Eklatant eklig

Mit >Feuchtgebiete< hat Charlotte Roche das Buch geschrieben, das ich auch schreiben wollte. Aber es ist schon ganz gut, dass sie es gemacht hat und nicht ich, denn ihres ist streckenweise so gut, dass es sogar mir zu eklig ist.

Auf anderes bin ich einfach noch nicht gekommen. Dass man beispielsweise ueber die frisch, aber schlampig und deshalb blutig rasierten Beine ohne weitere Abhilfemassnahmen eine Nylonstrumpfhose ziehen koennte, um durch das zerfliessende Blut ein praetentioeses Spitzenmuster auf die Beine zu zaubern, waehrend man ausserdem auch noch am Abend, wenn die Krusten beim Ausziehen wieder abreissen, eine schlaraffenlandhafte ganze Strumpfhose voll Krusten zu essen hat.

Die Erfinderin dieser Krustenstrumpfhose, die 18jaehrige Helen, liegt nach einer missglueckten, weil den Haemorrho- iden-Blumenkohl mitnehmenden Intimrasur im Krankenhaus und will die Gelegenheit nutzen, ihre geschiedenen Eltern wieder zusammen zu bringen, ist aber wesentlich erfolgreicher darin, den Pfleger Robin mit Geschichten ueber an den richtigen Stellen loechrige Unterhosen aufzugeilen und dem Leser ihre Einstellung zu Hygienefimmel und weiblichem Sexualgebahren zu verkünden. Krustenessen, orgiastische Orgien des Pickel- ausquetschens und liebevolle Aufzucht von Masturbations- avocadokernen sind mir da ja voellig einleuchtend.

Sich allerdings mit voller Absicht auf die ungesaeuberte Klobrille einer oeffentlichen Toilette zu setzen und sie >mit der Muschi in einer kunstvoll geschwungenen Hueftbewegung einmal komplett im Kreis sauber zu wischen und alle fremden Schamhaare, Flecken und Pfuetzen aufzusaugen< oder das beim >Schwanzwichsen< an den Haenden kleben gebliebene Sperma unter den Fingernaegeln hart werden zu lassen, um es spaeter >rauszuknabbern, darauf rumzukauen und nach langem Schmecken und Schmelzenlassen runterzuschlucken<; dazu muss man nicht nur ueber mehr Imaginationsfaehigkeit als ich verfuegen. Das ist exzessiv eklig. Chapeau.

Okay, die Story ist furchtbar konstruiert, niemand wuerde hinter der Ich-Erzaehlerin tatsaechlich eine 18jaehrige vermuten, das Ausmass ihrer Exzentrik ist einfach zu gross: Helen ist seit Jahren routinierte Konsumentin von allem, was der Drogenmarkt so her gibt, passionierte Puffbesucherin und liess sich am Tag ihrer Volljaehrigkeit sterilisieren. Dann soll auch noch Tiefgang her und Helens seltsame Hobbys muessen staendig recht holzhammrig auf ihre Verlorenheit durch die Trennung der Eltern hinweisen. Dazu muesste wohl Subtileres her als Abgruende kurioser Ekelhaftigkeiten. Aber die sind eben denkwuerdig und rechnen mit jenen Frauen ab, die nach dem Scheissen auf dem Klo mit Parfuem rumspruehen und fuenfmal am Tag die Frische-Duft-Slipeinlage wechseln muessen.

5 Kommentare zu “Eklatant eklig

  1. Ich frage mich, warum solche Aussagen sich nur verkaufen lassen, wenn sie unfassbar dummradikal sind? Hat sich die Charlotte wohl gedacht, wir müssen mal wieder einen Diskurs anregen.. wie fangen wir das an? Mit einer perversen Ekelhaftigkeit, ganz klar! Volle Routine, Respekt gibts dafür von mir nicht.. (@ Susanne: höchstens ironischen.. *g*).

  2. Siehst du, das meine ich, mich hat noch keiner als “unfassbar dummradikal” beschimpft. Ein Traum! Ich fürchte, ich hab noch eine Menge zu lernen…:)

  3. Sarkasmus kann ich hier gar nicht entdecken. Ich würde es tatsächlich auch als schmeichelhaft empfinden als “unfassbar dummradikal” bezeichnet zu werden. Diese Auszeichnung bekommt man heute doch wirklich kaum noch. Eine andere Sache: Was hat es eigentlich mit diesem Chapeau auf sich? Bis jetzt hat das nur ein anderer Autor der Berliner gazette verwandt. Seid ihr insgeheim doch seelenverwandt?

  4. ja, vor allem seinem überbordenden sarkasmus fühle ich mich doch sehr verbunden…

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