gibt’s da nicht. Es geht immer nur: >Ey, die Mulatten sind die Besseren!<, und dann sagt ein anderer: >Nee, die Nigger sind die besseren.<, und dann noch einer: >Nee, die Weissen!< Und manchmal beleidigen wir uns dann gegenseitig in Sprachen, von denen wir wissen, dass die anderen sie nicht koennen. Und zum Schluss gehen wir dann nach Hause und sagen auf Deutsch >Tschuess<. Dann ist alles okay. Wenn wir jetzt Deutsch mit ’ner andern Sprache mischen, dann meistens mit Englisch. Und meistens spontan. Wenn ich mit jemandem rede, dann sag ich manchmal: >Morgen geh ich in die Disco und hol mir ’n paar Maedchen, you know what I mean?< Und dann sagen die andern voll: >Yes!< Ueber meinen Vater bin ich zur Musik gekommen, weil er Musiker ist. Eigentlich ist er Trommler, aber inzwischen spielt er auch Dudelsack, weil man damit richtig viel Kohle verdienen kann. Er hat mich frueher, als ich noch total klein war, immer mitgenommen zu Konzerten und so und dann haben wir zusammen getrommelt. Heute mache ich Musik mit meinem besten Freund Tonito. Wir rappen zusammen und gehen noch zur Schule. Am liebsten wollen wir mit Rappen spaeter mal Geld verdienen. In den Discotheks, die nennen uns alle immer >Ying Yang Twins<, weil wir immer alles zusammen machen. Wir sind best friends, so seit der fuenften Klasse. Das ist noch nicht so lange, aber trotzdem sind wir best friends. Wir haben uns kennen gelernt, weil ich nicht auf Klassenfahrt mitgefahren bin und dann musste ich halt in die Parallelklasse und da war Tonito und dann haben wir immer zusammen gerappt, so Freestyle in der Pause, darueber, was wir dumm fanden von den Lehrern und die andern in der Klasse ham sich das auch angehoert. Und so sind dann Tonito und ich Freunde geworden. Unsere Crew heisst >Black United Power<. Das sind sechs Leute. Und dann sind wir noch in einer anderen Crew, XdaFrix. Die haben schon Videoclips und alles. Da sind richtig viele Leute drin. Bestimmt 40 oder 50. Alles Rapper, sind fast alle schwarz. Und wir sind, glaub ich, die einzigen Mulatten da drin. Und dann gibt’s noch ein paar Weisse. Vor kurzem haben wir bei der Aktion >Schreib Deine Geschichte< von der Multikulti-Seite mitgemacht. Da sollten Migrantenkinder ihre Geschichten erzaehlen. Die Freundin von meiner Mutter, die arbeitet da und die hat gesagt: >Rappt mal was vor<. Da haben wir dann den Rap >Berlin Bounce< beigesteuert. Den haben wir schon in der sechsten Klasse geschrieben. Das ist unser Standardtext, den rappen wir immer als erstes. Darin geht’s um die Stadt Berlin. Was uns gefaellt und was scheisse ist und so. Und an einer Stelle sagen wir auch: >Die Welt wird zerfallen, durch Krankheiten wie AIDS, SARS und Quallen<. Wir rappen ueber Themen, die uns nahe gehen. Wir haben bei der Aktion mitgemacht, klar, weil wir Fame wollten. Aber wir fanden auch die Idee cool, dass Migrantenkinder ihre Geschichten erzaehlen. Beim Rappen ist Sprache das Wichtigste. Klar, die Musik und der Beat zaehlen auch, aber die Rhymes muessen hinhauen. Wir schreiben unsere Texte eigentlich unabhaengig voneinander und dann gleichen wir die immer ab. Also mixen das Beste aus unseren Texten zusammen. Die Musik fuer unsere Raps, die machen wir dann selber am Computer. Wir haben auch schon was aufgenommen, aber dafuer sind wir dann extra zu so ’nem Tonstudio gefahren. Wir rhymen ohne Buecher. Du hast da ein Wort und dann musst Du halt schnell suchen, was dazu passt, irgendwas, das sich reimt. Auf Deutsch zu rappen, das gibt’s jetzt noch nicht so lange wie auf Englisch. Aber fuer uns war von Anfang an klar, dass wir auf Deutsch rappen. Frueher konnten wir halt noch kein Englisch, deswegen ham wir halt erstmal auf Deutsch probiert und jetzt fangen wir auch an auf Englisch zu rappen. Also so’n Mischmasch. Und trotzdem bleiben wir noch beim Deutschen, weil wir kommen halt zur Haelfte aus Deutschland, da muss man halt zu steh’n. Also um’s mal kurz zu fassen: Deutsch ist einfach unsere erste Muttersprache und deswegen rappen wir auf Deutsch, aber ist schon cool, das auch zu mischen. Auch wenn Deutschrap ziemlich geil ist, kommen unsere Vorbilder fast alle aus den USA, also Tupac Shakur, 50Cent, Busta Rhymes und so. Ich find, Deutsch passt auch eigentlich zu jedem Flow so. Man koennte ja jeden englischen Text auch auf Deutsch verfassen. Das wuerde ja auch klingen, aber nur fuer die Deutschen halt. Ueber Deutsch wird gesagt, dass es so abgehackt klingt und lahm und ohne Flow. Im Gegensatz zum Franzoesischen, wo alles so ineinander fliesst. Aber ich find, Deutsch hat auch manchmal seine Vorteile. Zum Beispiel wenn man jetzt Freestyle rappt und dann alles am fliessenden Band machen muss wie bei Franzoesisch, dann ist Deutsch manchmal besser, weil man noch zwischen zwei Worten noch kurz ueberlegen kann, was als Naechstes kommt. Meine Message fuer die Leser von der Berliner Gazette ist: >Der Tod ist sicher, das Leben nicht.< Der Spruch ist aus meinem Lieblingsfilm >Hustle and Flow< [5]. Da geht’s darum, dass man das Leben halt geniessen soll. Halt das hier und jetzt so.
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