Die deutsche Sprache war sicherlich die erste, die ich nach der Geburt – und vielleicht sogar schon vorher im Bauch meiner Mutter – gehoert habe. In Kapstadt habe ich das Deutsche als eine Sprache erlernt, die mit Familie und Eltern zu tun hatte. Die Aussenwelt redete eine ganz andere, beziehungsweise viele andere Sprachen: Englisch in den unterschiedlichsten Varianten, das im Zuge des hollaendischen Kolonialismus’ gepraegte Afrikaans und die afrikanische Sprache Xhosa.
Auf einer deutschen Schule war ich nur das erste Schuljahr, Deutsch habe ich also nie richtig gelernt. Mein Verhaeltnis zu der Sprache war lange Zeit sehr passiv. Die Grammatik ist mir immer noch ein Raetsel. Das Denken und die Kultur, die dahinter stecken, verstehe ich allerdings besser als die Grammatik. Meine Eltern kamen aus Bonn und redeten eine sehr regionale Sprache – sie klang fast wie Koelsch. Ich muss immer noch staunen, wenn ich daran denke, dass das bei mir ueberhaupt haengen geblieben ist.
Mitte der 1980er Jahre bin ich nach Deutschland gekommen und habe zwei Jahre in Dortmund gelebt. Aus Suedafrika war ich abgehauen, weil ich kein Militaerdienst in dem Apartheidstaat leisten wollte. In Deutschland musste ich erstmal sprachliche Huerden nehmen. Deutsch als Sprache zu hoeren, war mir sehr vertraut, aber sie zu sprechen, fiel mir schwer. Da habe ich zum ersten Mal richtig gemerkt, wie passiv meine Beziehung zu dieser Sprache ist. Zu Hause hatten meine Eltern zwar mit mir auf Deutsch gesprochen aber ich hatte meistens auf Englisch geantwortet. Unbewusst entstand so eine Mischsprache. Als es darauf ankam, habe ich mir Deutsch dann aber ziemlich schnell angeeignet. Die Matrix – die Grundkenntnisse – waren ja schon da.
In meiner Dortmunder Zeit hat mich mal jemand gefragt, ob ich auf Deutsch oder Englisch denke. Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich auf Deutsch traeume. Wenn ich laenger in Suedafrika bin, schalte ich gedanklich auf Englisch um. Wenn ich hierher zurueckkehre, dann schalte ich wieder auf Deutsch um.
Nach den zwei Jahren in Dortmund bin ich wieder nach Suedafrika gegangen und habe dort Filme gedreht. Bis Ende der Neunziger habe ich mich fast ausschliesslich mit der Sprachkultur in Suedafrika und ihrer Bedeutung in suedafrikanischen Geschichten auseinandergesetzt. Ich war immer wieder zu Besuch in Deutschland, meistens in Koeln und lebte ganz gemuetlich zwischen den Welten und Kulturen. Ich haette mir aber nie zugetraut, Filme in der deutschen Sprache zu drehen.
Seit 2001, also seit ich in Berlin lebe, hat sich das geaendert. Drei Kinoprojekte mit Berliner Geschichten sind in der Entwicklung. Diverse TV-Movies fuers Fernsehen habe ich gemacht und als Regisseur die Serie >Tuerkisch fuer Anfaenger< mitentwickelt. Das alles bedeutet fuer mich eine radikale Lebenswende. Vor zehn Jahren haette ich nicht gedacht, dass ich mich derart neu orientieren wuerde. In meiner gegenwaertigen Arbeit suche ich allerdings die gleichen Sachen wie in Suedafrika: Mir liegt viel daran, dass die Sprache, die die Figuren in den Geschichten sprechen, eine Glaubwuerdigkeit und eine Spontaneitaet hat, die mit dem Alltag zu tun hat und den Zeitgeist aufgreift. In Suedafrika wurde eine afrikanisch-kosmopolitische Kultur unter dem Apartheidsregime unterdrueckt. In meinen Filmen kaempfe ich dafuer, dass die Alltagsprache einen Wert bekommt, der lange Zeit negiert wurde. Meine spaeteren Filme, die in dem Umfeld von Johannesburg angesiedelt sind, reflektieren eine Mischprache, die sich von Region zu Region und auch von Stadtteil zu Stadtteil aendert. Sie besteht aus einer Mischung aus Englisch, Afrikaans, Zulu und Sotho. Ich habe den Druck von Aussen ignoriert, die Kinofilme, die ich in Suedafrika gemacht habe, ausschliesslich auf Englisch zu drehen. Das Argument dahinter, die Filme liessen sich so besser verkaufen, ist fuer mich unsinnig. Nimmt man den Geschichten ihre Sprache weg, so sind auch die Geschichten weg. Koennen Sie sich vorstellen, eine deutsche Geschichte in Deutschland mit amerikanischen Schauspielern auf Englisch zu drehen? Ich denke, Sprache ist was Besonderes. Etwas, dass sich staendig aendert. Das ist das Schoene daran. Gesellschaftliche Aenderungen bringen auch eine Sprache in Bewegung. Ich glaube, dass Normen, wie abstruse Debatten ueber Rechtschreibung, durch viele unterschiedliche Faktoren, die eine Sprache im Alltag formen, ueberrollt werden. Sprache aendert sich durch Immigration - die USA des letzten Jahrhunderts sind ein wunderbares Beispiel. Auch ich bin ein Immigrant... Ich beherrsche die deutsche Sprache ziemlich gut, aber komme mit einem anderen Lebensgefuehl hier an. Das heisst, und ich merke es staendig, wenn ich Gedanken habe, die einer englischen oder suedafrikanischen Sprache entstammen, dann druecke ich mich auch anders auf Deutsch aus, und, wie viele Immigranten, mache ich auch Sprachfehler, die man so oder so bewerten kann. Ich glaube, dass Sprachen flexibel genug sind, andere Gedanken und >Fehler< aufzugreifen und dass sie, zumindest wenn sie haeufig genug gemacht werden, als Redewendung aufgegriffen werden. Dementsprechend steckt eine gewisse Kreativitaet in diesem Austausch. Uebrigens, ich merke schon wie >eingedeutscht< ich bin. Wenn ich Briefe auf Englisch schreibe, will ich schon alles mit >sch< statt mit >sh< schreiben!