Samstag morgen. Waschen, foenen, legen? Weit gefehlt! Nicht bei den >Besten vom anderem Ufer<, Kreuzbergs legendaerem Friseursalon nahe des Landwehrkanals. Milde laecheln goldene Putten von den rosafarbenen Waenden herab, Lichterketten mit Kunstgras und Ostereiern zieren die Frisierspiegel. Dazu deutsche Chansons aus den 20ern. Klaus serviert einer Kundin bereits den zweiten Rooibos-Tee.
Die Kundin heisst Elke und muss warten, bis die Farbe unter den Alufolien-Schnipseln eingewirkt ist, die ihren Kopf bedecken. Seit ich den etwas schrillen Salon in der Ohlauer Strasse entdeckt habe, gehe ich nur noch dorthin: Keine weiteren Experimente mit Haarwerkstaetten, 9-Euro-Stylisten und namenlosen Friseuren. Zu oft sah ich nach Friseurbesuchen schlechter aus, als vorher, und auf Geschichten ueber Afrika-Safaris oder Wellness-Wochenenden in Brandenburg kann ich gut verzichten. Bei den >Besten vom anderen Ufer< hat hingegen jeder Termin etwas von einem Kabarett-Besuch - der Laden lebt von den Anekdoten seines Inhabers. Klaus spielt sich selbst und zwar buehnenreif. Ein Mann ohne Alter mit Lachfalten, blond gestraehntem Haar und jede Menge Schmuck um den Hals. Zweifellos jemand, dem es gelingt, alle Klischees ueber seine Zunft zu toppen und der vor allem etwas von seinem Handwerk versteht. >Du glaubst gar nicht, wie kompliziert es war, diesen Dimmer fuer den Kronleuchter zu besorgen<, erzaehlt er der Kundin und klappert ungeduldig mit der Schere. >Ich habe mich mit der Volt-Zahl voellig verrechnet. Dreimal habe ich die Nerven dieses jungen homophoben Karstadt-Verkaeufers strapaziert. Weggerannt ist der vor mir.< Elke nippt an ihrem Tee und murmelt etwas von schlechten Dienstleistern. Ja ja, auf Freundlichkeit seiner Mitarbeiter sei er inzwischen auch staerker bedacht, sagt Klaus. Die Stimmung habe sich verbessert, seit eine Friseuse namens S. weg sei: >S. war immer mies drauf, kein Wunder bei dem vielen Testosteron. Das haelt ja kein Mensch aus! Das ist wie eine Achterbahn: Morgens schwanger, mittags breit und abends Bauarbeiter.< Er kramt in seinem Auftragsbuch und reicht der Kundin mehrere Zeitungsausschnitte. Die ehemalige Mitarbeiterin laesst sich nun offenbar für die >B.Z.< ablichten - Klaus findet das nur traurig. >Super-Transe fuer geile Rentner, oh je oh je<, sagt er lakonisch, >da bleib’ ich lieber Friseuse<.